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Artikel „Sandrini“ von Hans Michael Schletterer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 359–360, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sandrini&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 09:47 Uhr UTC)
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Sandrini. Der Name einer Künstlerfamilie, die sich insbesondere in Prag und Dresden durch vortreffliche Leistungen bekannt und geachtet machte. – 1. Paolo S., geb. 1782 zu Goerz, galt als einer der besten Oboebläser seiner Zeit; er spielte das englische Horn gleich gut und war auch ein sehr geschickter Guitarrist. Bei aller Anerkennung aber, die er als Virtuose fand – man rühmte, daß er sein Instrument mit viel Leichtigkeit, Fertigkeit und Delicatesse behandle –, tadelte man doch, daß ihm, obgleich er ziemliche Höhe hatte, die hohen Töne leicht versagten und er für ihren Erfolg nicht immer bürgen konnte. Sein Ton wird als spitz, kleinlich und von wenig Wirkung geschildert; die Tonverbindungen waren in seinem Vortrage nicht genug temperirt, das sotto voce folgte unvermittelt dem forte, seinem piano fehlte es an Zartheit und Weichheit; auch hatte man bei seinem Spiele den Eindruck, als müsse er zu sehr mit den Schwierigkeiten kämpfen. S. kam 1805 nach Prag, heirathete dort die Sängerin Caravoglia, wurde 1808 Mitglied der k. Capelle in Dresden und starb da am 15. November 1813. Von seinen Compositionen wurden bekannt: „Duo für Guitarre und Flöte; Op. 12“. „6 Cavatines p. Fl. avec Guitarre“, Op. 13. „6 Ariettes italiennes“, Op. 14. „Thêmes variées“, Op. 15. „Sonate conc.“, Op. 16. – 2. Luigia Caravoglia, geboren am 28. Februar 1782 im Haag (1781 in Neapel?); entstammte einer italienischen Künstlerfamilie (ihr Vater Giuseppe C. war ein berühmter Fagottist, ihre Mutter Maria, geb. Balsoni aus Mailand, 1758–1802, eine gefeierte Sängerin), debutirte 1802 als Obeïde in den „Scythen“ mit günstigem Erfolge an der italienischen Oper in Prag, an der auch ihre Mutter angestellt [360] war, und gehörte derselben unter Guardasoni’s und später auch unter Liebich’s Direction bis 1808 an. Sie verehelichte sich hier mit dem Oboisten S. und folgte ihm nach Dresden, wo sie, bis zu deren Auflösung, an der italienischen Oper engagirt war; ging darauf als Sängerin und Gesanglehrerin am Conservatorium aufs neue nach Prag, kehrte aber 1845 wieder nach Dresden zurück, wo sie am 26. October 1869 starb. Diese kleine, etwas corpulente Italienerin war eine Zierde der Bühnen in Prag und Dresden. Sie besaß einen zwar nicht sehr starken, aber umfangreichen und klangvollen Sopran von tadelloser Reinheit und verfügte über eine glänzende Coloratur. Dabei rühmte man ihrem Vortrage große Wärme und Innigkeit, ihrer Ausführung komischer Partien bezaubernde Anmuth und Laune nach. Die geistreiche, sehr gebildete Frau spielte zugleich sehr graziös und wußte ihren Darstellungen, wo es erforderlich war, eben so viele Würde, als allerliebsten Reiz und gewinnende Schelmerei zu verleihen. Die Besprechungen ihrer Leistungen anerkennen stets ihr ausdrucksvolles Spiel, ihren kunstreichen Gesang, ihren heiteren Geist. Um auch in deutschen Opern auftreten zu können, lernte sie in Prag deutsch und schon nach wenigen Monaten sang sie deutsche Texte verständlicher, als alle ihre Collegen und sprach auch den Dialog am besten. Auf jede ihrer Partien verwandte sie künstlerische Sorgfalt und besten Fleiß. Dennoch blieb ihr die edle Simplicität des deutschen Gesanges ein mehr oder minder fremdes Gebiet, so viele Mühe sie sich damit auch gab. Nur das Glänzende – kühne Passagen, brillante Verzierungen, schmetternde Triller – schien ihrer Natur eigenartig; daher sang sie italienische Arien zum Entzücken. – Die große italienische Bravourarie blieb so recht ihre Domäne. Hier riß die erfahrene, trefflich geschulte Sängerin durch feurigen, ausdrucksvollen Gesang stets zur Begeisterung hin. Ihre obwol stets gewählten und geschmackvollen Fiorituren waren oft im Uebermaß angebracht, so daß sie nicht selten die Wirkung ihres Vortrags beeinträchtigten. Diese Sängerin mit ihrer lieblichen, äußerst biegsamen Stimme und ihrer vollendeten Technik, besaß aber leider kein durch Stärke dominirendes, metallisch volltönendes Organ, keine kräftige Tiefe und durfte sich große Anstrengungen nicht zumuthen. Schon seit 1815 wiederholt sich immer häufiger die Ausstellung, daß ihr Gesang in ernsten Partien nicht mehr ausgiebig genug sei. – Die S. war keine Kirchensängerin. In der Partie des Gabriel in der „Schöpfung“ erreichte sie die gehegten Erwartungen nicht. Ebenso wollten ihr die Prinzessin im „Johann v. Paris“ und die Constanze im „Wasserträger“ durchaus nicht gelingen. Vorzüglich dagegen sang sie in Mozart’s, Spontini’s, Paër’s, Cimarosa’s, Fioravanti’s und Rossini’s Opern. Eine ihrer besten Rollen war die Emmeline in der „Schweizerfamilie“. – 3. Ihre Tochter, Marie, geb. am 14. Juli 1809 in Dresden, ward von ihr zur vorzüglichen Sängerin herangebildet, doch klang und blieb deren Stimme, wenn auch nicht unangenehm, etwas dünn und schwach, weshalb sie nur in Nebenrollen Verwendung finden konnte. Bereits als siebenjähriges Mädchen sang sie den Almir im „Axur“ und erweckte, da sie gut memorirt hatte und rein intonirte, durch ihre Leistung allgemeine Freude. Im J. 1824 machte sie als Olympia ihren ersten größeren dramatischen Versuch. Als ihre Mutter 1833 aufs neue nach Prag übersiedelte, begleitete sie dieselbe und unterstützte deren Lehrthätigkeit. Hier heirathete sie einen Musiker Namens Börner, erhielt später den Titel: Herz. Coburg’sche Hofgesanglehrerin, – wurde 1855 Wittwe und lebte seit dieser Zeit als geschätzte, vortreffliche Gesanglehrerin wieder in Dresden. Auch als Componistin machte sie sich bemerklich. Durch sie und ihre Mutter wurden der Bühne manche ausgezeichnete Sängerinnen zugeführt.