ADB:Sonnenberg, Franz Anton Joseph Ignaz Maria Freiherr von

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Artikel „Sonnenberg, Franz Anton Joseph Ignaz Maria Freiherr von“ von Max Mendheim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 626–628, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sonnenberg,_Franz_Anton_Joseph_Ignaz_Maria_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 18:20 Uhr UTC)
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Sonnenberg: Franz Anton Joseph Ignaz Maria Freiherr v. S., epischer und lyrischer Dichter, wurde am 5. September 1779 als der Sohn eines Hauptmanns in Münster in Westfalen geboren. Schon als Kind äußerte er sein tiefes Gefühl, seinen hohen Sinn für Freiheit und Recht und seine Verachtung alles rein Aeußerlichen, Nichtigen und Alltäglichen. Früh von Hauslehrern unterrichtet, dann in der Lehranstalt seiner Vaterstadt gebildet, schwärmte er als Knabe für sein Vaterland, und sah, von der Heiligkeit der katholischen Religion durchglüht, die Missionsthätigkeit als künftigen Beruf an. In seinem 15. Jahre, noch auf dem Gymnasium, entwarf er nach Klopstock’s Messias den Plan zu einer großen Epopöe „Das Weltende“ (1. Theil, Wien 1801) und eilte sogleich an die Ausführung. „Groß erhub sich in meiner Jünglingsseele der Gedanke, Dichter der Religion zu werden“, schrieb er 1801 selbst von sich. Nach Beendigung seiner Gymnasialzeit bezog er die Universität Jena, um hier, vielleicht mehr fremdem Wunsche folgend, die Rechte zu studiren, während ihn seine Neigung mehr zur Mathematik, Geschichte, Staatswissenschaft und Philosophie trieb, womit er sich auch, nächst der Dichtkunst, in seinen Mußestunden am liebsten beschäftigte. Trotzdem hatte er, Dank seines eifrigen Fleißes, bereits als 19jähriger Jüngling sein Studium beendet und konnte nun, seinem Drange nach Welt- und Menschenkenntniß folgend, Vaterland und Fremde durchstreifen. Von Wien aus, das ihm nicht sonderlich gefiel, wo er sich aber doch längere Zeit aufhielt, „weil man“, wie er sagt, „nirgends besser die Menschen kennen lernt, wie sie sind, als hier“, ging er nach der Schweiz, dem Land seiner Jugendträume, der Heimath seiner Lieblingshelden nächst Hermann, Tell und Winkelried. Hatte er doch schon lange den Plan, „die große Freiheitsschlacht der Schweizer (die Sempacher) in einer Epopöe zu besingen“. Von [627] Genf aus wurde 1802 eine Reise nach Paris angetreten, wo ihn besonders die dort aufgestapelten Kunstschätze des Alterthums anzogen. Hier schrieb er auch seine Ode „Frankreich und Teutschland, ein Basrelief an der Wiege des 19. Jahrhunderts“ (erschienen 1803 in Hannover), „wozu die Ideen schon in Tells Kapelle in meinem Innern glühten“. S. kehrte nun von Paris aus zunächst nach Münster zurück, wenngleich ihn das religiöse und politische Parteitreiben seiner engeren Heimath oft erbitterte und abstieß. Auch war er eigentlich über seine künftige Laufbahn nicht recht mit sich im Klaren. „Es sind mir zwar mehrere Gelegenheiten gegeben worden, im Hannöverschen eine Carriere zu machen und mein Vater sähe es auch lieber; aber nur einer großen Nation will ich leben, und Hannover ist mir als Vaterland zu klein, und als ein Vasall Englands zu unwürdig.“ Dieser Zwiespalt seiner Neigung mit einem strengen Pf1ichtgefühl wurde noch vermehrt, als er Anfang des Jahres 1803 eine glühende Leidenschaft zu einer jungen Dame faßte, die ihm ganz seinem Ideale zu entsprechen schien. Als aber die Geliebte, obgleich sie seine Neigung aufrichtig zu erwidern schien, anscheinend aus Rücksicht auf ihren Vater, dessen Widerspruch sie fürchtete, wiederholt und fest Sonnenberg’s Werbung abwies und ihm das Jawort verweigerte, da verlor er in seiner bitteren Verzweiflung fast den Glauben an die Menschheit, da waren seine Träume von jenem Ideal für immer vernichtet, und nie mehr hat er sich ganz von dem Schlage erholt, der sein feuriges, hingebendes Herz damals so tief und schwer traf. In dieser Liebe, in diesem Schmerz lag der Keim zu der übermäßigen Gereiztheit seiner schon von Natur stark überspannten Phantasie. Verhältnißmäßig bald erlangte er seine äußere Ruhe wieder, während der Schmerz um die Verlorene noch lange in ihm tobte und bis zu seinem Tode immer wieder hervorbrach. Zunächst suchte er wieder in Reisen Zerstreuung. Noch im December 1803 verließ er die Heimath, ging zunächst nach Kassel, dann nach Minden und Göttingen, wo er sich bis zum Sommer des Jahres 1804 aufhielt und ein Seitenstück zu seinem früheren Basrelief schrieb: „Teutschlands Auferstehungstag“ (erschienen Göttingen 1806), eine Ode voll hohen Schwunges und voll Begeisterung für die von ihm geahnte künftige Einigkeit und Freiheit seines geliebten Vaterlandes. Noch im Sommer war S. nach Jena gekommen und siedelte sich in dem nahen Drakendorf an, wo er ungestört ganz seiner neuen großen Arbeit „Donatoa“, eine Epopöe in 12 Gesängen, die dann 1806–7 in 4 Bänden in Halle erschien, leben konnte. „Das waren seine glücklichsten Stunden! Nur die Poesie war sein Trost, sein Glück, seine Freude“. Im folgenden Winter siedelte er dann wieder nach Jena über, wo er in dem trefflichen Gelehrten Joh. Gottfr. Gruber (s. A. D. B. X, 1) einen warmen Freund fand. Aber „im Sommer 1805“, schreibt Gruber, „ging eine so auffallende Veränderung mit ihm vor, daß mir um ihn bange ward … da er eben über Monatsfrist mit ungewöhnlicher Anstrengung gearbeitet hatte, maß ich diesem die Schuld bei und warnte ihn, sich nicht selbst zu zerstören. ‚Nicht wie ich arbeite, sondern was ich arbeite, mag die Schuld daran tragen‘, sagte er, und ich erfuhr, daß er den schrecklichen sechsten Gesang seines Donatoa umgearbeitet, und in ihm den Bruch der Liebe zwischen Heroal und Herkla dargestellt habe … hier hatte der alte Schmerz wieder neu an seinem Herzen gerissen, wie er Speise, Trank über seiner Arbeit vergessen, der Schlaf ihn und er die Gesellschaft geflohen hatte.“ Und dazu kamen nun noch die aufregenden politischen Ereignisse des Jahres 1805. Mit flammender Begeisterung verfolgte er die Erhebung Deutschlands gegen den Usurpator. „Da entglühte alle seine Sturmliebe zum Vaterlande heftiger, er schwelgte in dem Gedanken, der letzte Teutsche zu sein.“ Da aber kam Ende October die Nachricht von dem Falle Ulms! Nun war er vollends gebrochen, nun gab er sein Vaterland [628] auf. Die verlorene Liebe, das verlorene Vaterland, die unbändige Phantasie machten seinen Geist wanken. Immer schlimmer ward sein Zustand; „alle Schrecken seiner Kindheit, alles Furchtbare seiner Religion standen gräßlich um das Lager des Leidenden her.“ Da machte er in der Verzweiflung am Abend des 22. November 1805 durch einen Sturz aus dem Fenster seinem Leben ein Ende. Ein Dichter voll der hohen Begeisterung Klopstock’s, voll des flammenden Genius Schiller’s war mit ihm dahin. Sein Geist aber tritt klar zu Tage in seinen schon genannten Werken, wie in seinen kleineren Gedichten, die J. G. Gruber sammelte und herausgab (Rudolstadt 1808).

J. G. Gruber, Etwas über Franz v. Sonnenberg’s Leben u. Charakter. Halle 1807. – Goedeke, Grundriß, Bd. 2. – Weimarisches Jahrbuch II, 227.