ADB:Stöber, Daniel Ehrenfried

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Artikel „Stoeber, Daniel Ehrenfried“ von Ernst Martin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 36 (1893), S. 271–272, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:St%C3%B6ber,_Daniel_Ehrenfried&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 20:51 Uhr UTC)
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Stoeber: Daniel Ehrenfried St., elsässischer Dichter. 1779 zu Straßburg geboren, folgte er zwar seinem Vater in der Wahl seines Berufes als Notar, ließ aber in seiner Geistesart mehr den Einfluß seiner Mutter, einer geborenen Ziegenhagen aus Hamburg, auf sich wirken, welche Klopstock 1775 in Karlsruhe gesehen, Lavater und Jung-Stilling persönlich kennen gelernt hatte, und noch ihren ersten Enkel mit einem frommen Taufgedicht begrüßte. Ehrenfried’s Großonkel, der Professor der Theologie Elias Stöber, brachte ihn auch in Verbindung mit F. D. Ring, dem ehemaligen Prinzenerzieher in Karlsruhe. Schon als Schüler dichtete er kleine Stücke und führte sie mit seinen Kameraden auf; dann durfte er 1793 die Begeisterung der Jugend über die große Revolution vor dem Deputirten Denzel aussprechen, und von Eulogius Schneider dafür Lob empfangen. Als die gelehrten Anstalten durch die Schreckensherrschaft unterdrückt wurden, nahm ihn sein Vater in die Schreibstube auf; später besuchte er die Privatvorlesungen einiger Professoren und 1801 auf 1802 die Universität Erlangen. In Paris verkehrte er 1803 hauptsächlich mit Elsässern und Deutschen, unter diesen mit Stolberg, Wilhelmine v. Chezy, Seume. 1806 ward er in Straßburg Licentiat der Rechte und Notar, vertauschte dies Amt jedoch 1821 mit der Advocatur. 1807 verheirathete er sich mit Dorothea Luise Küß, der Tochter eines Pfarrers von Rheinbischofhausen bei Kehl, welche in der Pension zu Straßburg seine Vorträge über deutsche Litteratur gehört hatte. Gleichzeitig trat er dem Dichter Pfeffel in Colmar nahe und dieser übernahm die Pathenschaft bei Stöber’s erstgebornem Sohne August. Durch Pfeffel knüpfte er auch mit überrheinischen Dichtern, wie Georg Jacobi in Freiburg, Verbindungen an; und sein Haus, am alten Weinmarkt gelegen und wegen eines alten, noch jetzt vorhandenen Hauszeichens „zum Drescher“ genannt, nahm Tieck, Voß, Jakob Grimm u. a. gastlich auf. Besonderes folgenreich ward für Stöber’s dichterische Entwicklung seine Bekanntschaft mit Hebel, der gern in Straßburg weilte, und hier einige seiner besten Freunde fand. St. ging zur Dialektdichtung über, in welcher er freilich auf dramatischem Gebiet an seinem Freunde Arnold einen überlegenen Mitbewerber hatte, so das er sich wesentlich auf Lied und Schilderung beschränkte. Eine Dichtergenossin, beiden etwa gleichalterig (1781 geboren, wie Arnold 1780), war Charlotte Engelhardt, geborne Schweighäuser, deren mundartliche Romanze vom Ritterfräulein auf Niedeck von Jakob Grimm und dadurch auch von Chamisso benutzt worden ist. Ein kleines Streitgedicht von ihr an St. über die richtige Behandlung der Mundart, hat Rabany in der Band XXXIII, 357 angeführten Schrift veröffentlicht. St. vereinigte seine Dichtungen und die seiner Freunde zuerst im „Alsatischen Taschenbuch“ 1806 bis 1808; 1817 gab er eine Monatsschrift „Alsa“ heraus, konnte sie aber nur bis zur Mitte des Jahres etwa fortsetzen. Seine „Kurze Geschichte und Charakteristik der schönen Litteratur der Deutschen“, Paris und Straßburg 1826, erlebte allerdings eine 2. Auflage. Stöber’s eigene Gedichte sind zum großen Theil in Einzeldrucken erschienen; seine „Lyrischen Gedichte“ sammelte er zu Straßburg 1811; eine 2. Auflage erschien zu Basel 1814, eine dritte bei Cotta 1821. Auch eine vierte: „Ehrenfr. Stöber’s sämmtliche Gedichte und kleinere prosaische Schriften“, welche 1836 in drei Bänden zu Straßburg erschien und im dritten eine Biographie von Stöber’s Schüler Leser enthielt, ist nicht ganz vollständig. Namentlich fehlen viele politische Gedichte, z. B. „Scenen aus dem Leben der Straßburger Nationalgarde“ o. O. u. J. (1830). Zum Lyriker machte St. sein Temperament, das sich den Eindrücken der Freundschaft und Geselligkeit, der Naturschönheiten und der geschichtlichen Erinnerungen ganz hingab. Eine große Leichtigkeit in der Versbildung befähigte ihn auch, Lieder zu vorhandenen Melodien glücklich neu zu dichten. Refrains in der Manier Beranger’s gelangen ihm [272] ebenfalls. Dazu kam die geschickte, gelegentlich etwas derbe Verwendung der Mundart. So waren seine Lieder der echte Ausdruck der Verstandeshelle und der Zechfröhlichkeit des Elsässers und gewannen eine rasche Verbreitung und dauernde Beliebtheit, wie z. B. das „Lob Straßburgs“: „J bin e hiesis Burjerskind“ oder das „Tischlied“, welches er in sein kleines Drama „Daniel oder der Straßburger auf der Probe“, Straßburg 1823, einlegte. Weniger gelangen seine Romanzen, die er noch spät der schwäbischen Schule nachahmte. Vortrefflich dagegen wieder einzelne Bilder aus dem Volksleben. Von dramatischen Arbeiten ist eine erst weit später von seinem Sohne August herausgegeben worden: „Feodor Polsky oder eine Nacht in Polens Wäldern“, Mülhausen 1872. Anderes ist Uebersetzung nach Rousseau, Madame de Staël, Raynouard. So hat er auch in Prosa Schriften von Chateaubriand, Duras, Lamennais wiedergegeben. Diese Form benutzte er ebenfalls für mundartliche Gespräche, Auslegung von Sprichwörtern u. a. Ein „Neujahrsbüchlein in Elsasser Mundart“ hatte er Straßburg 1818 herausgegeben. Hier nannte er sich Vetter Daniel, unter dem Namen „Gradaus“ schrieb er mehrere „Volksschriften in Gesprächen“ nach der Julirevolution, hochdeutsch, aber mit mundartlicher Färbung. Er suchte den Freisinn der Revolutionszeit mit der Ordnungsliebe des Elsässers zu verbinden: er trat auch persönlich für General Foy, für Benjamin Constant ein, und lobte Ludwig Philipp. Als freisinniger Protestant hatte er schon früher den Jesuitismus der Restauration bekämpft. Das Leben des trefflichen Pfarrers Oberlin, dem das Steinthal seine Cultur verdankt und dem er früh durch seine Mutter näher getreten war, schilderte er in der Vie de J. J. Oberlin. Paris, Strasbourg et Londres 1831. Immer hatte er treu zu Frankreich gehalten und in diesem Sinne schon 1814 „Bemerkungen über das Elsaß, veranlaßt durch deutsche Zeitungsartikel“ geschrieben. Seine politische Stellung aber gereichte ebensowenig zu seinem geschäftlichen Vortheil als seine litterarische Thätigkeit. Noch mitten in litterarischen Entwürfen starb er 1835. Immer hat er Jüngere anzuziehen gesucht, und Leser, Kneiff, Theiler strebten ihm nach; am meisten aber seine Söhne.

Außer der Biographie in den Schriften ist besonders die von Otte (Zetter) in den Elsässischen Neujahrsblättern August Stöber’s, 1846, durch die Familiennachrichten ausgezeichnet.