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Artikel „Springintgut, Johann“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 35 (1893), S. 322–325, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Springintgut,_Johann&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 06:01 Uhr UTC)
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Springintgut: Johann S., der Märtyrer des Lüneburger Prälatenkrieges, 1454–56, und des Patriciates, der Theodori-Gilde, büßte am 15. Juli 1455 in schwerer Gefangenschaft sein Leben ein. Er stammte aus einer seit 1329 nachweisbaren, hochangesehenen und reichen Familie der Stadt, deren Wappen durch seine Einfachheit (quergetheilt: roth und Veh) auf adelige Abkunft schließen läßt. Drei Generationen waren nach einander im Rathe: der ältere Dietrich, seit 1367 Bürgermeister, vertrat Lüneburg auf dem entscheidenden Hansetage zu Köln 1368, der zum Waldemarischen Kriege führte; 1388 führte er die Lüneburger in dem unglücklichen Treffen bei Winsen a. d. Aller, † 22. October 1393. Er ist in allen diesen Jahren, laut Ausweiß der Hanserecesse, in Verbindung mit Albert [323] Hoyke die Seele der Vereinigung Lüneburgs mit den Seestädten. Der jüngere Dietrich, seit 1403 im Rathe, ging mit Heinrich Viskule als Gesandter zum Konstanzer Concile. Gleich nach seiner Rückkehr starb er 1417. Von dessen drei Söhnen wurde Sander Canonicus zu Bardewieck, † 1457 als Senior des Capitels. Der jüngste, Dietrich, war Baumeister (Gerichtsherr der Sülze) während des Prälatenkrieges, wurde zu Rathe gekoren 1458 und sorgte für die Herstellung der Ehre seines Bruders Johann. Er starb kinderlos, und da auch Johann keine Söhne hinterließ, so starb mit jenem das Geschlecht in männlicher Linie aus. Johann’s drei Töchter aus der Ehe mit Ilsabe Gröning heiratheten später in die vornehmen Geschlechter der Tzerstade, Schomaker und Garlop. Aus den beiden letztgenannten Familien stammt eine größere Anzahl des berühmten Lüneburger Silberzeugs. Johann S. war als Rathmann am 9. April 1433 mit dem Bürgermeister Hogeherte auf dem Hansetag in Bremen zur Ausgleichung des „Alten“ und des 1427 „sitzenden Neuen“ Rathes, der Errichtung der sogenannten „Tafel“ (Oelrichs’ Gesetzb. S. 438), und in demselben Jahre mit Bürgermeister Nicolaus Gronenhagen beim Vertragsschluß von Wordingborg vom 18. Juni bis 19. Juli; auch in den nächsten Jahren vertrat er seine Stadt auf den Hansetagen. In den städtischen und Salinenangelegenheiten hatte er sich den ganz besonderen Haß der mächtigen Geistlichkeit der umliegenden Gebiete und nicht weniger den der Handwerksämter zugezogen, der freilich dem ganzen Rathe galt, aber auf ihn als einen der reichsten und sogar auswärts Schloßgesessenen besonders fiel: er hatte einen Theil am fürstlichen Schlosse zu Harburg vom Vater her geerbt und Schloß Lüders sogar in Pfandbesitz. Der Verlauf des Prälatenkrieges liegt außerhalb des Rahmens der Lebensbeschreibung, aber seine Ursachen müssen des Verständnisses wegen genannt werden. Sie beruhen auf dem Wechselverhältniß der Stadt und der Sülze. Das Pfanneneigenthum der letzteren war, soweit es nicht durch Kauf in den Besitz reicher Bürgerfamilien übergegangen war, durchweg in die Hände der Klöster und Domcapitel durch fast ganz Norddeutschland gerathen, welche daraus überaus erhebliche Renten zogen. Mehr und mehr suchte die Stadt aber diese Geldquellen an sich zu ziehen, und da sie ein Obereigenthum nicht zu ertrotzen vermochte, versuchte sie es auf dem Wege des Schutzes, indem sie die städtische Schuldenlast als aus dem der Sülze gewährten Schirm darstellte und die Pfanneneigenthümer nun zum Mittragen und Mitzahlen zu drängen versuchte. Wiederholt hatten die Prälaten beigesteuert, als nun aber der Rath Miene machte, die ganze Schuld auf jene abzuwälzen, da wurden sie störrig und erhoben lautes Geschrei, welches ihnen den Namen Pleter-Prälaten eintrug. Die welfischen Herren sahen dem Spiel schadenfroh zu, aber Adolf von Holstein versuchte auf einem Tage zu Mölln, wohin namentlich S. berufen war, 1451, zu vermitteln, und Bischof Johann von Verden brachte zwischen den Anwesenden einen Vertrag zustande, den aber die Klerisei weit verwarf. Der wüthendste Führer der letzteren war der mit S. persönlich bitter verfeindete Propst von Lüne, Dietrich Schaper (A. D. B. XXX, 572), der es unternahm, die Handwerksämter in Aufruhr zu bringen, und namentlich zu diesem Zwecke über die Stadt und speciell den Rath den päpstlichen Bann heraufzubeschwören. In kaum einer norddeutschen Stadt war die Stellung der Rathsfamilien den Zünften gegenüber so schroff wie in Lüneburg. Die Salzsieder hatten es zäh durchzusetzen gewußt, daß kein Salzbegüterter, wenn er nicht zu ihnen selbst gehörte, selber sieden durfte. Dies geschah angeblich für den halben Ertrag, thatsächlich für einen überaus größeren Gewinn durch die „Sülfmeister“, die sich zunftmäßig gliederten und durch den anwachsenden Reichthum nicht nur die Beamtenstellen der Sülze, sondern auch den Sitz im Rathe so gut wie ausschließlich behaupteten. Das Volk schob aber den wachsenden Reichthum auf unehrliches [324] Ausnutzen der Hülfsquellen der Stadt, so daß der Rath den Gewinn, die Stadt dagegen die Schulden habe. Jede Steuerforderung wurde daher mit bedrohlichem Murren aufgenommen. Schaper wußte dieses gegen den Rath und vorzugsweise gegen S. zu benutzen: 1454 brach der Aufstand aus, an seine Spitze trat bald der 1451 aus dem Rathe wegen seines Eintretens für Schaper ausgewiesene Johann van der Mölen, ein grimmiger Gegner Springintgut’s (vgl. A. D. B. XXII, 94 unter Alb. v. d. Mölen). Es wurden die üblichen Sechziger gewählt, der „Alte Rath“ unter Sicherheitsgelöbniß seiner Stellen enthoben und ein „Neuer Rath“ eingesetzt. Nun lief die Sache ihren üblichen Gang, der alte Rath sollte Rechenschaft thun, diese wurde nicht anerkannt und jener nun bestrickt, „in seine Häuser eingelegt“; Ostern 1455 wurde ihm ein Verzeichniß des ganzen Privatbesitzes abgedrungen, dann dieser für verfallen erklärt; Waffen, Documente, Silber, Tafelgeschmeide weggenommen und auf das Rathhaus gebracht. S. sträubte sich dagegen energisch, er wurde aufs Rathhaus gefordert, von Johann v. d. Mölen den Rathsknechten überantwortet und am 21. April in den Thurm am Gral, hinter dem St. Michaelskloster, der später nach ihm Springintgut hieß, noch unter Gewaltthaten von Seiten kleinerer Bürger, geworfen. Dort schloß man seine Beine in einen neuen Block, und hielt ihn „mit äußerster Härte, wie einen gemeinen Verbrecher“. Mitglieder des Neuen Raths und Sechziger, also seine Feinde, speisten ihn reihum. Seine Beine schwollen an, bessere Haltung wurde den Bitten der Seinigen schroff versagt, nach zwölf Wochen starb er elend am 15. Juli, wie man nachher wohl ohne Grund aussprengte, an beigebrachtem Gift; Absolution hatte Probst Schaper dem Sterbenden versagt. Man verscharrte ihn unter einem naheliegenden Schuppen, als einen Gebannten, in ungeweihter Erde. An dem Tode hatten die Gegner nicht genug, man verbannte seinen Bruder Dietrich aus der Stadt und verlangte, auch Wittwe und Töchter sollten das Haus räumen. Frau Ilsabe aber widerstand muthig, und man wagte doch nicht, gegen sie Gewalt zu gebrauchen. Der ausgewiesene Dietrich aber entsandte die auch verbannten beiden Rathssecretäre Markwart Mildehövet und Nicolaus Hakela (s. diesen) mit Klage über die Gewaltthat zum Kaiser und erreichte, als schon im Innern der Stadt sich Widerstand gegen das Gewaltregiment erhob, das Mandat an die fünf Städte Lübeck, Hamburg, Bremen, Braunschweig und Buxtehude, der Wittwe und ihren Kindern das abgepreßte Gut und Schadenersatz zu schaffen, auch den alten Rath unter Schadensersatz wieder einzusetzen, die Mitglieder des Neuen Raths und die Sechziger festzunehmen und deren Gut mit Beschlag zu belegen. Nach Herstellung des alten Regiments, am 19. Nov. 1456, verzichtete Dietrich S. auf die Mordanklage wegen seines Bruders und forderte eine (freilich beträchtliche) bürgerliche Buße, die wahrscheinlich auch geleistet worden ist. Es sollten die Schuldigen 4000 rhein. Gulden zu Seelmessen für den Todten stiften und die noch nöthigen Kosten für Aufhebung des Bannes tragen; am feierlichen Begräbniß sollten sie mit brennender einpfündiger Wachskerze theilnehmen und dem Dietrich S. für Rückziehung der Mordklage dabei öffentlich danken, ferner ihm und den anderen Klägern für „Kost, Schelden, Hohn und Schmähung“ je 1000 Mark Lübisch, der Wittwe und ihren Kindern aber 2200 rheinische Gulden zahlen. Die Aufhebung des Bannes verzögerten die unterliegenden Prälaten noch bis 1463; dann wurde Johann’s Leiche gehoben und feierlich in der Hauptkirche zu St. Johannis in einer der Familie überwiesenen Capelle beigesetzt; das Patronat dieses Altars wurde der Familie überwiesen. Die Capelle ging später in den Besitz der v. Laffert über; ein Theil des Altars mit dem Bilde des sterbenden S. und dem Mildehövet’s wird auf dem Lüneburger Rathhause aufbewahrt. – Der Prälatenkrieg und Springintgut’s klägliches Ende haben Anlaß zu historischen Volksliedern von beiden Seiten gegeben; [325] ein Spottlied wirft der Familie Wendenblut vor: „Drawäner Weise“, der Gau Drawän d. h. Waldgau, ist das hannover’sche Wendland. Auch für zwei moderne Romane ist der Stoff verwendet: von Julius Wolff im „Sülfmeister“ (Berlin 1883) und von A. von der Elbe (A. v. d. Decken, geb. Meyer) in „Der Bürgermeisterthurm“ (ebenda). Der Name kann als Schnapphahn erklärt werden, heißt in Oesterreich aber als „Springinzguot“ auch „Platzinsguot“ Verschwender, Schwelg (Zeitschr. für Deutsches Alterth. 31 (19) S. 96).

Arch. des hist. Vereins für Niedersachsen 1843, S. 153 ff. – Havemann, Gesch. v. Braunschweig u. Lüneburg I (s. Reg.). – W. C. Volger, Prälatenkrieg (Lüneb. Neujahrsbl. 1863, 1864). – O. Jürgens, Gesch. der Stadt Lüneburg (Hannov. Städtebuch II), S. 63 ff. – Vor allem die urk. Darstellung vom O.-A.-G.-Präs. Dr. Francke (Lüneb. Museumsvereins-Bericht 1882–83). – Die Verhältnisse der Sülze zur Stadt, Krause, ib. 1887–90. – Die histor. Volkslieder: z. B. bei Soltau, namentlich aber bei v. Liliencron I, S. 471–80 und Lüneb. Mus.-B. 1882–83, S. 49–64 (Monthaas). – Das Lüneburger Silberzeug: Albers, Lüneburger Rathhaus und Reichsanzeiger 1874, Nr. 76 (20. März). – Das Nekrolog setzt den Todestag Johann Springintgut’s auf den 17. Juli. – Wedekind, Noten. III, 52.