Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Styger, Martin“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 632–633, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Styger,_Martin&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 19:37 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 54 (1908), S. 632–633 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Nach Wikipedia-Artikel suchen
Martin Styger in Wikidata
GND-Nummer 139743030
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|54|632|633|Styger, Martin|Gerold Meyer von Knonau|ADB:Styger, Martin}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=139743030}}    

Styger: Martin St., mit dem Klosternamen Paul, Kapuziner, schweizerischer Politiker, geboren 1764 zu Rothenthurm, Kanton Schwyz, † am 13. November 1824 zu Siena. Der Sohn eines Bauern, wurde St. nach dem Wunsche der Mutter bestimmt, in den Kapuziner-Orden einzutreten, und machte die dafür nothwendigen Studien in Schwyz und im Cistercienserkloster Wettingen; nach dem in Altorf vollendeten Noviziat wurde er 1787 in den Orden aufgenommen. Zu Beginn der helvetischen Revolution war er im Kloster zu Schüpfheim im Kanton Luzern. Im März und April nahm er schon, zuerst als Feldpater, aber bald selbst „zu Pferde sitzend, im Kapuzinerrock, Pistolen im Gurt und Kreuz und Schwert in der Hand“, an den kriegerischen Ausmärschen zur Abwehr der einrückenden Truppen der französischen Republik theil, und auf seine Aufforderung entleerten die Urschweizer, als sie am 29. April in Luzern eingedrungen waren, um sich zu bewaffnen, das dortige Zeughaus. Mit Einsetzen der eigenen Persönlichkeit war in den darauf folgenden Tagen des Heldenkampfes der Schwyzer (s. A. D. B. XXVII, 524) St. überall, wo die Gefahr am größten war. Aber nach der Capitulation mußte er fliehen. Er fand Zuflucht im Vorarlberg und war auch an der Conferenz urschweizerischer Delegirter zu Feldkirch betheiligt, wobei er selbst die Aussagen in eine Art Protokoll zusammenfaßte und einen kürzeren Bericht schrieb, der an Johannes Müller nach Wien geschickt wurde. Im Zusammenhang mit den Plänen der schweizerischen Emigranten, die von einer in Aussicht stehenden Kriegserklärung Oesterreichs an die französische Republik eine Abwerfung der helvetischen Einrichtungen von ihrer Heimath erhofften, begann nun St. – „verschmitzt und grausam, stolz und kriechend, geübt im Reden, Menschenkenner und Selbstsüchtling“, wie ihn der auf der Gegenseite stehende Zschokke charakterisirt – agitatorisch zu wirken. Während Hotze (s. A. D. B. XIII, 205) und der mit dem Einmarsch in Graubünden beauftragte österreichische General Auffenberg allerdings auch nicht genügend temporisirend wirkten, aber doch den Innenschweizern die österreichische Waffenhülfe nicht bedingungslos, sondern nur für den Fall eines Angriffes von französischer Seite in Aussicht stellten, freilich auch so über den festgestellten Plan hinaus, ging nun St., als er am 26. August Feldkirch verlassen hatte, rücksichtslos darauf aus, unter Verbreitung von Versprechungen, denen jegliche Berechtigung fehlte, zum Kampfe aufzureizen. So entstand, hervorgerufen durch die Forderung der Ablegung des helvetischen Bürgereides, der für das Ländchen Nidwalden so furchtbar vernichtende Kampf vom 7. September. Während die von St. irre geleiteten heldenhaften Kämpfer sich verbluteten, floh er, nicht ohne auf dem Wege im Wirthshaus an der Treib auf urnerischem Boden guter Dinge sich noch zu stärken, auf österreichischen Boden zurück. Als 1799, mit dem Ausbruch des Koalitionskrieges, die im englischen Solde stehende Truppe altschweizerisch gesinnter Emigranten, das unter dem Waadtländer Roverea stehende Corps, gebildet wurde, glaubte man St. wegen seiner allgemein bekannten Trunksucht nicht als Feldpater anstellen zu können. Dann aber erschien er doch mit dieser Legion, als sie in die Schweiz eintrat, und er hatte insbesondere mehrfach in Uri Aufträge der österreichischen Generalität auszurichten. Von Mitte Juli an stand er als besoldeter Feldpater des Regiments in Zürich, wo er das Lazareth besorgte. Eifrig nahm er daneben zuweilen an Kämpfen, besonders aber an den Anstrengungen für Wiederaufrichtung der alten politischen Ordnung in der Urschweiz Theil, wie sie an [633] die Stelle der dahinfallenden helvetischen Einrichtungen treten sollte. Aber mit der zweiten Schlacht bei Zürich im September, mit der Räumung der Schweiz, dem Abzug auch des Regiments Roverea war für St. diese Thätigkeit abgeschlossen. Fortan tritt er nirgends mehr hervor. Er wurde 1815 ein Gegenstand des Spottes, als er in dieser Zeit der Restauration sich wieder in den inneren Theilen der Schweiz zeigen wollte. Er ging jetzt nach Italien. Hier soll er, als er in Sicilien und ebenso auf der Insel Malta, einzig mit Hülfe widerspenstiger Galeerensklaven, Pestkranke besorgte, wieder seinen Muth bewiesen haben, und in Italien schloß er auch – ob temporum vicissitudines emigratus a patria sua, wie der Todtenschein aussagt – sein Leben.

Vgl. Zschokke, Geschichte vom Kampf und Untergang der schweizerischen Berg- und Waldkantone, besonders des alten eidgenössischen Kantons Schwyz, sowie die Litteratur über die Nidwaldener Septembertage, besonders die auf den 150 Folioseiten füllenden tagebuchartigen Aufzeichnungen über 1798 und 1799 ruhenden Ausführungen Ed. Wymann’s: Pater Paul Styger’s Beziehungen zu Uri in den Jahren 1798 und 1799, im XIV. historischen Neujahrs-Blatt, herausgegeben vom Verein für Geschichte und Alterthümer von Uri, 1908 (mit dem Porträt des bäurisch aussehenden Mönches), sowie Fel. Burckhardt, Die schweizerische Emigration 1798–1801 (1908), S. 108 ff.