ADB:Sturm, Christoph Christian

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Artikel „Sturm, Christoph Christian“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 4–5, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sturm,_Christoph_Christian&oldid=- (Version vom 8. Oktober 2024, 07:02 Uhr UTC)
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Sturm: Christoph Christian St., evangelischer Prediger, † 1786. Es ist bekannt, daß unter dem Einfluß eines aufgeklärten Moralismus in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Predigten der Kanzelredner sich von dem eigentlich religiösen Gehalt immer mehr entfernten, dagegen der Betrachtung der Natur einen breiten Spielraum gönnten. Die Reihe dieser Naturprediger eröffnet Christoph Christian St., der aber selbst noch auf dem Standpunkte eines verständigen Supranaturalismus stehen bleiben will. Er ignorirt das Religiöse am Christenthum nicht, aber er findet das richtige Verhältniß desselben zum Moralischen nicht mehr; beides steht unvermittelt neben einander. Dann hätte es eben nur noch eines Schrittes weiter bedurft – und das moralische Denken hätte sich vom religiösen gelöst. Diesen Schritt, den entscheidenden des Rationalismus, hat St. noch nicht gethan; aber er läßt bereits einen starken rationalistischen Beigeschmack erkennen. (Vgl. Herzog-Plitt-Hauck, Realencyklopädie, 2. Aufl. XVIII, 575.) – St. stammte aus Augsburg, wo er am 25. Januar 1740 als Sohn eines dortigen kaiserlichen Notars und Gerichtsactuars geboren wurde. Er studirte Theologie, besonders 1760 in Jena, wo er auch 1761 Magister der Philosophie wurde. Amtliche Stellungen bekleidete er in Halle, wohin er sich zur Fortsetzung seiner Studien begeben hatte, und wo er von 1763–1765 am Pädagogium als Lehrer wirkte, in Sorau in der Niederlausitz, wo er kurze Zeit Conrector war, wieder in Halle 1767 als Prediger (4. Diaconus an der Marktkirche), 1769 in Magdeburg in gleicher Eigenschaft (als Prediger an der hl. Geistkirche), endlich von 1778 (26. April) an in Hamburg als Hauptpastor an der St. Petrikirche. Hier ereilte ihn der Tod schon am 26. August 1786. St. hatte sich am 20. April 1768 mit Johanna Christiane Brüning verheirathet, welche am 21. April 1805, 64 Jahre alt, zu Braunschweig verstarb. – Unter seinen zahlreichen erbaulichen Veröffentlichungen mögen als die für seine Predigtweise am meisten charakteristischen hervorgehoben werden die „Betrachtungen über die Werke Gottes im Reiche der Natur und der Vorsehung auf alle Tage des Jahres.“ Halle 1772. 2 Theile. gr. 8°; 4. Aufl. 1797. Französisch (von der Königin Christine von Preußen), Genf 1788. 3 vol. in 12; englisch, London 1791. 12; schwedisch, Stockholm 1791. 8. Sodann die „Predigten über einige Familiengeschichten der Bibel“. 2 Bde. 1783–85, in welch letzteren der Redner die Charakterzüge frommer biblischer Personen zur Betrachtung und Nachahmung vorführt. Besondere Verdienste erwarb sich St. auch durch die Pflege des gottesdienstlichen Gesanges, und mehrere hymnologische Publicationen verdanken diesem seinem Interesse ihre Entstehung. So veröffentlichte er „Gebete und Lieder für Kinder“. Halle 1771. 8°. 4. Aufl. 1779. „Sammlung geistlicher Gesänge über die Werke Gottes in der Natur“. Halle 1774. 8°. „Vollständiges Gesangbuch für Kinder von reiferem Alter“. Ebendas. 1777. 8°. „Lieder für das Herz“. Frankfurt u. Leipzig (Nürnberg) 1767. 8°. 2. Aufl. 1787. „Lieder und Kirchengesänge“. Hamburg 1780. 8°. Mit Melodien zum Singen bey dem Clavier von K. Ph. Em. Bach. Hamburg 1780 u. 1781; 2 Sammlungen, Querfol.; auch von A. Weber. Magdeburg 1781. 4°. „Lieder auf die hohen Fest-, [5] Passions- und Bußtage“. Coburg 1795. 8°. Sogar ein „Gesangbuch für Gartenfreunde und Liebhaber der Natur“. Hamburg 1781. 8°

Unter seinen anderen Schriften nennen wir: „Der wahre Christ in der Einsamkeit“. Halle 1761 u. ö. „Das Frauenzimmer in der Einsamkeit“. Ebendas. 1762 u. ö. „Heilige Betrachtungen eines Communicanten“ 1. Theil 1763. 2. Theil 1765. (Beide in 2. Aufl.) „Die Bestimmung des Menschen beim Landleben“. Leipzig 1764. „Der Christ am Sonntage, eine moralische Wochenschrift zur Beförderung des innerlichen Gottesdienstes am Tage des Herrn“. 1. Theil 1764. 4. Theil 1766. 8° „Homiletisches Journal“. 1. Bd. Leipzig 1765. 2. Bd. 1769–1770. „Anekdoten zur Bildung der Sitten, aus den griechischen und römischen Schriftstellern gesammelt“. 2 Theile. Halle 1767. 8°. „Unterhaltungen mit Gott in den Morgenstunden auf jeden Tag des Jahres.“ Halle 1768. 8°; 10. Aufl. 1811. „Unterhaltung der Andacht über die Leidensgeschichte Jesu“. 1771; 3. Aufl. 1781. „Der Andächtige“, ein Sonntagsblatt, 4 Theile. 1772–1774. „Gesellschaftliche Bemühungen, der Welt die christliche Religion anzupreisen“. 2 Stücke. Göttingen 1772, 1773. (Nur zum Theil von St.) „Predigten für Kinder von reiferem Alter“. 1. Theil Leipzig 1772. 2. Theil 1774. „Reden bei der Confirmation der Jugend“. Magdeburg 1774. 2. Aufl. 1777. „Predigten über die Sonntagsepisteln durchs ganze Jahr“. 4 Theile. Halle 1774–1776. 2. Aufl. in 2 Bdn. 1776; neue Aufl. 1786. „Morgen- und Abendandachten auf jeden Tag der Woche“. Magdeburg 1778. 8. Aufl. 1794. „Predigtentwürfe über die Sonn- und Festtagsevangelia“. 8 Jahrgänge. Hamburg 1778–1785. „Handlexikon des N. T. für Unstudirte zum richtigen Verstande der neutestamentlichen Schriften und besonders der Uebersetzung Lutheri“. Halle 1780. „Ueber die Gewohnheit, Missethäter durch Prediger zur Hinrichtung begleiten zu lassen“. 1784. 4°. (Dazu eine „Erste und letzte Erklärung etc.“ 1784.)

Seine rein gelehrten Arbeiten hatte St. mit der Veröffentlichung der „Oratio de primordiis christianae religionis apud Augustanos“. Jenae 1760. 4° begonnen; es folgten noch drei andere lateinische Abhandlungen zwischen 1760 und 1763, deren Titel bei Meusel (s. unten) S. 519. In deutscher Sprache kam dazu sein „Handbuch zur Kenntniß der theologischen Schriftsteller unter den Teutschen“, 1. Theil, welcher die Schriftsteller vor dem 16. Jahrhundert in sich begreift. Ebenda 1770. 8°. Die hier nicht aufgeführten einzelnen Predigten, welche er bei besonderen Gelegenheiten gehalten und veröffentlicht hat, sind bei Meusel a. a. O. angegeben. Sturm’s Bildniß von Liebe befindet sich vor der dritten Originalausgabe seiner „Unterhaltungen mit Gott“; auch in besonderer Ausgabe, von Stöttrup gezeichnet und von Liebe gestochen 1783; besser von Fritsch, ebenfalls nach Stöttrup 1784; ferner vor der zweiten Sammlung seiner geistlichen Gesänge mit Melodien zum Singen beim Clavier von Bach.

Zu vgl. Thieß, Gelehrtes Hamburg II, 254. – Feddersen, Leben und Charakter weiland Hauptpastors Sturm. Hamburg 1785 (?). 8°. Meusel, Lexikon der … teutschen Schriftsteller XIII (1813), 518–523, woselbst sich die übrige ältere Litteratur über St. auf S. 523 findet. – Heinrich Döring, Die deutschen Kanzelredner des 18. u. 19. Jahrh. S. 495–501. Neustadt a. d. Orla 1830. – Hans Schröder, Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart VII (1879), Nr. 3979, wo noch Suhr, Petrikirche 193 citirt ist.