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Artikel „Roritzer, Konrad“ von Gustav von Bezold (Kunsthistoriker) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 155–158, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Roriczer,_Konrad&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 12:45 Uhr UTC)
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Roritzer: Konrad R., Dombaumeister zu Regensburg. Ueber die Herkunft und die Jugend Konrad Roritzer’s ist nichts überliefert. Wahrscheinlich ist, daß er zu Regensburg geboren ist. Seine Mutter war in zweiter Ehe mit dem Dombaumeister Andreas Engl (Engel) verheirathet und 1459 gestorben. Es ist anzunehmen, daß R. seine Schule in der Dombauhütte seiner Vaterstadt durchgemacht hat, ob schon unter Meister Wenczla (Junker von Prag 1411–16) muß dahingestellt bleiben. Die erste selbständige Arbeit Roritzer’s, von der wir wissen, ist der Entwurf zum Chorbau von S. Lorenz in Nürnberg. Derselbe wurde 1445 begonnen, zuerst unter Leitung von Konrad Heinzelmann, welcher vorher an der Georgskirche zu Nördlingen thätig gewesen war. Seit 1448 war auch R. häufig in Nürnberg. 1458 wurde die Bauleitung an den bisherigen „balierer Conradten Roritzers“ Hanns Paur von Ochsenfurt übertragen. Paur starb schon 1462 und R. übemahm die Leitung wieder selbst; als Balier fungirte erst Konrad Lang, dann sein Sohn Matthäus R. (vgl. unten). Als Konrad R. den Plan zum Chor von S. Lorenz in Nürnberg entwarf, stand er im Dienste der Stadt Regensburg, war aber nicht in der Dombauhütte thätig, in welche er nach einer Urkunde von 1446, mitgetheilt von C. W. Neumann in den Verh. d. hist. Ver. für Oberpfalz Bd. 29, S. 141 erst in diesem Jahre eintrat. Schon wenige Jahre später wurde ihm an Stelle seines Stiefvaters Andreas Engl die Leitung des Dombaues übertragen. Als Konrad R. dieselbe übernahm war Chor und Langhaus nahezu vollendet. Die Wölbungen sind zum Theil unter seiner Leitung ausgeführt (1464).

Außerdem arbeitete man an den Thürmen und der Fassade. Der Südthurm war in drei Geschossen bis zum Achteck aufgeführt (soweit als an ihm während des Mittelalters überhaupt gebaut wurde), der übrige Theil der Fassade war bis zum Abschluß des Erdgeschosses gediehen. Als das Werk Konrad Roritzer’s darf mit Sicherheit das zweite Geschoß des Nordthurmes und des mittleren Theiles der Fassade betrachtet werden. An letzterem führte er an Stelle der früher beabsichtigten Rose das große Doppelfenster ein. Die Formgebung [156] ist reich und frei, im Sinne der Spätgothik gehalten. Wie weit R. an den plastischen Arbeiten persönlich betheiligt war, namentlich ob das Figürliche, wie Denzinger vermuthet, von ihm ist, kann nicht mehr mit voller Sicherheit entschieden werden. Während Konrad R. Dombaumeister war, fand 1459 in Regensburg eine Versammlung der deutschen Steinmetzbruderschaft zum Behufe engerer Vereinigung der verschiedenen Bauhütten statt. Diese Vereinigung kam auch zu Stande, doch trat ihr aus unbekannten Gründen gerade die Regensburger Bauhütte nicht bei. R. wurde mehrfach bei auswärtigen Bauten zu Rathe gezogen; angeblich beim Bau von S. Stefan in Wien, beim Freiburger Münster, beim Münster zu Ulm. Sicher bezeugt ist nur seine Anwesenheit bei der Baumeisterversammlung, welche die Pläne Gangkofer’s für die Wölbung der Frauenkirche zu München zu begutachten hatte, 1474.

Konrad Roritzer’s Name wird in Regensburger Urkunden bis zum Jahre 1474 erwähnt. Das Jahr seines Todes ist ebensowenig bekannt, wie das seiner Geburt. 1480 scheint er bereits verstorben gewesen zu sein. Er hinterließ zwei Söhne, Matthäus und Wolfgang.

Matthäus R., Sohn des vorigen, Dombaumeister zu Regensburg. Das Jahr seiner Geburt ist unbekannt. Die erste Unterweisung erhielt er von seinem Vater. Dieser brachte ihn 1462 als Balier zum Chorbau von S. Lorenz in Nürnberg, und machte ihn im November des folgenden Jahres zum Meister. 1464 ließ der Rath dem Meister Mathes am 24. September den Bau von S. Lorenz durch Jobst Tetzel absagen und schon am 21. October wurde sein Nachfolger Jacob Grymmer aufgenommen.

Später finden wir ihn in Eichstätt unter Bischof Wilhelm von Reichenau thätig. Sicher ist ihm die schöne Sacristei am Dom zuzuschreiben, angeblich soll er auch die Marienburg und das 1474 gegründete Kloster Mariastein erbaut haben.

Während seines Aufenthaltes in Eichstätt wandte sich Meister Jörg Gangkofer an ihn, um seinen Rath bezüglich der Wölbung der Münchener Frauenkirche zu vernehmen (1473), welcher indeß anscheinend nicht ausreichte, da im folgenden Jahre eine größere Meisterversammlung in der gleichen Frage zu berathen hatte. Ob Matthäus R. auch in Magdeburg gearbeitet hat, muß dahingestellt bleiben, und ist nicht wahrscheinlich. Auffallenderweise erscheint er im J. 1474 wieder als Geselle und wird als solcher von dem Steinmetzmeister Hanns von Eßlingen (Hans Böblinger, s. A. D. B. II, 757) in den Straßburger Maurerverein aufgenommen. Nach dem Tode seines Vaters, um 1480 wurde er an dessen Stelle als Dombaumeister nach Regensburg berufen. Unter seiner Leitung wurde der Giebel der Fassade ausgeführt. Er trägt die Jahreszahl 1486. Der Laufgang, welcher über dem ersten Geschoße der Fassade zwischen den Thürmen vor der Fassade des Mittelschiffes hinführt, ist gleichfalls sein Werk. Er trägt die Jahreszahl 1482. Man hat daraus geschlossen, daß der ganze Mitteltheil der Fassade von Wolfgang R. erbaut sei. Allein diese Galerie ist eine spätere Zuthat und steht weder mit den Thürmen, noch mit der Fassade in Verband, auch ihre Formbehandlung ist eine andere als bei den benachbarten Theilen, stimmt aber mit der des Giebels wol überein. Ferner ist die Kanzel des Domes von 1482 von ihm. Matthäus R. hat auch eine Unterweisung in seiner Kunst geschrieben. „Das Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit“ ist seinem früheren Herrn, dem Bischof Wilhelm v. Reichenau zu Eichstätt gewidmet, welcher die Kosten des Druckes trug oder doch die Drucklegung veranlaßte (hec imprimi fecit anno Dei MCCCCLXXXVI). Nach der Widmung ist die Absicht des Autors, „die von Halbwissenden eingeführten Mängel und Gebrechen auszurotten und die wahre Kunst dem allgemeinen Nutzen zu Liebe recht ans Licht zu setzen“. Es ist eine Unterweisung für die Gesellen der Bauhütte, welche es ermöglicht, daß in der [157] Hütte mit großer Gleichmäßigkeit gearbeitet wird, ohne daß es nöthig ist, daß der Meister selbst alle Risse zeichnet, und es gibt ein geometrisches System für die Proportionen der Fialen und ihrer Theile, der Wimperge und Kreuzblumen. Am Regensburger Dom ist, nach den Untersuchungen von Denzinger dieses System zur Anwendung gekommen und Denzinger selbst hat es beim Ausbau der Thürme beibehalten. Eine allgemeine Geltung für die Proportionen gothischer Bauten kommt ihm nicht zu. Das Werkchen ist nur in sehr wenigen Exemplaren erhalten, eines bewahrt die Regensburger Kreisbibliothek, eines das baierische Nationalmuseum in München, drei weitere waren in Privatbesitz, sind aber verschollen.

Matthäus R. hat sein Büchlein selbst gedruckt. Es ist ferner ein Druck aus dem gleichen Jahre 1486 von ihm erhalten, eine Staatsschrift, in welcher der Magistrat der Stadt Regensburg die Gründe seiner Unterwerfung unter Herzog Albrecht IV. von Baiern (vgl. unten bei Wolfgang R.) bekannt macht. Die Schrift wurde in 600 Exemplaren gedruckt und an alle Fürsten und Reichsstädte des Reiches verschickt. In der Stadtrechnung findet sich eine Vermerkung über die Bezahlung von 15 Schilling 17 Pfennigen an den Thumbmeister für das Drucken der genannten Schrift. Sie stimmt im Satz genau mit dem Fialenbüchlein überein. Matthäus R. wird im J. 1492 zum letzten Male urkundlich erwähnt. Er dürfte zu Anfang 1495 gestorben sein. Am Freitag vor Oculi dieses Jahres wurde sein Bruder Wolfgang Dommeister.

Wolfgang R., Sohn des Konrad R., Dombaumeister zu Regensburg. Ueber seine Lehr- und Wanderjahre ist nichts bekannt; sein Steinmetzzeichen findet sich am Dome zu Eichstätt, es scheint also, daß er mit, oder nach seinem Bruder dort gearbeitet hat. Noch zu Lebzeiten seines Bruders hat er in Regensburg gearbeitet. Im J. 1493 führte er nach der Stiftung des Domherrn Georg v. Preising das Sacramentshäuschen im Dome aus. Es ist etwa 15 m hoch, sehr zierlich aufgebaut. Im J. 1495 wurde er Dombaumeister. Seine Thätigkeit scheint nächst dem Aufbau des dritten Geschosses des Nordthurmes (1496) hauptsächlich auf die decorative Ausstattung der Kirche gerichtet gewesen zu sein. Der schöne Brunnen von 1500 im südlichen Seitenschiff ist sein Werk. Er zeigt in formaler Hinsicht große Uebereinstimmung mit dem Sacramentshäuschen. Eine größere Anzahl plastischer Arbeiten (Figuren am Nordthurm u. s. w.) zeigt ihn als tüchtigen Bildhauer. Irrthümlicherweise werden ihm die Fenster im mittleren Flügel des Domkreuzganges, reiche Arbeiten im Uebergang von der Gothik zur Renaissance, zugeschrieben. Wolfgang R. war entschieden kirchlich gesinnt. Im J. 1498 ist er an der Stiftung der St. Anna Bruderschaft bei den Minoriten betheiligt und wird 1499 zum Bruderschaftsmeister gewählt; 1508 trat er auch der St. Wolfgangsbruderschaft bei St. Emmeram bei. In den Jahren 1513 und 1514 wurde Wolfgang R. in städtische Unruhen verwickelt, welche ihm das Leben kosteten. Der Hergang war folgender. Die Stadt hatte sich im Laufe der Zeit von der herzoglichen und bischöflichen Verwaltung fast vollständig befreit, als Herzog Albrecht IV. von Baiern ungünstige städtische Verhältnisse benutzte und dieselbe unter seine Landeshoheit brachte, 1486. Kaiser Friedrich III. betrachtete diesen Schritt der Stadt als Abfall vom Reich und zwang 1492 den Herzog zur Herausgabe der Stadt und zur Anerkennung von deren Reichsunmittelbarkeit. Ein kaiserlicher Reichshauptmann wurde ernannt, eine Maßregel, welche auf Seiten der bairischen Partei heftigen Widerspruch erregte, und als nach dem Tode des ersten 1513 ein zweiter Reichshauptmann eingesetzt werden sollte, brach ein Aufruhr aus, bei welchem der alte und würdige Rathsherr Wolfgang Lyskircher (aus der kölnischen Familie von Lyskirchen) unter den nichtigsten Vorwänden hingerichtet wurde. Endlich wurde [158] die Ruhe nothdürftig hergestellt und gegen die Unruhestifter mit Strafen vorgegangen.

Unter den Haupträdelsführern hatte sich Wolfgang R. befunden. Dieser war nach Herstellung der Ordnung mit anderen Genossen aus der Stadt entwichen, hatte jedoch auf höhere Verwendung einen kaiserlichen Geleitsbrief bis zum Eintreffen einer kaiserlichen Commission erhalten und war nach Regensburg zurückgekehrt. Er blieb auch in der Stadt, als diese Commission, welche die Verhältnisse endgültig regeln sollte, am 2. April 1514 eingetroffen war. Und auch jetzt noch ließ er sich nicht abhalten, gegen die kaiserliche Sache zu agitiren. Er verließ jede Nacht die Freiung des Bischofshofes, ging unter die Bürgerschaft und regte die Gemüther auf. Die kaiserlichen Commissare hielten es für nöthig, „gegen widerwärtigen und aufrührerischen Personen, die, im Finstern und in Freiungen sitzend, ihr Unwesen forttrieben, ernstlich zu verfahren.“ Man verlangte vom Bischof die Auslieferung Roritzer’s, und als diese verweigert wurde, wurde derselbe in der Dombauhütte aufgehoben. Er wurde mit anderen Mitschuldigen vor die Commission gestellt und am 30. Mai 1514 enthauptet. – Der Regensburger Aufstand war beendigt. R. wurde auf dem Domfriedhofe bestattet. Sein Grabstein, eine einfache Platte mit der Inschrift: „Anno dm 1514 am 12. (?) Mai starb der erbar Wolfgang Roritzer Thumbmaister dem G. G.“ nebst dem Steinmetzzeichen des Meisters in einem Wappenschildchen, war bis zum Jahre 1838 erhalten, ist aber seitdem verschwunden.

Roritzer’s Frau scheint schon vor ihm gestorben zu sein. 1522 wird dem Dionysius R., einem Sohne Wolfgang’s, sein ehelicher Geburtsbrief bestätigt. 1524 verkaufen die Vormünder der Kinder Wolfgang Roritzer’s deren Haus in der Malerstraße. Damit verschwindet die Spur der Familie aus der Regensburger Geschichte.