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Artikel „Schenking, Otto“ von Heinrich Diederichs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 90–92, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schenking,_Otto&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 21:10 Uhr UTC)
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Schenking: Otto S., der Führer der katholischen Gegenreformation in Livland unter polnischer Herrschaft, entstammte einem alten adligen Geschlechte des Landes und war zweifellos wie sein Bruder Georg, der 1605 als Castellan von Wenden in Krakau starb, ursprünglich Lutheraner. Sein Geburtsjahr ist unbekannt, ebensowenig wissen wir etwas über seine Jugendentwicklung und die Motive seines Uebertritts zur katholischen Kirche. Er erscheint gleich beim Beginn der polnischen Katholisirungsbestrebungen in Livland als deren eifriger Förderer. Als König Stephan Bathori durch den Frieden von Kiwerowahorka (Januar 1582) in den unbestrittenen Besitz Livlands gelangt war, fand er nach seiner eigenen Erklärung keine Spur der katholischen Kirche mehr im Lande. Im Widerspruch zu seinen, den Ständen des Landes feierlich gegebenen Versicherungen und Zusagen betrachtete er die Wiederherstellung des Katholicismus als eines der Hauptziele seiner Regierung. Der kluge, aller Verhältnisse kundige Jesuit Antonio Possevino entwarf den wohldurchdachten Plan der Ausführung. Jesuiten wurden nach Livland berufen und errichteten sogleich in Riga und Dorpat, später auch in Wenden ihre Collegien. Als Mittelpunkt für die Katholisirung des Landes gründete König Stephan im December 1582 das Bisthum Wenden und dotirte es reichlich. Der Bischof sollte die erste Stelle und den ersten Rang im Lande nach dem königlichen Administrator einnehmen. Der erste wirkliche Bischof, welcher in Wenden seinen Sitz nahm, war Patricius Nidecki 1583 und sein Dompropst wurde Otto S. Da der Bischof der Landessprache nicht kundig war und überhaupt nicht sehr thätig gewesen zu sein scheint, so gewann S. um so größeren Einfluß. Außer seiner Muttersprache war er des Polnischen und des Lettischen kundig; er war daher zur Propaganda unter dem Landvolke ganz besonders befähigt. S. wandte sich denn auch direct an die „undeutschen“ Bauern und suchte sie durch recht kräftige Argumente von ihrem bisherigen Glauben abzuziehen. So hat er einmal den Bauern in der Nähe von Riga nachdrücklich vorgehalten, die lutherischen Prediger seien nur geldgierige Miethlinge und nur auf ein bequemes Leben bedacht und hob dem gegenüber die Uneigennützigkeit und Aufopferungsfähigkeit der katholischen Geistlichen hervor. Er wies dabei auf sich selbst hin, der altadliger Herkunft sei und doch alles Seine verlassen habe, um die armen Leute zum wahren Glauben zu bekehren. Richtete er auch in diesem einzelnen Falle nichts aus, so blieben doch wiederholte Reden solcher Art gewiß nicht ohne Wirkung auf die Bauern. Häufig weilte er in Riga, wo er die Bestrebungen der Jesuiten eifrig förderte und sich dadurch den lebhaften Haß der Bürger zuzog. Als daher in dieser Stadt im December 1584 wegen der vom Könige befohlenen und vom Rathe zugestandenen Einführung des Gregorianischen Kalenders heftige Unruhen entstanden, gerieth S. in große Gefahr; doch wurde er durch den Bürgermeister Nyenstädt gerettet. Nach dem 1587 erfolgten Tode des Bischofs Patricius ward S. Administrator des Bisthums Wenden und endlich 1589 auf die dringende Vorstellung der gesammten katholischen Geistlichkeit Livlands an den päpstlichen Nuntius in Polen, vom Papst als Bischof confirmirt. In demselben Jahre mußten auch die Jesuiten in Riga wieder aufgenommen werden. Jetzt betrieb S. die Katholisirung des Landes mit allem Nachdruck. Die Landbevölkerung sollte von der evangelischen Kirche losgerissen und dann gewaltsam katholisch gemacht werden und die Bürger in den Städten durch die Jesuiten und die mit ihnen Hand in Hand gehenden polnischen Beamten und Befehlshaber so lange mit Plackereien und Kränkungen aller Art heimgesucht werden, bis sie zuletzt mürbe gemacht und zur Unterwerfung gebracht würden. Bei König Sigismund III. wurde 1589 ein Befehl ausgewirkt, wonach zunächst auf den königlichen Domänen den Letten und Esthen nicht mehr evangelisch gepredigt werden [91] sollte und der Besuch des lutherischen Gottesdienstes ihnen verboten wurde. Diesen Befehl suchte S. sogleich auch auf die Letten und Esthen in den Städten auszudehnen und ließ den esthnischen Prediger in Dorpat, als er trotz seines Verbots weiter esthnischen Gottesdienst hielt, ins Gefängniß werfen. Doch entließ er ihn wieder auf Vermittelung einiger benachbarter Edelleute und gab die Absicht, den königlichen Befehl auch in den Städten zur Geltung zu bringen, zunächst auf. Sigismund III. verlieh ihm zur Belohnung seines Eifers gegen die Ketzer die reiche Cistercienserabtei Sulejow in Kleinpolen. So lastete am Ende des 16. Jahrhunderts harter religiöser Druck auf Livland und die politischen Rechte seiner Stände wurden völlig mißachtet oder ganz beseitigt. Einen Stillstand in der Gegenreformation führte der Einfall, welchen Karl von Südermanland 1601 in Livland machte, herbei. Als er zunächst siegreich im Lande vordrang, schloß sich ihm ein großer Theil des livländischen Adels an und die Jesuiten wurden theils vertrieben, theils gefangen fortgeführt. S. floh vor den Schweden nach Polen, wurde aber unterwegs von zuchtlosen polnischen Banden völlig ausgeplündert. Das Kriegsglück wandte sich aber bald immer mehr auf die Seite der Polen, doch kehrte S. erst 1610 wieder nach Livland zurück. Nachdem durch den im folgenden Jahre eingetretenen Tod Karl’s IX. zunächst jede Gefahr von Schweden her verschwunden war, begann die Katholisirung Livlands von neuem und in noch verstärkterem Maße. Wieder war S. der Führer. Die Jahre 1611–21 gehören zu den schwersten, welche das deutsch-protestantische Livland durchlebt hat. Ein großer Theil des Adels war in den Kämpfen gefallen oder entflohen, da alle, welche sich Karl angeschlossen hatten, vom Könige von Polen als Rebellen geächtet wurden; ihre Güter waren an Polen verliehen worden. Das Land war furchtbar verwüstet und an vielen Stellen ganz verödet, die Bevölkerung sehr gelichtet, Widerstand auf dem flachen Lande daher kaum zu erwarten; in den Städten allein behauptete sich die evangelische Kirche noch unerschüttert. 1611 kam auf Schenking’s dringende Bitte der päpstliche Protonotar Joh. Beletti nach Livland und führte eine allgemeine Kirchenvisitation aus und im selben Jahre hielt S. in Riga eine Synode ab. Wie rücksichtslos bei solchen Visitationen gegen die Lutheraner in den kleineren Städten verfahren wurde, zeigt sehr anschaulich der Bericht über die im J. 1613 von dem Wendenschen Archidiakonus Tecnon und dem Jesuiten Tolgsdorf unternommene Visitationsreise. 1612 und 1614 wurde auf Schenking’s Betrieb von Sigismund III. der Befehl vom Jahre 1589 erneuert und verschärft, indem er jetzt auch auf die Letten und Esthen in den Städten Ausdehnung erhielt. Danach forderte dann S. 1615 in Dorpat die Entlassung des esthnischen Predigers und die Einführung des neuen Kalenders und bezeichnete sich ausdrücklich als den Urheber aller religiösen Bedrückung. 1616 ist dann auf dem Landtage zu Riga, der damals größtentheils aus katholischen Polen bestand, die Abschaffung aller esthnischen und lettischen Prediger auf dem Lande beschlossen worden. Die Städte mußten sich fügen und die „undeutschen“ Pastoren entlassen; die Esthen und Letten wurden, wenn sie in die deutschen Kirchen kamen, unter Mißhandlungen hinausgejagt. Es war der Höhepunkt der katholischen Reaction erreicht. Der Widerstand gegen den von S. und den Jesuiten geübten Druck erlahmte allmählich; nur Riga stand unter Samson’s Führung noch fest. Aus dieser furchtbaren Bedrängniß wurde Livland durch Gustav Adolf 1621 gerettet. S. entfloh bei Annäherung der Schweden zum zweiten Mal nach Polen und ist nicht wieder zurückgekehrt. Die Jesuiten mußten jetzt auch aus Riga weichen und die Katholisirung des Landes war für immer vereitelt. S. erscheint noch einmal als Bischof von Wenden auf der großen polnischen Synode zu Petrikau [92] 1628 und ist dann 11 Jahre nach dem Scheitern seines Lebenswerkes 1632 gestorben.

Kein Zeitgenosse hat sein Leben beschrieben, auch aus neuerer Zeit gibt es keine Monographie über ihn. Gadebusch hat das zu seiner Zeit zugängliche Material in dem Aufsatze: Von den Bischöfen zu Wenden und in Livland, der in den von ihm herausgegebenen „Versuchen in livländischer Geschichtskunde“, Bd. I, Stück 1, Riga 1779 abgedruckt ist, fleißig zusammengestellt. Werthvolle urkundliche Ergänzungen dazu finden sich bei Theiner, Vetera Monumenta Poloniae. Tom. III. – Einige Berichtigungen und Zusätze gibt Christiani, Uebersicht der Gegenreformation in Dorpat. 1883.