ADB:Ulenhart, Niklas
Aegidius Albertinus (s. d.), doch ohne Zweifel mit mehr Geschick und überlegenem Witze, dieser Dichtungsart in der deutschen Litteratur und vornehmlich Grimmelshausen den Weg öffnete. Im J. 1617 ließ er zu Augsburg seine beiden Erzählungen erscheinen, welche den Titel führen: „Zwo kurtzweilige / lustige / vnd | lächerliche Historien / | Die Erste / von | Lazarillo de Tormes / einem | Spanier / was für Herkommens er ge- | wesen / wo / vnd was für abenthewrliche Possens /| er in seinen Herrendiensten getriben / wie es jme auch | darbey / biß er geheyrat / ergangen / vnnd wie er letst– | lich zu etlichen Teutschen in Kundschafft gerathen. | Auß Spanischer Sprach ins Teutsche | gantz trewlich transferirt. | Die ander / von Isaae Win- | ckelfelder / vnd Jobst von der Schneid /| Wie es disen beyden Gesellen in der weitberümten Statt Prag ergangen / was sie daselbst für ein | wunderseltzame Bruderschafft angetroffen / vnd sich | in dieselbe einuerleiben lassen. Durch | Niclas Vlenhart beschriben. | Gedruckt zu Augspurg / durch Andream Aper- | ger / In verlegung Niclas Hainrichs. | M.DC.XVII. | (XIV und 389.“ – Die erstere ist die Geschichte des Lazarillo de Tormes, als deren Verfasser gewöhnlich, wenn auch nicht unbedingt, D. Diego Hurtado de Mendoza gilt, und von welcher U. versichert, daß sie „vor vilen Jahren (zwischen 1520 und 1530) in Hispanischer Sprach außgangen / vnd seythero offt nachgetruckt / aber ins Teutsch nie gebracht worden“ sei. Wenn U. seine Arbeit auch als „gantz trewlich transferirt“ bezeichnet, so erscheint sie doch wesentlich gekürzt. Aus dem ersten Capitel des Originales hat er ihrer neun gemacht, aus dem zweiten fünf, aus dem dritten wiederum neun, dann nach einigen Auslassungen aus dem siebenten zwei; von dem zweiten Theile des Lazarillo aber hat er nur noch das erste Capitel benützt. – In ähnlicher Weise fußt die „History von Isaac Winckelfelder (von Waldmünchen in der Kurpfalz gebürtig) und Jobst von der Schneid (aus Brünn)“, aus welcher die Figur des Zuckerbastel aus Grimmelshausen übergegangen ist, auf einer Musternovelle des Miguel de Cervantes Saavedra „Rinconete y Cortadillo“, welche, jedoch stellenweise erweitert, mit großer Gewandtheit und reichem Humor den Schauplatz der Handlung von [184] „den berühmten Gefilden von Alcudia“ des Cervantes nach der „königlichen Hauptstatt Prag“ verpflanzt, in deren Nähe die „zwen junge Störtzer“ sich begegnen. – Die Lebensschicksale des Verfassers, der aus dem der Inquisition schon bei seinem Erscheinen verdächtigen Werke manches nach der confessionellen Seite hin Anstößige tilgt, ließen sich bisher gar nicht verfolgen. Weder leitet die vom 5. Februar 1617 datirte Vorrede auf irgend eine Spur, noch war aus verschiedenen Archiven etwas zu gewinnen, dies um so weniger, als die Augsburger Stadtrechnungen von August 1616 bis August 1617 fehlen, also auch eine etwaige Verehrung seitens des Rathes nicht nachzuweisen ist. Uebrigens ist nach freundlicher Mittheilung des Herrn Archivars Dr. A. Buff der Name Ulenhart ebenso wenig, wie jener seines Verlegers (Hainrich) einer Augsburger Familie zugehörig. Ob aber U. ein Nachkomme des bekannten Augsburger Buchdruckers Philipp Ulhart (s. S. 186) ist, dessen Name jedoch gleichfalls nach 1577 aus den Steuerbüchern der Stadt verschwindet, ist überaus fraglich.
Ulenhart: Niklas U., nicht ohne Bedeutung als der Bearbeiter zweier Schelmenromane nach spanischen Vorbildern, durch welche er kurz nach- R. Köhler, im Archiv f. Litteraturgeschichte 1869, I, 295. – Serapeum XXXI, 381. – F. Bobertag, Geschichte des Romans 1884, II, 27. – F. Bobertag, Grimmelshausen’s Werke (Kürschner’s D. Nationallit. XXXIII) I, XXVIII. – K. Goedeke, Grundriß 1886, II, 577. – W. Lauser, Der erste Schelmenroman Lazarillo von Tormes. 1889. – Jahrbuch f. Münch. Geschichte 1888, II, 17.