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Artikel „Schultze, Hans Wilhelm“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 736–737, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schultze,_Hans_Wilhelm&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 01:49 Uhr UTC)
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Schultze: Hans Wilhelm S., Yorck’s Feldprediger, ein Sohn des ersten Dompredigers und Superintendenten S. zu Havelberg, am 9. März 1783 daselbst geboren, auf dem Werder’schen Gymnasium in Berlin vorgebildet, besuchte von 1801–3 die Universität Halle und ward dann Hauslehrer auf dem Rittergute Nennhausen bei Rathenow, wo er die Kinder erster Ehe der geschiedenen, mit einem Herrn v. Rochow vermählt gewesenen Frau Karoline de la Motte-Fouqué, einer geborenen v. Briest (s. A. D. B. VII, 201), unterrichtete. Hier sah er seinen Berliner Lehrer, den Sprachforscher Bernhardi, wieder, lernte Schlegel und Tieck kennen und ward sowohl in die schöngeistigen Kreise der Romantiker eingeführt, wie mit der soldatisch-aristokratischen Denkungs- und Verkehrsart der Schloßbewohner und ihrer Nachbarn vertraut gemacht. 1811 ward er Brigadeprediger in Potsdam, ging im folgenden Jahre mit dem preußischen, Napoleon zum Kampfe gegen Rußland gestellten Hülfscorps nach Kurland und gehörte hier zum Hauptquartier des Generals Yorck. Zu letzterem trat er bald in ein sehr nahes Verhältniß, welches sich während des in den Kriegsjahren 1813 und 1814 gemeinsamen Feldlebens immer inniger und freundschaftlicher gestaltete. Yorck’s Biograph, Droysen, sagt darüber: „Yorck begegnete ihm stets mit der größten Hochachtung, wie er ihm denn bis an sein Lebensende Beweise vollsten Vertrauens gegeben hat. Von strenger Frömmigkeit und hoher Bildung, stets mit jenen soldatischen Männern lebend, ohne bei seinem hohen sittlichen und religiösen Ernst seinem geistlichen Stande je etwas zu vergeben, ward S. von allen geliebt und geehrt. Dabei war er unermüdlich in seiner amtlichen Pflicht, die er mit großem Muthe und großer Aufopferung auf Schlachtfeldern und in Lazarethen ausübte. Er hatte die Gabe, zu den Soldaten zu sprechen; sie kannten ihn alle und verehrten ihn.“ Weiteres rühmliches Zeugniß zu seinen Gunsten legt ein Kriegsgenosse und Mitglied von Yorck’s Stabe, der General Karl v. Röder, in seinen „Erinnerungen etc.“ (als Manuscript gedruckt, Berlin 1861, S. 93) ab, in denen es heißt: „Eine sehr edele liebenswürdige Persönlichkeit war auch ein Feldprediger S. Wenn er auch damals vielleicht nicht so ganz entschieden christlich war, als später es sich in ihm entwickelte, so war doch sein ganzes Herz in allem Edelen dem Christenthum zugewandt. Er war eine poetische Natur, hatte sehr vielseitige geistige, auch gesellige Bildung, wobei [737] ihm vielleicht zu statten kam, daß er im Hause des Dichters Fouqué Lehrer gewesen, daher gewohnt war, mit Militärs zu verkehren. Für die Sache des Krieges glühte sein ganzes Herz.“ An anderer Stelle rühmt Röder des Feldpredigers Freude an der Geselligkeit und erzählt wie dieser überall, wohin sie gekommen, sich mit den Verhältnissen der Gegend, der Geschichte der Oertlichkeiten und dem, was diese Merkwürdiges und Sehenswerthes geboten, bekannt gemacht und ihnen darüber berichtet habe und von dem gemeinsamen Lesen Shakespeare’scher Stücke in den Ruhepausen des Feldzugslebens. S. habe viel persönlichen Muth gehabt und diesen oft, aber stets in einer seinem Stande angemessenen Weise, namentlich durch Trost und Beistand bethätigt, welche er den Verwundeten auf den Schlachtfeldern gebracht habe. Auch für die Wirksamkeit von Schultze’s Predigten gibt Röder Beweise. Andere Beläge enthält die unten genannte Schrift von Schild. Mit dem Eisernen Kreuze am weißen Bande aus dem Kriege heimgekehrt, wurde S. 1817 Superintendent in Crossen und Michaelis 1829 Director der Ritterakademie zu Brandenburg a. d. Havel. Der Domherr v. Rochow auf Reckahne hatte seinen Einfluß angewendet, ihm die Stelle zu verschaffen, mit welcher ein Gehalt von 1200 Thalern, freie Wohnung und für seine Person Speisung am Tische der Zöglinge verbunden waren. Schultze’s Wirksamkeit war hier nicht eine so erfolgreiche wie im Predigeramte. „Er hatte durch seine feine weltmännische Bildung und den sichern Takt im Umgange für die gesteigerte Frequenz der Ritterakademie und deren Einnahmen förderlichst gewirkt. Und sein frommer, echt christlicher Sinn hatte allerdings seiner segensreichen Wirksamkeit eine höhere Weihe gegeben, ihn aber auch blind gemacht gegen die in den letzteren Jahren, namentlich durch mecklenburgische Zöglinge und gewissenlose Aufseher und Diener herbeigeführten Unsittlichkeiten, die sein argloses Gemüth kaum erkannte oder die falsche Sorge für sein Institut ihn vertuschen ließ. Er sehnte sich lebhaft in das Pfarramt zurück, denn er fühlte wol seine Unzulänglichkeit zum Directorat“ – heißt es in der zweiten der unten angegebenen Quellen. Die Erfüllung dieses Wunsches stand nahe bevor, als S. am 18. Januar 1836 nach zweitägigem Krankenlager am Lungenschlage starb. Er sollte gerade dem Consistorium für die erledigte Oberdompredigerstelle zu Brandenburg präsentirt werden.

Der preußische Feldprediger von E. Schild, Divisionsprediger, I, Eisleben 1888. – Mittheilungen des Herrn Dr. Heine, Directors der Ritterakademie zu Brandenburg an der Havel, aus einer ungedruckten Geschichte der Anstalt.