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Artikel „Schwarzmann, Joseph“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 315–316, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schwarzmann,_Joseph&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 15:02 Uhr UTC)
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Schwarzmann: Joseph S., Decorationsmaler, geb. am 1. Februar 1806 zu Prutz in Tirol. Zu seinen ältesten Erinnerungen zählten die Eindrücke aus dem Tiroler Kriege, in welchem sein Vater mit den Schützen unter Andreas Hofer die Kämpfe mitmachte, wofür ihm das Haus weggebrannt wurde, indeß der Knabe bei den Biwackfeuern der baierischen Soldaten sich herumtrieb. Frühzeitige Freundschaft verband ihn mit dem nachmaligen Historiker und Monsignore Dr. Alois Flir und dem später als Patrioten-Führer bekannten Rechtslehrer Dr. Johannes Schuler, welche beide von Mutter-Seite mit S. verwandt waren. Als ein bergfrischer Junge von vierzehn Jahren kam S. zu dem Decorationsmaler Schönherr, auch einem weitläufigen Verwandten, nach München in die Lehre, ging auf die Wanderschaft nach Wien und zog dann rechtzeitig wieder gegen München zurück, um seinem alten Lehrherrn bei der Decoration der Arkaden zu helfen. Derselbe verwendete ihn auch in gleicher Weise in der neuerbauten Allerheiligen-Kirche, wo Leo v. Klenze die Ornamentirung des unteren Theiles selbst besorgte, die Arbeiten in den oberen Räumen aber an Schönherr übertrug welcher indessen nur schwer in diesen Styl sich fand und die ganze Arbeit an S. abtrat (1838). Damit war für S. der weitere Weg vorgezeichnet. Die Leichtigkeit, womit S. alte Motive neu belebte und eigene, stilgerechte Ornamente erfand, erregte Friedrich v. Gärtner’s Aufmerksamkeit, welcher ein solches Talent mit Freuden erfaßte und vollauf beschäftigte. Beide verstanden sich in erfreulichster Weise. Die von Gärtner’s sprudelndem Geiste nur so hingeworfene Idee erfaßte S. mit congenialem Verständniß, variirte dieselbe wie eine Fuge im überraschenden Spiele von Form und Farben und wetteiferte mit Glanz und Schimmer, um dem plastischen Gedanken zum vollendeten Ausdruck zu verhelfen, ohne denselben zu überwuchern oder zu beeinträchtigen. S. blieb Gärtner’s steter Begleiter; er lieferte die Decoration des Cursalons zu Kissingen, zu den beiden Pinakotheken, zur Universität, für die Ludwigskirche und das Atrium der Hof- und Staatsbibliothek. Vielen Räumen der kgl. Residenz, dem Wittelsbacher-Palais, theilweise auch der Basilika (vgl. Kunstblatt 1845, S. 196), dem „Pompejanischen Hause“ zu Aschaffenburg verlieh S. ihr prächtiges Farbengewand. Inzwischen hatte unser Meister auf weiten Studienfahrten ganz Deutschland und Italien bereist und überall neues Material für sein Fach eingeheimst; mit Oberbaurath v. Gärtner ging S. auch nach Griechenland und leitete daselbst die Decoration der kgl. Residenz in Athen (Kunstblatt 1840, S. 440). Seine umfangreichste Arbeit bildete jedoch der Dom zu Speyer. Die darauf verwendete Thätigkeit pflegte S., freilich nur scherzweise, nicht nach Quadratschuhen und Klafterlängen, sondern nach – Tagwerken zu berechnen, da er an den Wandflächen dieses Baues vier und ein halbes Tagwerk mit Ornamenten und darunter 10 000 Quadratfuß bloß mit goldener, streng stilistisch gehaltener Verzierung bedeckte. Nach Vollendung dieser Aufgabe war auch die überraschende Decoration der Stadt Speyer und insbesondere des Domplatzes daselbst beim Empfange des königlichen Maecen das überraschende Werk des erfindungsreichen Künstlers, welcher eine phantastische Avenue hinzauberte – Grund genug, daß auch ihm die dankbare Stadt, gleichzeitig mit dem Schöpfer des Dombilder-Cyclus Johann von Schraudolph und dem Baurath Heinrich Hübsch das Ehrenbürgerrecht verlieh. Einen verlockenden Antrag, im Winterpalais zu St. Petersburg die decorative Ausstattung zu übernehmen, hatte S. abgelehnt, dafür aber edelmüthig seinen Freund Drollinger in Vorschlag gebracht. Als ein wahres Muster von gutem [316] Geschmack und reicher Prachtentfaltung ornamentirte S. die Synagoge zu Mannheim, außerdem aber wohl über hundert Kirchen, Bahnhöfe und Saalbauten (dazu gehört auch Schwarzmann’s Antheil bei der durch Leimbach bewerkstelligten Restauration des Münchener Hof- und Nationaltheaters, vgl. Eggers’ „Kunstblatt“ 1854, S. 6) in Baiern und den angrenzenden Ländern. Trotz dieser artistischen Thätigkeit hielt er es gar nicht unter seiner Würde, auch die Zimmerdecoration, insbesondere in den zahlreichen, von ihm erbauten Privathäusern, in sein Bereich zu ziehen; S. trug in erster Reihe dazu bei, unseren Wohnräumen ein freieres, mehr behagliches und doch stattliches Gepräge zu verleihen. So brachte S. ein vordem arg darniederliegendes und mißachtetes Gewerke zu erneutem Ansehen und weiterer Blüthe. Er knauserte nie mit den Mitteln, hielt seine Leute gut, war aber auch scharf gegen jede Flunkerei, die er bitterlich haßte. Alle gleichzeitigen Künstler hielten ihn hoch und werth, so Peter Cornelius, Leo Klenze, vorerst aber Fr. Gärtner, ferner Ziebland, Hübsch und Bürklein; unter den Malern zählten Julius Schnorr, Kaspar Braun, Moriz Schwind – dessen Berufung nach München 1847 durch Schwarzmann’s rechtzeitige Empfehlung erfolgte – Johann Schraudolph und viele Andere zu seinen innigsten Freunden. Er sammelte auch eine Gallerie von köstlichen Bildern, meist in kleinem Format. Außerdem besaß er einen Schatz von Erinnerungen, Anekdoten und Charakterzügen seiner Zeitgenossen; schade, daß er nie dazu kam, dergleichen in Schrift zu bringen – viel Erbauliches und Pikantes ist uns dadurch verloren gegangen. S. handhabte die Feder mit Geschick, wählte dazu auch gern die gebundene Form und besaß eine eigenthümliche Redegabe, wobei sein mit größter Trockenheit und schalkischer Liebenswürdigkeit wetteifernder Humor immer glänzend durchschlug. Eine Probe dieser Art und seiner geistigen Frische gab der hochbetagte Mann noch am letzten Malertag (1883) mit einer wohlversificirten Empfangsrede. Im engeren Freundeskreise inscenirte er gerne seine grotesken Einfälle zu dramatischen Auftritten und Ueberraschungen. Bei den früheren Künstlerfesten, z. B. bei dem Kellerabend zu Thorwaldsen’s Ehren (1841), war S. stets als Arrangeur betheiligt und stellte mit seinen, auch dazu wohlgeschulten „Leuten“ immer ein decorativ-schaffendes und wirksames Contingent. Auch bei anderen Fragen der alten Künstlergenossenschaft, wie bei der Gründung des Künstler-Unterstützungs-Vereins, betheiligte er sich als Stifter. Insbesondere freute es ihn, jüngere Landsleute um sich zu sammeln und ihnen bereitwillig Rath und Hülfe zu bieten. Während er selbst eine große Einfachheit bewahrte, gewährte er seinen Kindern eine ausgezeichnete Erziehung. Sein Sohn Hermann S. trat als Artillerielieutenant in baierische Dienste, ging 1869 nach New-York, siegte bei einer Preisconcurrenz mit einem Project zum Fairmont-Parke und erschien als Chefingenieur bei der großen Exposition zu Philadelphia. – In behäbigen Ehren genoß S. die wohlverdiente Ruhe, bis er am 18. Juli 1890 zu München aus dem Leben schied. Seine Büste hat Halbig 1852 modellirt.

Vgl. Nagler 1846. XVI, 128. – Sepp, Ludwig I., König von Baiern 1869. S. 360. – Stubenvoll, Beschreibung der Basilika 1875. S. 55. – Wurzbach 1876. XXXII, 343 ff. – Lützow, Kunstchronik. 1890, und Neue Folge. I, 538.