ADB:Schönburg-Waldenburg, Otto Viktor Fürst von

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Artikel „Schönburg-Waldenburg, Otto Viktor Fürst von“ von J. Winter. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 884–886, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sch%C3%B6nburg-Waldenburg,_Otto_Viktor_F%C3%BCrst_von&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 00:19 Uhr UTC)
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Schönburg-Waldenburg *): Otto Viktor Fürst von Sch.-W. ist einer der edelsten Söhne dieses alten Dynastengeschlechts, dessen Ahnen sich urkundlich bis ins zwölfte Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Es war im oberen Thal der Mulde seßhaft und verfügte da südlich von der Stadt Rochlitz bis an die böhmische Grenze sowie im Thal der Pleiße über einen ausgedehnten Herrschaftsbesitz. Im Laufe der Zeit hat sich das Geschlecht in zwei Linien getheilt, die sogenannte obere und die untere. In den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts residirte in Waldenburg als einziger Vertreter der oberen Linie Graf Otto Karl Friedrich, ein leutseliger Herr von patriarchalischer Gesinnung. Er wurde mit seiner Linie im J. 1790 von Kaiser Leopold II. in den Fürstenstand erhoben, so daß von da an eine fürstliche und eine gräfliche Linie neben einander bestehen. Bereits im J. 1800 starb er, 42 Jahre alt. Von seinen acht ihn überlebenden Kindern war der älteste Sohn Otto Viktor, geboren am 1. März 1785, damals also erst 15 Jahre alt. So lag die Aufgabe der Erziehung allein in den Händen der Mutter, einer geborenen Gräfin Reuß-Köstritz, die sich ihrer aber mit ebensoviel Treue wie Einsicht annahm. Und O. V. verfügte nicht nur über eine ganz hervorragende geistige Begabung: Ernst, Pflichttreue, Sorgfalt, Strebsamkeit haben von Jugend auf seinen Charakter bezeichnet. Nachdem er seine Studien vollendet, stellte er sich zunächst dem Vaterland zu Dienst. Wiederholt hat er gegen Napoleon unter den Waffen gestanden, seit 1805 in der österreichischen, 1813 in der sächsischen und später 1815–17 in der preußischen Armee. Hier war er dem Generalstab Blücher’s zugetheilt und hat an den Schlachten bei Ligny und Waterloo theilgenommen, in einer dieser Schlachten auch am Fuß eine nicht unbedeutende Schußwunde erhalten, deren Folgen er noch in späteren Jahren zu spüren hatte. Nachdem er als Generalmajor seinen Abschied genommen, kehrte er in seine Besitzungen zurück, um sich von nun an ganz den Werken des Friedens zu widmen, vermählte sich auch in demselben Jahre 1817 mit Prinzessin Thekla von Schwarzburg-Rudolstadt: er fand in ihr eine durchaus gleichgestimmte Gattin voll eingehenden Verständnisses für seine Lebensaufgabe. Wie er aber bereit gewesen war für die Befreiung seines größeren Vaterlandes sein Leben einzusetzen, so nahm er nun auch an den Berathungen und Beschlüssen zum Wohl seines engeren Vaterlandes treu und gewissenhaft theil, dessen ständischer Vertretung er angehörte. Von allen den entscheidenden Verhandlungen, bei denen er sein gewichtiges Wort mit in die Wagschale gelegt hat, sei hier nur seine Mitwirkung bei dem constituirenden Landtag vom Jahre 1831 erwähnt, wo er sich um die Schaffung der constitutionellen Verfassung die allerwesentlichsten Verdienste erworben hat. Die Regierung schätzte seinen Rath so hoch, daß sie ihm ein Ministerium anbot, das er jedoch um seiner übrigen umfassenden Verpflichtungen willen ablehnte.

Bei der völlig veränderten Lage der Dinge war nämlich eine gründliche Neuordnung der Rechtsverhältnisse seines Hauses und der Schönburgischen Lande zum Königreich Sachsen nothwendig geworden, und dabei gab es nur eine richtige Lösung, die völlige Aufnahme dieser in den sächsischen Staatsverband, während sie hier bisher förmlich als „Ausland“ betrachtet worden waren. Die Verhandlungen waren freilich sehr schwierig und mußten, da die Bevölkerung dafür unbegreiflicher Weise nur geringe Theilnahme zeigte, auf Schönburgischer Seite vom Fürsten fast ganz allein [885] geführt werden. Wohl mußte dabei sein Haus auf sehr wichtige Rechte verzichten, aber er war nicht nur zu diesem Opfer bereit, sondern auch sonst vor allem auf die möglichst günstige Stellung seines Herrschaftsgebiets bedacht. Er erreichte es, daß für dasselbe zur Entschädigung für die zu übernehmenden höheren Steuerlasten nach und nach eine Summe von über elf Millionen Mark ausgezahlt wurden; aber er sorgte auch dafür, daß die eingehenden Gelder nicht sofort verwendet werden durften, sondern für bleibende Zwecke, zu einem großen Theil zur Erhaltung der Kirchen und Schulen dienten. Er hatte dabei ganz uneigennützig gehandelt und nur an das Wohl seiner Schutzbefohlenen gedacht, allein man verstand das nicht und wollte es nicht verstehen. Gerade diese günstigen Abschlüsse erregten in der Bewohnerschaft gegen den Fürsten die größte Erbitterung, die von außen her nur immer stärker angeschürt wurde. So kam es zu dem beklagenswerthen Ereigniß vom 5. April 1848, wo eine wüthende Menge unter der Führung eines ehemaligen Dieners des Fürsten in das Schloß eindrang, es ausplünderte und schließlich in Brand steckte. Um diese verbrecherische Gewaltthat erklärlich zu finden, muß man die ganze Aufregung jener Tage mit in Rechnung ziehen, die förmlich ein Opfer forderte. Auch lag die ausgesprochene Absicht zu Grunde, an dem Fürsten ein Exempel zu statuiren, um damit Andere in Schrecken zu setzen. Dieser hatte zwar auf seinen Rechten bestanden und war durchaus nicht gesonnen, sich etwas abtrotzen zu lassen, hatte aber dabei stets die möglichste Milde und Schonung geübt und für die Ablösung unzeitgemäß gewordener Lasten sehr entgegenkommende und billige Bedingungen gestellt. Und dann hatte er Jahrzehnte hindurch eine reiche Aussaat wohlthätiger Stiftungen und sonstiger Zuwendungen in die Schönburgischen Lande und weit darüber hinaus ausgestreut. Er hatte neben der Verwaltung seines ausgedehnten Herrschaftsbesitzes hierin förmlich seinen Lebensberuf erfaßt.

Ihm verdankte in dem Schönburgischen Gebiete eine ganze Reihe von Waisenanstalten, Krankenhäusern, Stiftungen zur Armenunterstützung, für Schulen und Unterrichtsanstalten sowie für gemeinnützige Einrichtungen aller Art wie Volks-, Schul- und Gefängnißbibliotheken ihre Entstehung oder doch ganz wesentliche Förderung. Ausdrücklich sei die Gründung der drei Seminare erwähnt. Im Jahre 1841 gründete er eines in Waldenburg für Lehrer, im Jahre 1872 das Seminar in Droyßig bei Zeitz, im Jahre 1853 das zu Callenberg, die beiden letzteren für Lehrerinnen. Diesen Anstalten hat er je und je sein ganzes Interesse zugewendet, nicht ihren äußeren Einrichtungen nur, sondern auch ihren Lehrern und Schülern; wie der Unterricht ertheilt, was gelernt und geleistet wurde, davon erhielt er sich immer in Kenntniß. Allein seine werkthätige Fürsorge ging auch weit über den nächsten Bereich hinaus. Wie manche Zuwendungen verdanken ihm die Wohlthätigkeitsanstalten des ganzen Landes Sachsen und wie vieles die kirchlichen Einrichtungen und Vereine! Er bedachte ebenso freigebig die evangelischen Schulen Oesterreichs, wie er für die Ausbildung von Eingeborenen in unseren Missionsgebieten Anregung gab und ansehnliche Mittel zur Verfügung stellte und im „Rauhen Haues“ bei Hamburg die Kosten für ein Familienhaus übernahm. Aber ebenso förderte er die Herausgabe von volksthümlichen und von wissenschaftlichen Werken, wie ihn denn in Anerkennung seiner Verdienste um die Wissenschaft die asiatische Gesellschaft zu Paris im J. 1852 zu ihrem Ehrenpräsidenten ernannte. Die Summe aller dieser Stiftungen und Zuwendungen berechnet sich auf mehrere Millionen Mark; allein der Umfang seiner Wohlthätigkeit ist damit noch bei weitem nicht bezeichnet. Der Fürst verausgabte außerdem noch sehr viel im stillen zur Unterstützung Einzelner und zur Hebung [886] augenblicklicher Nothstände, worüber Buch und Rechnung nicht geführt wurde; er hielt sich dazu einen Geheimfond, den er für sich allein verwaltete. So viel er nämlich von allen Seiten mit Bitten bestürmt wurde – er ließ keine ungeprüft. Und so hat er für sehr viele die Hand aufgethan, so daß sie eine Gabe ausbilden, eine bessere Lebensstellung gewinnen, eine höhere Laufbahn ergreifen konnten. Insbesondere übte er für seine Dienerschaft die treueste Fürsorge. Wohl war er in seinen Forderungen streng, aber sie erzieherisch und belehrend zu heben und sie vorwärts zu bringen, war ihm eine Genugthuung. Mancher seiner Diener hat ihm sein ganzes Lebensglück zu verdanken.

Der Fürst war eine ganz außergewöhnliche, eine großartig angelegte Persönlichkeit. Das trat auch in seinem häuslichen Leben hervor. Hier herrschte in allem die größte Einfachheit und war alles auf das strengste geregelt. Es war von dem ernstesten Pflichtbewußtsein getragen und stetiger Arbeit gewidmet. Kein Wunder, daß dieser ganze, mitunter etwas schwerfällige Ernst der Gesinnung und Lebensführung, diese Großzügigkeit seines ganzen Wesens und Auftretens vielfach nicht verstanden wurde und nicht dazu angethan war, ihm eine große Popularität zu erwerben. Und doch hatte er eine ausgesprochene Vorliebe für den gemeinen Mann, und bei seiner einfachen Art sich zu tragen, konnte er sich unerkannt mit allerlei Leuten in ein Gespräch einlassen, wozu er gern die Gelegenheit wahrnahm. Im J. 1859, während eines Aufenthaltes in Leipzig, erkrankte er plötzlich und starb dort nach mehrwöchentlichem Leiden am 16. Februar. 1880 ließen ihm die Schönburgschen Gemeinden im Schloßgarten ein Denkmal setzen zum Zeugniß dafür, wie sie sich diesem ihrem Wohlthäter für alle Zeit dankbar verbunden wissen.

K. G. Eckardt, Otto Victor Fürst von Schönburg-Waldenburg in seinem öffentlichen Leben und Wirken geschildert. Waldenburg o. J. (Dem Schriftchen liegt ein Aufsatz zu Grunde, den der Fürst theils selbst verfaßt, theils durchgesehen hat.) – Wissenschaftl. Beilage der Leipziger Zeitung, Jahrg. 1859, Nr. 33. – Schönburgische Geschichtsblätter, Heft 1 u. 2. 1894. 95. Waldenburg. – Handschriftliche und mündliche Mittheilungen.
J. Winter.

[884] *) Zu Band LIV, S. 154.