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Artikel „Schlegel, Bernhard“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 368–371, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlegel,_Bernhard&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 13:30 Uhr UTC)
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Schlegel: Joh. Bernhard S., ein in Basel gebildeter, von der norddeutschen Missionsgesellschaft in Bremen auf die Sklavenküste Afrika’s ausgesandter Missionar, stammt aus Württemberg, dem Lande, aus welchem so manche bedeutende Missionare hervorgegangen sind. Er wurde am 2. März 1827 in Belsen von wohlgesinnten Eltern geboren. Schon in der Volksschule zeigte er reiche Begabung. Auch zeigte sich in seinem Herzen besonders durch den Einfluß seiner frommen Mutter Empfänglichkeit für die christliche Wahrheit. Freilich theilt er uns in seinem Lebenslaufe mit, daß schlimme Kameraden ihn zu allerlei Sünden verführt hätten. Als er die Schule verließ, rieth sein Schullehrer den Eltern, ihn das Schulfach lernen zu lassen; aber der junge Mensch sprach sich entschieden dagegen aus. Für diesen Ungehorsam thaten ihn seine Eltern zu einem Schneider, die Schneiderei zu erlernen. In seinem nun beginnenden Jünglingsalter entwickelte sich der von ihm beschriebene Kampf zwischen Geist und Fleisch. „Das heiße Gebet meiner Mutter“, schreibt er, „wurde erhört, die Gnade Christi bekam das Uebergewicht“. Die Trennung von seinen bisherigen bösen Kameraden trug ihm, wie nicht anders zu erwarten war, Spott und Hohn ein. Nach Schluß seiner Lehrzeit reiste er in seinem 16. Jahre mit einer Empfehlung [369] an den Candidaten Staudt, den bekannten späteren Pfarrer von Kornthal, nach Basel. Er fand in der Nähe von Basel und nachher in Basel selber Arbeit in seiner Profession. Hier wurde er mit den Missionswegen bekannt und das Verlangen, selber Missionar zu werden, stieg in ihm auf. Auf seine Eingabe an das Baseler Missionscomité wurde er einberufen. Im J. 1847 trat er in das Missionshaus ein. Er machte hier den vollständigen Kurs von 6 Jahren durch. Seine ausgezeichneten Gaben und großer Fleiß machten ihn rasch zu einem der besten Zöglinge. Durch sein freundliches, offenes Wesen gewann er bald bei den Lehrern und den übrigen Zöglingen volles Zutrauen. In seinen Studien war Hebräisch und Griechisch seine Lieblingsarbeit, schon Morgens um 4 Uhr saß er an seinem Pult. In seinen Predigten drang er auf eine erbauliche Weise in die Herzen der Zuhörer. Im J. 1853 wurde er an die norddeutsche Missionsgesellschaft in Bremen abgetreten, welche im Sinne hatte, Missionare nach der Sklavenküste in Westafrika zu schicken. Seine freie Zeit in Bremen benützte er zur Vervollkommnung in der englischen Sprache. Schon im December 1853 reiste er ab und landete Mitte Januar 1854 in Christiansburg. Der Missionar Zimmermann schreibt von ihm: „Ich habe keinen gesehen, der vom ersten Augenblicke an so ganz mitten in die eigentliche Missionsarbeit hineinsprang und von nun an ihr lebte.“ Es wurde ihm als Missionsposten Keta (Quitta) angewiesen. Der muthige Streiter griff gleich in die Arbeit ein. Mit Ausdauer warf er sich in seine Aufgabe, sprachliche Arbeiten zu übernehmen. Mit großen Schwierigkeiten war es verbunden, die uncultivirte Sprache grammatisch zu lernen, ihre Gesetze aufzufinden und sie in Schriftsprache umzuwandeln. Mit einem Bleistift und einem Blatt Papier in der Hand lauschte er den Gesprächen der Neger, um Wörter herauszufinden und niederzuschreiben. Bald gelang es ihm auch, aus der Zahl der Knaben den begabtesten zu erhalten, welcher ihm beistehen konnte. Weil derselbe aber so wenig englisch verstand, so gab es manche Irrthümer. Aber S. ließ sich nicht abschrecken. Durch seine Geduld wurde auch seine Arbeit belohnt. Die Hauptsache aber, die Predigt an die Heiden, vergaß er nicht. Auch hier waren es besonders die Kinder in der Schule, welchen er alles klar beibrachte, so daß sie an dem Unterrichte Freude hatten. Es ist bekannt, daß schon Dutzende von Missionaren in Westafrika dem Klima erlegen waren. Schon lange vorher hatte der Graf Zinzendorf die schmerzliche Erfahrung gemacht, daß seine dahin gesandten Missionare vom Klimafieber dahingerafft wurden. Er hat den bekannten Vers gedichtet:

„Es wurden viele ausgesät,
Als wären sie verloren,
Auf ihren Beeten aber steht:
Das ist die Saat der Mohren.“

Auch Basel und Bremen hatten dieselbe Erfahrung gemacht. Schon im November 1855 war die Gesundheit Schlegel’s tief erschüttert. Ein schweres anhaltendes Kopfleiden machte ihn arbeitsunfähig. Er zog sich zur Ruhe nach Akropong zurück, erholte sich daselbst wieder und kehrte gestärkt im April 1856 nach Keta zurück. Rüstig arbeitete er fort, konnte an seine Gesellschaft ein kleines Buchstabirbuch schicken und erlebte die Freude, daß er vier der älteren Knaben aus der Schule als die Erstlinge taufen konnte. Daneben arbeitete er eifrig an seinen sprachlichen Arbeiten fort. Schon im August 1856 vollendete er sein Werk: „Schlüssel zur Ewe-Sprache mit Wörtersammlung und einer Sammlung von Sprichwörtern und Fabeln.“ Das Buch hat in den Göttinger gelehrten Anzeigen und in der zweiten Ausgabe des „Standard-Alphabets“ von Lepsius [370] Anerkennung gefunden, umsomehr zu bewundern, als der Verfasser kaum 21/2 Jahre im Lande war. In seiner Bescheidenheit nannte er das Werk einen „Wisch Grammatik“. Ein erfreuliches Erlebniß für ihn war, daß Missionar Knecht, welcher bekanntlich das Leben Schlegel’s geschrieben hat, ihm zur Mitarbeit beigegeben wurde. Während ein und der andere der Brüder versetzt wurde, namentlich auf den neuen Missionsposten in Waya, wohin auch S. der Sprache wegen gern gegangen wäre, mußte er in Keta bleiben. Die beiden Brüder verlebten glückliche Tage mit einander. S. hatte die richtige Ueberzeugung, daß, wenn die Missionsarbeit festen Fuß gewinnen sollte, die Missionare sich unter dem Volk ansiedeln müßten. Dazu reichte die Reisepredigt nicht aus, die Missionare sollten auch durch ihr Leben und Wirken den Heiden predigen. Als geeigneten Punkt fanden sie die Stadt Auyako heraus. Dieser Ort war einer der volkreichsten in dem ganzen Gebiete, und sie fanden auch einen geeigneten Platz daselbst, den man durch Kauf erlangte. Schon Ende April 1857 reiste er nach Waya, wo er bis in den Januar des nächsten Jahres blieb. Hier setzte er seine Uebersetzungsarbeiten fort, machte Predigtausflüge und arbeitete in der Schule. Noch in diesem Jahre vollendete er die Uebersetzung der Calwer biblischen Geschichten und sandte sie zum Druck nach Haus. Auch die Leidensgeschichte und die Briefe des Johannes vertraute er der Ewe-Sprache an. Doch mußte er die Erfahrung machen, daß er sich in Beziehung auf Vervollkommnung der Sprache in Waya getäuscht hatte. Auch verließ ihn sein Knabe Christian, welcher ihm bei seinen Uebersetzungsarbeiten unentbehrlich war. Er erlaubte nämlich demselben, seine kranke Mutter zu besuchen; der Knabe kehrte aber nicht mehr zurück. Diese Undankbarkeit that ihm sehr wehe und veranlaßte seine Versetzung nach Anyako, wo er seine sprachlichen Arbeiten fortsetzen konnte. Hier vollendete er die vier Evangelien in Ewe. Noch immer sammelte er Fabeln und Sprichwörter von den Eingeborenen. Oft bis in die Mitternachtszeit arbeitete er, ja sogar während der heißen Mittagszeit ruhte er selten. Wie gut war es, daß er einst die Schneiderei gelernt hatte. Als sein Freund Knecht einmal klagte, er komme wegen seiner Kleider in Verlegenheit und müsse Rock und Hosen haben, war S. bald bereit zu helfen. Man kaufte Tuch in Keta; die beiden Brüder nähten drauf los, bis sie die nöthigen Kleidungsstücke hatten. Sein Wunsch, den er auch aussprach, ging dahin, er möchte nur 10 Jahre in Afrika sein, ehe er zurückkehren müsse. Damals war er ziemlich wohl, sodaß er sein Comité bat, ihm zu erlauben, in den Stand der Ehe zu treten. Im September 1858 reiste er nach Christiansburg, um seine Braut, Lydia Stöcklin von Basel, abzuholen. Am December war sein freundlicher Hochzeitstag. Aber seine Frau sollte bald die Erfahrung machen, daß sie in Afrika war. Sie hatte viele und ernste Fieberkrankheiten durchzumachen. Mit großer Treue saß ihr Mann Tag und Nacht an ihrem Bette. Sie erlangte wieder ihre Gesundheit, um nur zu bald an seinem Kranken- und Sterbebett wachen zu müssen. Sein altes Kopfleiden hatte sich nämlich wieder eingestellt. Als man ihn ersuchte, eine Erholungsreise zu machen, lehnte er diesen Vorschlag ab. Knecht hatte mit einem andern Missionar eine Reise in das Innere gemacht und überraschte ihn auf der Rückreise; da fand er ihn sehr herabgekommen. Als ihm dieser den Vorschlag machte, zu Pferd in das Innere zu reisen, erwachte in ihm sein glühender Missionseifer. Er reiste mit einem Begleiter zu Pferde ab. Die Reise bekam ihm sehr übel; zweimal fiel er vom Pferd; mehrmals sank er in Ohnmacht. Er kam sehr krank zurück; das Traurige war, daß es keinen Arzt an seinem Aufenthaltsort gab, und er hatte noch immer im Sinne, eine Erholungsreise nach Akropong auszuführen. Missionar Plessing überredete ihn, nach Keta zu kommen, weil es von da aus leichter sei, mit Schiffsgelegenheit [371] Akropong zu erreichen. Sehr schwach und angegriffen kam er an und verfiel täglich mehr. Mit großer Geduld und herzlicher Dankbarkeit für jeden Dienst ging er rasch seinem Ende entgegen. Mehrere Missionare und seine tiefbetrübte Gattin standen am Sterbelager; am 1. Mai 1859 entschlief er.

Erinnerungen an Bernhard Schlegel von Heinrich Knecht. Bremen 1859. – Zahn, Vier Freistätten im Sklavenland. Bremen 1870.