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Artikel „Schlief, Hans“ von Gottfried von Bülow in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 512–514, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlief,_Hans&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 08:21 Uhr UTC)
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Schlief: Hans S., 1435–1466 Bürgermeister von Colberg, aus dem reichen Patriciergeschlechte, welches noch jetzt unter dem Namen v. Schlieffen blüht. Seine Eltern waren Hans S. der ältere († 1438) und Jutteke Holk; er selbst war mit einer Tochter des hinterpommerschen Adelsgeschlechtes v. Varchmin [513] vermählt. Seit 1426 im Rath, war S. 1436 Bürgermeister und gewann in einem bald ausbrechenden Streit mit Bischof Sigfrid von Camin (1424–49) durch die zähe Kraft und rücksichtslose Entschlossenheit, mit der er die Rechte der Stadt vertheidigte, eine in der pommerschen Geschichte hervorragende Bedeutung. Der Bischof stand zum Basler Concil, S. aber verbot im guten Glauben an die höhere Macht des Papstes Eugen IV., der der Stadt manche Privilegien verliehen hatte, den Bürgern, Vorladungen vor das geistliche Gericht Gehorsam zu leisten. Infolge dessen kam es zu argen Thätlichkeiten, Domcapitel und Geistlichkeit verließen die Stadt, und der Bischof verhängte den Bann über S. und dessen Anhänger. Herzog Bogislav IX. von Pommern brach, durch den Bischof bewogen, bei einem Ausgleichsversuch S. das Geleit, nahm ihn gefangen und gab ihn nur gegen das Versprechen hohen Lösegeldes wieder frei. Dadurch aber war das trotzige Selbstgefühl der alten Hansastadt schwer verletzt; arm und reich schaarten sich die Bürger Colbergs um ihr Haupt, verweigerten die Zahlung des Lösegeldes und stießen die wenigen S. abgeneigten Rathmänner aus dem Rath. Als der Herzog am 25. Juli 1443 mit einem Heere vor der Stadt erschien, mußte er unverrichteter Sache abziehen, und als er bald darauf durch Verrath Eingang fand, erlitt er eine noch empfindlichere Niederlage. Es ist nicht unmöglich, daß während dieser Fehde Colberg seine Handelsbeziehungen zu dem skandinavischen Norden benutzte, um sich von dorther Hülfe zu beschaffen; jedenfalls war S. im Sommer 1444 bei König Christoph in Calmar und erhielt damals von demselben das Wappen – im silbernen Schilde einen rothen Mannesrumpf – verliehen, welches die v. Schlieffen noch heut führen. Zum Abschluß sind die Verhandlungen aber nicht gediehen, vielmehr boten die wendischen Städte der Hansa ihre Vermittlung an, wonach es am 21. Mai 1445 zum Frieden zwischen dem Herzog und der Stadt kam. Die Aussöhnung des Bischofs mit der Stadt war schwieriger; am 20. Januar 1449 mußte sich derselbe aber zu einem Frieden verstehen, der einer völligen Niederlage glich. Schlief’s Ansehen stieg dadurch hoch bei den Bürgern, und er rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen durch einsichtsvolle Leitung der städtischen Angelegenheiten auch in den Friedensjahren. Unter dem frischen Eindruck des Sieges führte er am 22. Februar 1450 eine neue[WS 1] Salzkothenordnung ein, da die alte den ersten Anlaß zu Reibungen mit der bischöflichen Partei gegeben hatte; noch mehr aber ehrte es ihn, dessen Familie die einflußreichste in der Stadt war, daß er das Zusammensitzen naher Verwandter im Rath verbot. – Nach wenig Jahren entbrannte der Streit mit Bischof Sigfrid’s Nachfolger Henning (1449–69) wilder und blutiger als zuvor. Sühneversuche der pommerschen Stände waren erfolglos, so daß S. sich genöthigt sah, mit Dänemark, dem Erbfeinde der Hansa, ein Bündniß zu schließen, dessen günstige Nachwirkung sich noch in viel späterer Zeit bemerkbar machte. Infolge dessen trat aber der Königherzog Erich I. (A. D. B. VI, 206), durch diese Verbindung mit seinen Feinden aufgebracht, jetzt ebenfalls feindlich gegen Colberg auf; der von ihm geplante, durch Dinnies von der Osten (A. D. B. XXIV, 501) am 21. December 1461 ausgeführte, nächtliche Ueberfall scheiterte jedoch an Schlief’s rascher Entschlossenheit. Endlich traten, um die völlige Verwüstung des Landes durch beide Theile zu wehren, die pommerschen Städte vermittelnd zwischen die Gegner und brachten am 1. Januar 1466 zwischen dem Herzog und der Stadt einen Frieden zu stande, dem sich später auch der Bischof und das Capitel anschlossen. Letzteres hat S. nicht mehr erlebt; er starb um die Mitte des Jahres 1466, nachdem er sich einen Ruf weit über die Mauern seiner Vaterstadt hinaus erworben hatte, denn in allen Hansastädten sprach man bewundernd von dem Colberger Bürgermeister, der mit Kraft und Umsicht die [514] Anschläge der Feinde vereitelt hatte. Er war der echte Ausdruck des trotzigen, mächtig aufstrebenden norddeutschen Bürgerthums, mit unbeugsamer Willenskraft seinen Zielen zustrebend, im Augenblick der Gefahr von kaltblütiger Entschlossenheit und staatsmännischer Klugheit, in dem leidenschaftlichen Auflodern seines Zorns, dem rücksichtslosen Vertreten der Interessen seiner Stadt ein echter Sohn seiner gewaltthätigen Zeit. Nichts zeugt mehr für seine kernige Tüchtigkeit als das unbegrenzte Vertrauen, welches seine Mitbürger, darunter selbst seine persönlichen Gegner, in der Zeit der Noth in ihn setzten. Bei aller Härte gegen die Geistlichkeit und trotz der Leichtigkeit, mit der er den über ihn verhängten Kirchenbann trug, war er doch kein Feind der Kirche, vielmehr hat er zahlreiche Messen gestiftet und wohlthätige Anstalten gegründet und befördert. Er hinterließ drei Söhne, welche sämmtlich hintereinander das Amt des Vaters bekleideten; andere Mitglieder des Hauses haben im Rath der Stadt gesessen und die Schlieffenstraße daselbst trägt noch heute den Namen des einst hochberühmten Bürgermeistergeschlechtes.

Riemann, Gesch. d. Stadt Colberg.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: neuen