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Artikel „Sander, Adolf“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 344–345, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sander,_Adolf&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 00:10 Uhr UTC)
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Sander: Adolf S., Abgeordneter des badischen Landtages, geboren zu Karlsruhe am 20. April 1801, † zu Rastatt am 9. März 1845. Auf dem Lyceum seiner Vaterstadt wohl vorbereitet, widmete sich S. von 1818–1822 auf der Universität Heidelberg dem Studium der Rechtswissenschaft, erhielt 1827 seine erste Anstellung als Assessor beim Kriegsministerium, wurde 1830 zum Assessor bei dem damals in Meersburg bestehenden Hofgericht ernannt, bald darauf an das Hofgericht Rastatt versetzt und an diesem 1835 zum Hofgerichtsrath befördert. Schon vorher war er durch seine Freunde in den Kreisen der liberalen Abgeordneten in das politische Leben Badens, das mit dem Jahre 1831 einen neuen Aufschwung genommen hatte, hereingezogen worden. 1834 wählte ihn der 25. Aemterwahlbezirk zum Abgeordneten der zweiten Kammer. Da sein Einkommen die Höhe des Census nicht erreichte, von welchem damals die Wählbarkeit zur Volksvertretung abhing, mußte er, um sich diese zu erwerben, zu dem üblichen Auskunftsmittel greifen, ein Patent zu kaufen, das ihn zum Weinhandel berechtigte und in entsprechender Höhe besteuerte. Der Regierung war der Eintritt dieses eben so talentvollen als entschieden liberalen Beamten in die Kammer keineswegs erwünscht. Es wurde daher aus den Acten der Centraluntersuchungscommission eine Denunciation hervorgeholt, die ihn beschuldigte, einen Brief des polnischen Obersten Antonini an seine Adresse befördert zu haben. Die Kammer war zwar Willens, diesen Ausschließungsgrund wegen politischer Verdächtigkeit keineswegs anzuerkennen, S. selbst bestand aber auf einer gerichtlichen Untersuchung und trat erst in den Landtag ein, nachdem das Hofgericht erklärt hatte, daß kein Beweis für ein Vergehen vorliege. Von seinem Eintritt in den Landtag an gehörte S. zu den hervorragendsten Mitgliedern der liberalen Partei. Durch seine ebenso klare als hinreißende Beredtsamkeit, durch die Fülle seiner Kenntnisse und die Fähigkeit, sie in allgemein verständlicher und überzeugender Weise darzulegen, nicht zum mindesten durch die Entschiedenheit und Festigkeit seiner Gesinnung gewann er bald sehr großen Einfluß [345] in der Kammer. Bei den Verhandlungen über das neue Strafgesetzbuch 1839 bekämpfte er rastlos und erfolgreich alle Richtungen des Gesetzes, in denen er den Versuch zu gewahren glaubte, Standesunterschieden und Vorrechten einzelner Classen gesetzliche Geltung zu verschaffen. Auf dem nämlichen Landtag beantragte er die Ueberweisung der Entscheidung in Competenzconflicten vom Staatsministerium an eine aus Richtern und Verwaltungsbeamten zusammengesetzte Behörde. Der hannoverschen Verfassungsangelegenheit nahm er sich im Vereine mit v. Itzstein eifrig an. Eine seiner Aufsehen erregenden Motionen bezweckte die Aufhebung der beiden Landesuniversitäten und die Errichtung einer technischen Hochschule in Heidelberg. Als die zu erhaltende Landesuniversität schlug er Freiburg vor, weil die Verlegung der katholisch-theologischen Facultät nach Heidelberg nicht rathsam sei, indem sonst gar leicht am Sitze des Erzbischofs ein Jesuitencollegium entstehen könnte, sowie wegen der dortigen reichen Stiftungen und wegen der im nationalen Interesse zu pflegenden Verbindung mit der Schweiz. Die Motion fand leider keinen Anklang im Landtage und wurde nicht einmal in die Abtheilungen verwiesen. Als der Minister v. Blittersdorff durch principielle Verweigerung des Urlaubs für liberale Beamte, die in den Landtag gewählt wurden, einen folgenschweren Conflict heraufbeschwor, trat S. mit solcher Entschiedenheit für das gute Recht der Staatsdiener ein und übte an dem Vorgehen der Regierung eine so herbe Kritik, daß das Ministerium ihn durch Versetzung als Oberamtmann nach Hornberg zu strafen beschloß. S. hatte keine Lust, diese Stelle anzutreten, nahm den Abschied aus dem Staatsdienst und ergriff den Beruf eines Rechtsanwaltes. Nun trat er, von jeder Rücksicht befreit, nur noch entschiedener auf die liberale Seite und gewann wo möglich noch größeren Einfluß in der Kammer, die ihn fortan in allen Tagungen zum zweiten Vicepräsidenten wählte. Von den Motionen, die er einbrachte – diese bildeten einen, wenn auch nur ungenügenden, Ersatz für das den Kammern damals noch nicht zustehende Recht der Initiative – ist das Ersuchen um gesetzliche Regelung der Preßzustände und um Ausdehnung der Unwählbarkeit der Localbeamten, welche Art. 37 der badischen Verfassung auf Verwaltungsbeamte, Staatsärzte und Geistliche beschränkt, auf Amtsrichter, Bezirksstrafrichter und Staatsanwälte hervorzuheben; auch das Verlangen, daß Abgeordnete, welche ein Staatsamt annehmen oder eine Beförderung, eine Gehaltserhöhung, eine Ordensdecoration erhalten, sich einer Neuwahl unterziehen müssen, sowie ein Antrag auf Schutz der Redefreiheit der Abgeordneten verdienen Erwähnung. Die Festigkeit und Entschiedenheit seiner Gesinnung führte ihn von Jahr zu Jahr weiter in die äußersten Reihen der grundsätzlichen Gegner der Regierung. Am Schlusse des Landtags von 1844 stimmte er mit seinen näheren Freunden gegen das ganze Budget, um dieser grundsätzlichen Gegnerschaft den schärfsten Ausdruck zu geben. Vor der seine Freunde in zwei Heerlager trennenden Entscheidung, wie weit diese Gegnerschaft zu treiben sei, und ob sie schließlich auch das Recht verleihe, die gesetzlichen Schranken zu überschreiten, bewahrte ihn ein früher Tod, die Folge eines sich rasch entwickelnden Lungenleidens. Seiner bedeutenden Persönlichkeit wäre jedenfalls in der Bewegung der Jahre 1848–49 eine hervorragende Rolle beschieden gewesen.

Bad. Biographien II, 233 ff.