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Artikel „Schlu, Jochim“ von Adolf Hofmeister in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 603–604, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlu,_Jochim&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 20:33 Uhr UTC)
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Band 31 (1890), S. 603–604 (Quelle).
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Schlu: Jochim S. (Schlue, Sluhe), dramatischer Dichter. Sein Geburtsjahr ist unbekannt, ebenso das seines Todes. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist er um 1563 zu Rostock geboren als Sohn des Hans Schlu (Slude) und dessen Ehefrau Anna. Den Vater verlor er sehr früh, denn bereits 1572 ging die Mutter eine zweite Ehe ein, bei welcher Gelegenheit sein Erbtheil auf 250 Mark sundisch[WS 1] festgestellt wurde. Im J. 1577 kam er in das hansische Comtoir zu Bergen, um bei Harm Tieman aus Lübeck die Kaufmannschaft zu erlernen. Da er dort seinem eigenen Bericht nach fleißig den Katechismus lernen und in der Kirche zu St. Martin öffentlich aufsagen mußte, wird er damals kaum älter als 14–15 Jahr gewesen sein. Neben seiner kaufmännischen Ausbildung fand er noch Zeit, sich fleißig mit Musik, namentlich mit Orgelspiel und Gesang, zu beschäftigen. 1592 weilte er wieder in Rostock und setzte sich mit seinem Stiefvater, Jasper Buck, wegen des väterlichen Erbtheils und des Antheils an der Hinterlassenschaft eines verstorbenen Bruders auseinander. Um dieselbe Zeit wird er sich in Rostock als Kaufmann und Mitglied der Bergenfahrer-Compagnie niedergelassen haben; 1606 nennt er sich selbst „Bürger und Bargerfahr zu Rostock“. Das ist alles, was wir zur Zeit von seinen Lebensumständen wissen. Der Familienname Schlu, wohl mit niederdeutsch schlu = hochdeutsch schlau zusammenhängend, kommt in Rostock und Wismar mehrfach, wenn auch nicht gerade häufig, vor, ebenso im übrigen Niederdeutschland, jedoch in sehr verschiedener Schreibung. – Jochim S. ist der Verfasser einer 1606 in Rostock gedruckten „Comedia von dem frommen, Gottfrüchtigen und gehorsamen Isaac“, die neuerdings rege Beachtung gefunden hat. Sie ist, wie schon der Zusatz auf dem Titel „Aller frommer Kinder und Schöler Spegel“ zeigt, ganz als Schulcomödie angelegt und unterscheidet sich weder hierdurch noch durch die unbekümmerte Benutzung des geistigen Eigenthums Anderer (die eigentliche Fabel ist fast wörtlich aus Georg Rollenhagen’s Abraham entlehnt, während sich die Rüpelscenen vielfach mit dem niederdeutschen Zwischenspiel in des Joh. Butovius Isaac berühren) von der großen Menge ähnlicher Erzeugnisse, doch sind ihr eigene Vorzüge in der Anlage und Durchführung keineswegs abzusprechen. Was besonders an ihr hervortritt, ist der ganz überwiegende Gebrauch der niederdeutschen Sprache. Prolog und Beschluß, sowie die Argumenta der einzelnen Acte sind zwar hochdeutsch, im Stücke selbst aber bedienen sich des Hochdeutschen nur Isaac mit seinen beiden Gespielen, die ausdrücklich als Schüler bezeichnet sind, und das dadurch als landfremd charakterisirte Landsknechtspaar, daneben – der Teufel. Jehova selbst, der Erzengel Michael, Abraham und Sara sprechen gleichmäßig die heimische niederdeutsche Mundart, desgleichen natürlich der Geck, die Bauern, Knechte u. s. w., in der Opferscene auch Isaac; ebenso ist die vorausgeschickte Historie von Pyramus und Thisbe (hier Sidonia genannt) niederdeutsch. Auch die hochdeutschen Stücke mit Einschluß des Titels verrathen an zahlreichen Stellen, namentlich im Reim, daß sie ursprünglich niederdeutsch gedacht und entworfen sind. Das Urtheil Fr. Kluge’s[WS 2] (Von Luther bis Lessing, 2. Aufl., S. 105), der freilich nur Auszüge kennen konnte, ist demnach hier nicht zutreffend. Weiter ist die Comödie noch cultur-historisch von hohem Interesse als das einzige erhaltene litterarische Denkmal des berühmten Hansischen Contors zu Bergen. Die letzte Scene gibt offensichtlich eine Vorstellung von den nicht sehr zarten Scherzen, die die Neulinge, also seiner Zeit auch der Verfasser selbst, in der Handelsniederlassung zu Bergen über sich [604] ergehen lassen mußten und die Widmungsworte des den Vorstehern des Bergischen Contors zugeeigneten Druckes zeigen uns das Leben und die Zucht der „Brücke“ in wesentlich milderem Lichte als die aus jener Zeit herrührenden zahlreichen Klagen über die dort herrschende Zügellosigkeit und Rohheit.

Von dem Originaldruck der „Comedia“ sind nur zwei Exemplare, in der Universitäts-Bibliothek zu Rostock und in der Stifts-Bibliothek zu Linköping, erhalten. Ein Neudruck, besorgt von A. Freybe[WS 3] und begleitet von einer eingehenden litterarischen und culturgeschichtlichen Würdigung, ist als Festschrift zur Einweihung des neuen Gymnasialgebäudes zu Parchim am 15. April 1890 herausgegeben. (Druck von D. Soltau in Norden; eine im gleichen Verlag erscheinende Ausgabe für den Buchhandel ist in Vorbereitung.) Eine hochdeutsche Uebersetzung findet sich in A. Freybe, Altdeutsches Leben III (1880), S. 361–397. – Zu der von Freybe im Neudruck vollständig verzeichneten Litteratur ist jetzt noch hinzuzufügen: Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock I, (1890) S. 101.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Stralsunder Währung
  2. Friedrich Kluge (1856–1926), Sprachwissenschaftler
  3. Albert Freybe (1835–1911), Gymnasialprofessor, Volkskundler