ADB:Scheibler, Karl Freiherr von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Scheibler, Karl Freiherr von“ von Adolf Schinzl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 704–707, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scheibler,_Karl_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 02:59 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 30 (1890), S. 704–707 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl Wilhelm von Scheibler in der Wikipedia
Karl Wilhelm von Scheibler in Wikidata
GND-Nummer 13812955X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|30|704|707|Scheibler, Karl Freiherr von|Adolf Schinzl|ADB:Scheibler, Karl Freiherr von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=13812955X}}    

Scheibler: Karl Freiherr v. S., k. k. Feldmarschalllieutenant und Ritter des k. k. Militär-Maria–Theresienordens, geboren zu Eupen im damaligen preußischen Regierungsbezirk Aachen am 6. September 1772, war einer der kühnsten und gefürchtetsten Parteigänger. Seine Waffenthaten, von denen hier nur die hervortretendsten berührt werden können, kennzeichnen ihn als einen durch persönliche Bravour, Kaltblütigkeit und Energie ausgezeichneten Officier. Früher in preußischen Diensten, welche er aus bisher nicht aufgeklärten Ursachen verließ, trat er im J. 1799 als Lieutenant in das k. k. österreichische Ulanenregiment Graf Merveldt Nr. 1, wurde schon am 2. Mai desselben Jahres Oberlieutenant und in Würdigung seiner Tapferkeit noch am 1. December des genannten Jahres Rittmeister. Am 6. November 1805 avancirte er zum Major, 1809 zum Oberstlieutenant bei Vincent-Chevaulegers, worauf er 1810 mit Obersten-Charakter seine Charge quittirte. Im J. 1813 als supernumerärer Oberst in das Ulanenregiment Nr. 7 eingetheilt, wurde er am 29. März 1814 zum Commandanten dieses Regiments ernannt, im J. 1823 zum Generalmajor und 1832 zum Feldmarschalllieutenant befördert. Im J. 1836 erhielt er das Festungscommando in Legnago, 1839 jenes in Josefstadt, wo er auch am 29. Januar 1843 starb. – Bald nach seinem Uebertritt in die österreichische Armee beginnt er, sich nicht nur in seinem Regimente durch seine Unermüdlichkeit im Dienste, sondern auch bei dem Feinde durch seine Kühnheit derart bemerkbar zu machen, daß der französische Commandant Legrand in einem an den General Grafen Merveldt gerichteten Briefe ziemlich naiv erwähnte, er habe Befehl gegeben, auf Jeden, der sich seinen Vorposten ohne Trompeter nähern würde, zu feuern. „Cette mesure“, heißt es weiter in dem Schreiben, „de laquelle je suis bien aise de vous prevenir, pourra être funeste à Mr. Schleber (Scheibler) qui continuellement est sur toute la ligne.“ Am 15. April 1799 machte S. einen Streifzug gegen Düngenheim, übersiel am 18. bei Niederschopfen und am 21. bei Ichenheim die feindlichen Vorposten, tödtete und verwundete 2 Officiere und gegen 40 Mann und brachte 18 Gefangene zurück. Nachdem er – inzwischen Oberlieutenant geworden – im Mai mehrere kleinere Handstreiche ausgeführt hatte, gelang es ihm am 20. Juni einen Transport von 20 mit Fourage und Lebensmitteln beladenen Wagen, den die Franzosen im Dorfe Kirzel requirirt hatten, aufzufangen und den gebrandschatzten Bauern zurückzustellen. Als S. am 30. Juni mit einem Theile seines Commandos auf dem Platze zu Offenburg aufgestellt war, um zu einer Recognoscirung abzurücken, sprengten die ausgesandten Vorposten von einer zahlreichen französischen Dragonertruppe verfolgt, zum Thor hinein. Kaum sahen jedoch die Feinde die aufgestellten Ulanen, als sie umkehrten. S. verfolgte sie mit seinem Streifcommando, gewahrte aber vor der Stadt eine wol sechsmal überlegene Cavallerietruppe. Von ihr noch unbemerkt, traf er seine Dispositionen, um dem Feinde in die Flanke oder in den Rücken zu fallen. Das kühne Wagniß gelang, der sich eiligst flüchtende Feind ließ 2 Officiere, 18 Mann und 9 Pferde in den Händen Scheibler’s. Am folgenden Tage überfiel er schon wieder den Gegner abermals bei Offenburg und schlug ihn nicht nur mit bedeutendem Verluste zurück, sondern machte überdies [705] noch 20 Mann desselben zu Gefangenen. Da der Feind durch diese empfindlichen Neckereien vorsichtiger geworden war, so lieferten die nächsten Monate nur wenig Gelegenheit zur Auszeichnung. S. benutzte diese Zeit vorzüglich, um den General Grafen Merveldt mit Nachrichten vom Feinde zu versehen; – und Merveldt versicherte wiederholt in seinen Berichten an den Erzherzog, daß er sich auf nichts so sicher verlassen könne, als auf das, was ihm von S. gemeldet würde. Am 22. October aber gelang es ihm doch schon wieder, die feindlichen Vorposten bei Bruchsal zu werfen und bald darauf am 31. October ein siegreiches Gefecht bei Grötzingen zu bestehen, wo er mit Uebermacht angegriffen, anfangs zurückgeworfen wurde, dann aber seinen Verfolger mit solcher Kühnheit und Raschheit angriff, daß er noch 22 Gefangene machen konnte. Auch in den nächstfolgenden Tagen endeten seine Unternehmungen glücklich, so z. B. jene bei Unter-Grombach, die ihm auch die Rittmeister-Charge eintrug. Er überfiel nämlich hier in der Nacht vom 28. zum 29. November einen feindlichen Posten von 130 Mann Infanterie und 110 Reitern mit ca. 200 Mann seines Detachements und jagte den Gegner, welcher 4 Officiere, 30 Mann und 77 Pferde gefangen hinterlassen mußte, in die Flucht. Der Verlust des Feindes wäre noch bedeutender gewesen, wenn nicht ein großer Theil der Mannschaft Scheibler’s durch das Halten der erbeuteten Pferde an der Verfolgung gehindert worden wäre. Zwei Tage später schlug er sich mit einer Verwegenheit ohne Gleichen bei Bruchsal durch, als er den Auftrag hatte, die Verbindung der beiden Colonnen zu erhalten, welche unter Befehl des Feldzeugmeisters Grafen Sztáray am 30. November zum Entsatz der Festung Philippsburg marschirten und er auf der einen Seite einer über 1000 Reiter starken Cavallerieabtheilung und auch auf der anderen Seite mehr oder minder großen feindlichen Abtheilungen gegenüberstand. Für den Feind war dieses Durchschlagen Scheibler’s um so empfindlicher, als General Ney dem Streifcorps „das Handwerk zu legen“ beabsichtigt hatte und S. bei dieser Einschließung mit seinen Leuten förmlich abgefangen werden sollte. Noch manche andere Handstreiche, die von der staunenswerthesten Geistesgegenwart dieses unerschrockenen und die französischen Vortruppen zur Vorsicht mahnenden Parteigängers Zeugniß ablegen könnten, vollführte er noch im Laufe der Jahre 1799 und 1800, so zum Beispiele den Ueberfall bei Pleinfeld am 28. November des letztgenannten Jahres auf ein französisches Reitercorps. Einige Tage nach der Kündigung des Waffenstillstandes wurde S. mit 100 Ulanen gegen Nürnberg mit der Aufgabe entsendet, die Verbindung mit dem Corps des Feldmarschalllieutenants Baron Simbschen aufzusuchen. Auf seinem Marsche dahin in Kenntniß gelangt, daß ein französisches Cavallerieregiment sich ihm nähere, legte er diesem an einer Stelle, wo wegen sumpfigen Bodens eine Entwicklung der feindlichen Reiterei nur schwer möglich war, einen Hinterhalt und warf sich, nachdem derselbe an ihm vorübergezogen war, mit solchem Ungestüm auf den Gegner, daß dieser eiligst flüchtete und 8 Officiere und 44 Mann als Gefangene zurücklassen mußte. Bei dieser Gelegenheit hatte sich S., kühn wie immer, unter die Fliehenden gestürzt und von seiner Abtheilung eine Strecke entfernt. Von mehreren Reitern schon umringt, war er nach wüthender Gegenwehr von zweien seiner Leute, wenn nicht vom Tode, so doch mindestens von sicherer Gefangenschaft gerettet. Hierbei erhielt er eine Hiebwunde am Arme. Mit ebenso viel Einsicht und Tapferkeit benahm er sich am 19. December bei einem Ueberfalle auf Oettingen, wobei es ihm gelang, 1 General, 30 Mann und 50 Pferde gefangen zu nehmen. In Würdigung aller seiner glücklich durchgeführten, von der größten Kühnheit Zeugniß ablegenden Waffenthaten wurde er mit dem Ritterkreuze des Militär-Maria-Theresienordens ausgezeichnet. Nach [706] der nunmehr eingetretenen längeren Friedenspause, welche ein Mann von solchem Thätigkeitsdrange nicht anders benutzen konnte, als sich zu neuen für einen größeren Wirkungskreis bestimmten Aufgaben entsprechend vorzubereiten, finden wir im Kriegsjahre 1805, als er gleich wie in den früheren Jahren mit der Durchführung von Aufgaben betraut wurde, welche Selbständigkeit und Scharfsinn bedingen, bei unserem Helden die alte Verwegenheit. Seine erste Waffenthat war am 5. November der Ueberfall auf Urfahr, bei welcher Gelegenheit 10 Officiere und 20 Mann fielen, 6 Officiere, 53 Mann gefangen genommen und 28 Pferde erbeutet wurden. Alle Brückenarbeiten des Feindes wurden zerstört und die beladenen Schiffe demselben abgenommen. Diese muthige That rief in Linz, wo dazumal Kaiser Napoleon sich befand, große Bestützung hervor, Kaiser Franz bewies seine Zufriedenheit mit dieser erfolgreichen Unternehmung durch die Ernennung Scheibler’s zum überzähligen Major. Nach verschiedenen mit gewohntem Glück ausgeführten Handstreichen bildete der Ueberfall eines Convoi’s den Schluß seiner Waffenthaten in diesem Feldzuge. S. stand in Budweis und erfuhr, daß der Feind bei Iglau Wagen sammle, um die sehr beträchtlichen Vorräthe unseres Proviantmagazins zu Tabor wegzuführen. S., vor Tabor angelangt, griff die aus einer starken Husarenabtheilung bestehende Avantgarde, welcher in einiger Entfernung eine Infanteriecolonne folgte, mit solcher Kühnheit an, daß der Gegner eiligst flüchtete, hierbei 1 Officier und 21 Mann an Gefangenen und 31 erbeutete Pferde zurücklassend. – Auch im J. 1809 finden wir S., damals Major bei Rosenberg-Chevauxlegers (jetzt Husarenregiment Nr. 16) wieder als Commandanten einer selbständige Aufgaben durchführenden Abtheilung. Nachdem der Haupttheil der österreichischen Armee den Inn überschritten hatte, wurde S. am 15. April nach Moosburg entsendet, um die Isarbrücke zu besetzen. Zwar hatte die dort stehende baierische Abtheilung selbe bei seinem Einrücken theilweise abgeworfen und sich zurückgezogen. durch Scheibler’s Energie aber wurde dieselbe rasch wieder hergestellt. Hierauf drang S. mit seinem Streifcorps über die Ammer bis gegen Pfaffenhofen, bestand am 2. Mai ein Gefecht bei Efferding, in welchem er nur dadurch der Gefangenschaft entging, daß ihn, als er mit seinem Pferde gestürzt war, ein gemeiner Soldat mit größter Bravour gegen die vordringenden Feinde vertheidigte. Da die Feldacten über die Kreuz- und Querzüge Scheibler’s nicht vollkommen Aufklärung geben, so begegnen wir ihm erst wieder bei Eßlingen am 20. Mai, wo es sich darum handelte, zu erfahren, in wie weit die gegnerischen Anstalten zum Uebersetzen der Donau schon vorgeschritten seien, namentlich aber in welcher Zahl der Feind schon am linken Ufer stehe. Hier kam es deshalb gegen 7 Uhr Abends zu einem sehr lebhaften Cavalleriegefecht, welches bis zum Einbruch der Dunkelheit währte und wobei der Feind zurückgeworfen wurde. S. zeichnete sich an diesem Tage als auch in der darauf folgenden Schlacht bei Aspern am 21. und 22. Mai so vorzüglich aus, daß er in der diesbezüglichen Relation unter den Helden von Aspern genannt wurde. Nach der Schlacht beauftragt, die feindlichen Communicationen am rechten Donauufer zu beunruhigen, wurde S. (damals Oberstlieutenant) mit seinem Streifcorps, welches aus 520 Mann Infanterie und Jägern, 1 Division Chevauxlegers und 1 sechspfündigen Batterie bestand, nach Mauthhausen entsendet und vollführte bei dieser Gelegenheit bei dem Angriffe auf die Insel Tabor (beim Einflusse der Enns) und bei der Erstürmung der dort errichteten Verschanzungen in der Nacht vom 8. zum 9. Juli eine seiner glänzendsten Waffenthaten. Die Gegner hatten eine mit Pallisaden verstärkte Redoute aufgeführt und diese überdies mit einem Graben versehen. S. ließ seine Fußtruppen auf 3 große Schiffe vertheilen und die Redoute angreifen. Trotz des ununterbrochenen feindlichen Geschützfeuers, trotz der tapfersten Vertheidigung der Besatzung [707] wurde die Brustwehr erstiegen, selbst im Innern währte der Kampf noch fort, bis endlich nach 20 Minuten erbittertster Gegenwehr die Vertheidiger vollkommen überwältigt waren. 1 Officier, 44 Mann wurden gefangen, der Rest der Besatzung war todt oder schwer verwundet. Die Angreifer hatten einen Verlust von 12 Todten und Verwundeten und eroberten 2 Geschütze sammt Bespannung und Munitionswagen. Der hierauf folgende Friede gebot nun seinem Thatendrange Halt, er quittirte im J. 1810 den Dienst. Sowie aber im J. 1813 das Kriegsgewitter sich wieder zusammenzog, trat er anfangs September als supernumerärer Oberst in das Ulanenregiment Nr. 7. Gleich nach seiner Wiederanstellung erhielt er als einer der gewandtesten und bekanntesten Parteigänger die Führung eines aus 150 Husaren, 90 baierischen Chevauxlegers und zwei 400 Mann starken Kosakenpulks bestehenden Streifcommandos mit dem Auftrage, über Colmar vorzudringen und die Festung Schlettstadt zu beobachten. Mit dieser im ganzen schwachen Truppe wurde S. am 24. December vor St. Croix nächst Colmar von einem französischen, 4000 Mann starken Reitercorps in ein furchtbaren Kampf verwickelt. S., von allen Seiten von französischer Cavallerie umringt, blieb nun kein anderes Mittel, als sich den Weg mit dem Säbel in der Faust zu bahnen, was ihm auch thatsächlich gelang. Er hatte in diesem Gefechte zwei Hieb- und eine Stichwunde davongetragen. Hiermit endete für immer Scheibler’s Thätigkeit im Kriege, die nun folgenden Friedensjahre machten derselben ein Ende. Aber auch in dieser Zeit der Ruhe blieb er, – als Generalmajor und später Feldmarschalllieutenant – rastlos thätig, unverdrossen und von guter Einwirkung auf seine ihn verehrenden Untergebenen, bis er seine ruhmvolle Laufbahn im J. 1843 schloß. – Nicht leicht hat die Kriegsgeschichte ein ähnliches Beispiel eines so kühnen Parteigängers aufzuweisen, welcher in den Feldzügen der Jahre 1799–1813 und trotz des Umstandes, daß er in dieser Zeit zumeist nicht in hohem Chargengrade stand, dennoch 1769 Feinde aller Waffengattungen zu Gefangenen gemacht, 980 Beutepferde eingeliefert und 2 feindliche Kanonen erobert, überdies noch 2 unserer Kanonen dem Feinde wieder abgenommen und mehr als 3400 österreichische oder alliirte Soldaten, die sich in feindlicher Gefangenschaft befanden, ihren Fahnen wiedergegeben hatte.

Wurzbach, Biogr. Lex. d. Kaiserth. Oesterreich. 29. Th. Wien 1875. – Hirtenfeld, Der Militär-Maria-Theresienorden etc. Wien 1857. – Thürheim, Die Reiterregimenter d. k. k. österr. Armee. 2. Aufl. Wien 1866. – Jedina, Gesch. d. 1. Ulanenregiments. Wien 1845. – Heller, Der Feldzug 1809 in Süddeutschland. Wien 1862–64. – Theimer, Gesch. d. 7. Ulanenregiments. Wien 1869.