Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ulrich, Johann Jakob“ von Carl Brun in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 256–258, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ulrich,_Johann_Jakob&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 12:36 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Ulrich, Hugo
Band 39 (1895), S. 256–258 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Jakob Ulrich (Landschaftsmaler) in der Wikipedia
Johann Jakob Ulrich in Wikidata
GND-Nummer 11896786X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|39|256|258|Ulrich, Johann Jakob|Carl Brun|ADB:Ulrich, Johann Jakob}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11896786X}}    

Ulrich: Johann Jakob U., Landschafts- und Marinemaler, geboren am 28. Februar 1798 in Andelfingen an der Thur, † zu Zürich am 17. März 1877. Sein Vater war Landschreiber. Die Kindheit verbrachte U. bei den Großeltern in Weißlingen, wo er besser aufgehoben war als in dem nahe an der Grenze liegenden und deßhalb in der Franzosenzeit gefährdeten Heimathsorte. Sorglos schwanden die Tage dahin, in einem idyllischen Wiesenthale, wo das Kind, unter der treuen Obhut der Großmutter, die ersten Natureindrücke empfing. Noch nicht sechs Jahre alt kam U. der Schulen halber nach Winterthur und von dort bald nach Zürich. Er dachte nicht gerne an die Schulzeit zurück, da er sich nur im Schönschreiben und im Zeichnen die Zufriedenheit seiner Lehrer erwarb. Stets war er froh, wenn die Ferien begannen und für ihn wieder in Gottes freier Natur das eigentliche Leben anfing. Die Plätze, an denen er mit Vorliebe weilte, abzuzeichnen, ist ihm schon damals Bedürfniß gewesen.

U. wurde zum Kaufmann bestimmt und trat als Handelslehrling in ein Zürcher Geschäft ein. Jeden freien Augenblick widmete er jedoch der Kunst. Er versuchte sich in der Oelmalerei, indem er zunächst, im Jahre 1815, ein Gemälde von Johann Caspar Huber copirte. Sein Vater hatte wohl Freude an dem Bilde, ohne aber aus dem sich offenbarenden Talente des Sohnes den Schluß zu ziehen, daß dieser für die Malerei geboren sei. Er brachte ihn im Gegentheil im Frühling 1816 in einem großen Pariser Handelshause unter, wo U. bis 1822 thätig war. In Paris kam seine Liebe zur Natur vollends zum [257] Durchbruch. „Ihr kennt“, schreibt er den Eltern am 22. Juli 1822, „den in mir schon seit Jahren fortdauernden Hang zur Kunst. Dieser Hang ist bei mir eine Leidenschaft geworden, der ich unmöglich mehr widerstehen konnte.“ Die Eltern gaben den Segen zum neuen Berufe ihres Sohnes, und dieser, in seinem Vorhaben durch den Principal und dessen Frau lebhaft gefördert, machte sich mit Eifer an die Arbeit. U. wurde der Schüler Bertin’s, Gudin’s und der Gebrüder Leprince. Studienreisen in der Provinz, in Belgien, Holland und Deutschland brachten ihn schnell weiter. Bis 1828 blieb er in Paris, sich besonders an den Thiermaler Brascassat und die beiden Robert eng anschließend. Von 1828 bis 1831 treffen wir U. in Italien, wo er in Rom, Neapel und in Sicilien neue Offenbarungen empfing. Er erlebte den Ausbruch des Vesuvs, „die imposanteste Naturerscheinung, die er je gesehen“ und schickt sich an, in der Tiberstadt „ganz mit und in der Kunst zu leben“. „Herrliche Rückerinnerung!“ ruft er aus, „manchmal wirst du mein alterndes Herz erfreuen und ihm einen stillen Seufzer der Anbetung und des Dankes gegen den Schöpfer dieser Wunder ablocken!“ In Italien faßte U. den Entschluß, sich vorwiegend der Landschafts- und Marinemalerei zu widmen, in der er so Hervorragendes leisten sollte. Nach Paris zurückgekehrt, begab er sich nach England, dessen Naturschönheiten sein Pinsel sich mit der gleichen Liebe zuwandte wie den Schönheiten südlicher Natur. Es wäre schwer zu sagen, ob seinen Darstellungen des mittelländischen Meeres oder denen der Nordsee die Palme gebührt. In die Jahre 1833 und 1834 fallen Studienreisen in Ober-Italien und Frankreich, 1835 bereiste U. neuerdings England. Er war inzwischen halber Franzose geworden, was auch daraus hervorgeht, daß er auf seinen Skizzen und Studien die schnell vorübergehenden Farbenstimmungen sich stets in französischer Sprache notirte. Wollte er seinem Vaterlande nicht gänzlich entfremdet werden, war es höchste Zeit, sich, so schwer es ihm auch in gewisser Beziehung wurde, mit dem Gedanken vertraut zu machen, wieder in dasselbe zurückzukehren. 1836 siedelte U. nach Zürich über, dort eine Familie gründend und sich zu ansehnlicher Stellung emporarbeitend. Auch jetzt noch unternahm er fast jährlich Studienreisen im In- und Auslande. Ende der 40er Jahre gründete er eine Zeichen-Akademie und die sogenannte „Kleine Künstler-Gesellschaft“. Die conservativen Ideen im Staatsleben, denen er von ganzer Seele ergeben war, unterstützte er, indem er als geistreicher Karikaturenzeichner die Zürcherische Wochenzeitung von Reithard illustrirte. Hier bewährte er sich auch als tüchtiger Figurenzeichner. 1855 wurde er Professor des Landschaftszeichnens an dem neu gegründeten Eidgenössischen Polytechnikum, in welcher Stellung er gewissenhaft bis zu seinem Tode wirkte. 1866 war U. zum letzten Male in seinem geliebten Paris. Zahlreiche Auszeichnungen, sowohl goldene als auch silberne Medaillen, vom König von Hannover, von der Stadt Douai (1833), von Cambrai (1836), vom Pariser Salon (1835 und 1838) waren die Bestätigung eines gut ausgefüllten Künstlerlebens.

U. gelangte, wie so viele schweizer Maler, erst auf Umwegen zur Kunst. Er hatte aber einen eisernen Fleiß und schwang sich infolge dessen bald zu einem Marinemaler ersten Ranges empor, der auch im Auslande, wo sich zahlreiche Bilder von ihm befinden, eines vorzüglichen Rufes genoß. Aus seiner mittleren Zeit stammt der im Besitze der Künstlergesellschaft in Zürich befindliche „Bach im Walde“ (1853), eine poetische an Claude Lorrain erinnernde Composition mit viel verheißender Aussicht in die Ferne. Außerdem hängen im Künstlergut fünf Bilder von U.: „An der Küste von Trouville“, „Der Sturm“ (1860), ehemals Alfred Escher gehörend, ein bewegtes Seestück, in dem sich die Sturm- und Drangperiode des Meisters widerspiegelt, „2 Marinen“ (1861), [258] „Am Gardasee“ (1869). Vieles von U. in Privatbesitz in Zürich. Bei Frau Stadtrath Landolt: „Die Meeresküste bei Sestri di Levante“, ein duftig helles und ruhiges Gemälde aus dem reiferen Alter des Meisters, bezeichnend für die harmonische und wahre Art, wie sich seine Kunst entwickelte. Bei Frau Prof. Alexander Schweizer: „Die Felsen bei Nizza“, die heute zum größten Theil verschwunden sind, an deren Stelle sich nun die Promenade des Anglais hinzieht. Bilder ferner bei den Herren Bodmer-Trümpler, Baumann-Zürrer (Waldmühle), Pestalozzi-Wiser (An der Küste der Bretagne, 1866), Oberst Vögeli-Bodmer (Engl. Waldesrand), Dr. Rahn-Escher (Marine, 1866), Escher im Wollenhof (Erinnerung an Sestri di Levante, 1871), Bauer-Werdmüller (Winterlandschaft). Die Familie Ulrich’s besitzt ebenfalls werthvolle Stücke des Meisters: die Skizze zum „Rheinfall bei Schaffhausen“, den U. für den Banquier Imthurn in London malte (1868), sein Selbstportrait, „Neapel mit dem Vesuv im Hintergrunde“, den „Brienzersee“, den „Wallensee“. Die unzähligen Skizzenbücher und Studien, von seinen Kindern treu gehütet, legen Zeugniß für die Sorgfalt ab, mit der U. seine Gemälde vorbereitete und zu Ende führte. Beim Durchblättern derselben lernen wir einen feinen Stift kennen, der die kleinsten Dinge mit souverainer Sicherheit auf das Papier wirft. Die Art, wie dies geschieht, offenbart die Weitsichtigkeit des Zeichners. Menschen und Thieren widmete er die gleiche Liebe wie dem Landschaftlichen, in dem seine eigentliche Stärke lag. Großartige Wolkenstudien zeigen, wie fern U. stets der Manier stand. In den öffentlichen Sammlungen Zürichs ist der Künstler als Zeichner weniger gut vertreten, immerhin besitzt auch die Hand-Zeichnungen-Sammlung im Künstlergut und die Kupferstichsammlung des Polytechnikums einige lehrreiche Blätter von ihm. Im Kupferstichcabinet befindet sich auch ein vollständiges Exemplar des im Verlage von J. J. Ulrich in Zürich erschienenen und von J. Reithard mit unserem Meister gemeinsam herausgegebenen Werkes: „Die Schweiz in Bildern“, das den Zweck hatte, die vielen nichtssagenden schweizer Ansichten der Vergangenheit durch wirklich künstlerisch hervorragende zu ersetzen.

Vgl. den Artikel Gottfried Kinkel’s in der „Neuen Zürcher Zeitung“ v. 29. Mai 1870, Nr. 257. – Neujahrsblatt d. Zürcher Künstlergesellschaft von 1878.