ADB:Schulthess-Rechberg, Karl Gustav Ritter von

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Artikel „Schultheß-Rechberg, Karl Gustav Ritter von“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 700–701, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schulthess-Rechberg,_Karl_Gustav_Ritter_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:05 Uhr UTC)
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Schultheß-Rechberg: Karl Gustav Ritter v. S., Numismatiker, geboren am 24. September 1792 zu Zürich, der jüngere Sohn des Privatier Leonhard S. in Zürich und dessen Gemahlin Karolina Franciska geb. v. Meyer, wendete sich, obwohl anfangs zur diplomatischen Laufbahn bestimmt, zum Militärstand, wurde schon 1810 Officier in einem Schweizer Regiment, dann 1815 Hauptmann im Regiment Ziegler bei der königl. niederländischen Regierung, trat 1816 als Hauptmann im zweiten Schweizer-Garderegiment in den königl. französischen Dienst, wurde 1819 Bataillonschef (Oberstlieutenant), quittirte aber noch in demselben Jahre, um seine kranke Mutter zu pflegen. Bald darauf kaufte S. die Herrschaft Nußdorf in Niederösterreich, worauf Kaiser Franz I. ihn und seinen Bruder Adolph Friedrich S. und dessen Nachkommen als Ritter v. S.-R. 1824 nobilisirte. Sein Veränderung liebender Sinn brachte ihn dazu, alsbald seine österreichischen Besitzungen wieder zu verkaufen und seinen Wohnsitz nach Zürich zu verlegen, woselbst jedoch die seit der Julirevolution auch in der Schweiz gangbar gewordenen Ideen seinen streng legitimistischen und conservativen Principien gegenüber traten, so daß S. sich zu einer Uebersiedelung nach Wien entschloß, woselbst er 1846 seine langgeplante Conversion zur katholischen Kirche vollzog. Aber auch in Wien war seines Bleibens nicht länger; verstimmt durch mancherlei Erfahrungen nahm S. 1847 seinen bleibenden Wohnsitz zu München, wo sein gastliches Haus manchem Sonderbundflüchtling ein treues Asyl bot. Von hier aus besuchte er seine Verwandten und unternahm zur Erweiterung seiner numismatischen Forschungen zahlreiche kleinere und größere Reisen. Etliche Jahre vor seinem am 23. Juni 1866 zu München erfolgten Ende erlitt S. durch allzugroßes Vertrauen eine nicht unbeträchtliche Einbuße seines sehr ansehnlichen Vermögens. Er verstand es, sich vollständig zu rangiren, ohne seine echt aristokratischen, wissenschaftlichen Allüren darunter leiden zu lassen; nur das Project einer ihn gewiß hochbeglückenden Vernunftheirath gelangte nimmer zur Ausführung. S. war ein echter, alt-royalistischer Edelmann und Emigré à la Vicomte de Chateaubriand in getreuer Schweizerübersetzung, kein Staatsmann und Politiker, aber begabt mit einem, streng historischer Forschung zugewendeten wissenschaftlichen Eifer. Als Münzensammler hatte er schon frühzeitig den Plan gefaßt, den Thaler als Münzbranche zu bearbeiten und dadurch einer Lücke abzuhelfen, indem seit David Samuel v. Madai’s „Thaler-Cabinet“ (Königsberg 1765–74) kein ähnliches Werk erschienen war. S. inscenirte seinen Plan und begann sein „Thaler-Cabinet oder Beschreibung aller bekannt gewordenen [701] Thaler, worin auch alle diejenigen Stücke aufgenommen wurden, welche in Madai’s Thaler-Cabinet beschrieben sind“ von K. G. Ritter von Schultheß-Rechberg, Wien 1840. Der erste Band behandelt die Thaler der Kaiser und Könige, der zweite (1845–46) in zwei Abtheilungen die Thaler der Päpste und Erzbischöfe, dann jene der Bischöfe, Ordensmeister, Aebte, Pröpste und Aebtissen. Von dem dritten Band, welcher die altfürstlichen Häuser in alphabetischer Folge umfassen sollte, kam nur die erste und zweite Abtheilung heraus (München 1862 u. 1867); den vierten Band mit der Fortsetzung der alt- und neufürstlichen Häuser, den Grafen und Freiherren, Italien, Schweiz, den Niederlande, den außereuropäischen Staaten und Colonien übernahmen die Herren Jul. und Alb. Erbstein in Dresden (1868, 1869), welche auch die Ehrenpflicht eines Nekrologes erfüllten, womit J. P. Beierlein’s Nachruf im 29. Jahresbericht des Historischen Vereins von Oberbaiern (1867, S. 144 ff.) zur Ergänzung verglichen werden kann. Letzterer erwähnt auch die Schattenseite der Schultheß’schen Arbeit, welcher die heraldische Beschreibung der Wappen, ebenso die Entzifferung der Monogramme von Stempelschneidern und Münzmeistern häufig übersah, überhaupt zu langsam und ungleich arbeitete, obwohl er seinen Vorgänger durch zahlreiche glückliche Funde erweiterte und ergänzte. Doch wird „nicht sobald wieder ein numismatischer Schriftsteller in die günstige Lage kommen, durch Unabhängigkeit, Reichthum, Gelegenheit zu Benutzung der berühmtesten öffentlichen und Privatsammlungen, verbunden mit der reichhaltigen eigenen, etwas möglichst Vollständiges liefern zu können“. S. war sorgfältig auf die Echtheit seiner Stücke bedacht, und überlieferte manches nur im geringsten verdächtige, dem Schmelztigel, was er früher theuer bezahlt hatte. Das Zimmer, in welchem S. seine Münzschränke aufgestellt hatte, nannte der Unvermählte scherzweise immer nur seine „Kindsstube“. Seine reichhaltige Bibliothek wurde im October 1867 versteigert, bald darauf auch seine numismatische Sammlung, welche neben den seltensten Thalern auch erlesene Medaillen und kostbare Goldmünzen enthielt. Eine Specialität seines Talentes als Erzähler betraf die Schilderung der Pariser Julirevolution 1830, welcher S. als Augenzeuge beigewohnt hatte. Daß ein so ausgeprägter Charakterkopf nie dazu kam, seine Memoiren in Schrift zu bringen, ist immer zu beklagen.