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Artikel „Rosenberger, Carlos Otto“ von Ludwig Stieda in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 204–206, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rosenberger,_Carlos_Otto&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 16:28 Uhr UTC)
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Rosenberger: Carlos Otto R. wurde in Dorpat (Livland) am 24. December 1806 (5. Januar 1807) geboren; sein Vater war Otto Benj. Gottfried R., Director des Gymnasiums, Lector der lettischen Sprache an der Universität, ein durch seine classische Bildung ausgezeichneter Mann, seine Mutter eine Schwester des bekannten livländischen Dichters Karl Petersen. Nachdem der junge R. den Gymnasialcursus beendigt, bezog er im J. 1824 die Universität zu Dorpat, studirte Medicin und erwarb sich 1829 den Grad eines Doctors der Medicin, nach Vertheidigung der Dissertation „de febri puerperali“. Dann trat er sofort als Arzt in den Dienst der russischen Marine und wurde bald Oberarzt der zweiten Escadre der Schwarzen-Meer-Flotte in Nikolajew, um nach einander in verschiedenen Stellungen bis zum October 1836 im Marinedienst zu verbleiben. Die hier im Süden Rußlands verlebten Jahre waren für die Entwickelung Rosenberger’s von der allergrößten Wichtigkeit – sie gaben ihm die beste Gelegenheit sich an selbstständiges Wirken zu gewöhnen. Nachdem R. den Dienst in der Marine aufgegeben, wandte er sich nach Deutschland und Frankreich und suchte durch Reisen und den Besuch von Universitäten sich in der medicinischen Wissenschaft zu vervollkommnen. In seine Heimath 1838 zurückgekehrt, fand er in Livland keine ihm zusagende Stellung und zog daher in den fernen Osten als Inspector einer Kronsapotheke in Orenburg. Als er hier eintraf, war man mitten in der Vorbereitung zum berühmten, leider erfolglosen Feldzug gegen Chiwa. R. trat in persönlichen Verkehr mit den dort verweilenden Männern, mit dem Dichter und Lexicographen Dr. med. Dahl, dem Botaniker Lehmann, dem Reisenden Chanykow u. a.: er zeichnete sich vor allem als Steinoperateur aus und erwarb sich den Namen eines bedeutenden Arztes. Im J. 1843, unmittelbar nach dem Tode seiner Frau, welcher das Klima in Orenburg nicht zusagte, erhielt R. die Einladung, als Oberarzt eines „temporären Weiberhospitals“ nach St. Petersburg zu kommen. R. folgte dem Ruf und mit dem Eintreffen in St. Petersburg beginnt für ihn die zweite Periode seines Lebens. Hatte er bisher nur in einem kleinen Kreise wirken können, hatte er bisher auf sehr verschiedenen Gebieten Erfahrungen sammeln [205] können, so kam er nun in eine Stellung, in welcher er seine Begabung, seine glänzenden Charaktereigenschaften, seine erworbenen Erfahrungen auf das beste verwenden konnte. Nachdem R. 1844 Quarantaine-Beamter des medic. Departements, 1845 Mitglied des med. polizeilichen Comité zur Bewachung der Prostitution gewesen, wurde er 1848 berathendes Mitglied des Medicinalrathes und betheiligte sich als Delegirter an den Verhandlungen der internationalen Quarantaine-Conferenz in Paris. Das temporäre Weiberhospital im Ismailowschen Regiment stand neun Jahre lang unter seiner Leitung – als Administrator, wie als behandelnder Arzt verwaltete er das Krankenhaus so, daß es damals als ein Musterhospital gelten konnte. Nach Beendigung des Krimkrieges wurde R. in die Krim geschickt, um daselbst die Desinfection der Schlachtfelder zu leiten – eine Aufgabe, welche er glücklich löste; er hat später einen bemerkenswerthen Bericht „über die nach dem Krimkriege im Gouv. Taurien 1856 ausgeführten Reinigungsmaßregeln“ (Med. Zeitung Rußlands 1858 Nr. 12–18) veröffentlicht. Nach seiner Rückkehr wurde er zum Generalstabsarzt der Flotte (Director des medic. Departements im Marine-Ministerium) ernannt. In dieser bedeutenden und einflußreichen Stellung hat R. sich glänzend bewährt. Das Medicinalwesen der Marine Rußlands verdankt seine gegenwärtige Organisation wesentlich der Thätigkeit Rosenberger’s. R. sicherte vor allem die rechtliche und materielle Stellung der Marine-Aerzte, gründete einen wissenschaftlichen Verein, welcher alle Marine-Aerzte umfaßte. Andererseits aber sorgte er durch eingreifende Mittel für das körperliche Wohl der Matrosen auf dem Lande, wie auf den Schiffen während der Fahrten. Er starb am 17./29. Dec. 1866 infolge eines Schlaganfalls. R. war ein außerordentlich tüchtiger Arbeiter, überaus thätig – neben seiner amtlichen Stellung war er wiederholt Mitglied verschiedener Commissionen – bei allen ansteckenden Krankheiten, bei Epidemien mußte er rathen. Dem ärztlichen Verein in St. Petersburg schenkte er großes Interesse, von 1849–1856 war er Secretär, von 1856 bis zu seinem Tode Präsident des Vereins. Er war ein Mann des Fortschrittes, aber unter der Voraussetzung einer systematischen Entwickelung. Sein durchdringender Verstand, sein großes Talent, in jeder Sachlage bald den wahren Kern zu entdecken, machte ihn zu einem glücklichen Organisator. Er war trotz seiner hohen Stellung bescheiden und beugte sich in Achtung vor den Resultaten der wissenschaftlichen Forschung – alle seine Zeitgenossen rühmen in gleicher Weise seine Gerechtigkeit, seine Redlichkeit! Trotz der vielfachen amtlichen Thätigkeit, trotz der namentlich in jüngeren Jahren reichlich ausgeübten Praxis fand R. Gelegenheit auch als Schriftsteller aufzutreten; auch dichterisch begabt war er. Er veröffentlichte: Die Wasserleitung bei Konstantinopel (Dorpater Jahrbücher III. Bd. S. 81–85, 1833); Briefe aus der Türkei (ebendas. S. 370–375). Impfungen mit syph. Eiter, welcher vorher verschiedenen Wärme- und Kältegraden ausgesetzt gewesen (Med. Zeit. Rußlands 1848 Nr. 1 u. 2). In russischer Sprache erschien eine Abhandlung über den Scheintod und eine ausführliche Analyse und Kritik des englischen Buches General Board of heath, Report on a quarantine London, 1849. (St. Petersburg 1851, 64 S.); abgedruckt aus dem russ. kriegsärztlichen Journal). Im Gegensatz zu dem von Seiten der Engländer vorgeschlagenen System, die Quarantaine gänzlich aufzuheben und durch hygienische Maßregeln zu ersetzen, betont R., daß die jener Idee zu Grunde liegende Theorie der epidemischen Krankheiten unrichtig sei, daß die vorgeschlagenen hygienischen Maßregeln auf den Schiffen entschieden sehr beherzigenswerth seien, daß sie aber nimmermehr die Quarantaine ersetzen können, daß daher eine Aufhebung der Quarantaine verfrüht und unzweckmäßig wäre. R. war durch seine eigenen in den Krim und am schwarzen Meer 1830–1836 gemachten Erfahrungen zur [206] Anschauung gelangt, daß die Pest ansteckend und die Quarantaine daher gegen diese Krankheit erfolgreich sei.

Recke-Napiersky III, 559; Beise, Nachtr. II, 151. – St. Petersburger med. Zeitschrift 1866. XI, 306–320. – Nekrolog Rosenberger’s von Maydell und Nachruf von Stunde. – Biogr. Lexic. von Gurlt u. Hirsch, 5. Bd. 1887. S. 84. Artikel Rosenberger von O. Petersen. – Med. Beiträge zum Marine-Sbornik, Jan. 1884. Gedächtnißrede v. W. S. Kudrin (russisch).