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Artikel „Roerdansz, Rudolf von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 478–479, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Roerdansz,_Rudolf_von&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 06:08 Uhr UTC)
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Roerdansz: Rudolf von R., königlich preußischer General der Artillerie, am 29. Januar 1828 zu Pleß in Oberschlesien, wo sein Vater als Ulanenofficier in Garnison stand, geboren, wurde im Cadettencorps erzogen und kam am 27. Mai 1845 als Secondlieutenant zum 28. Infanterieregimente. Der Wunsch, seine wissenschaftlichen Neigungen bei einer Waffe zu bethätigen, welche dafür ein weiteres Gebiet eröffnete als bei der Infanterie der Fall war, veranlaßte ihn, um seine Versetzung zur Artillerie zu bitten. Sie erfolgte nach einer am 1. November 1846 geschehenen Commandirung zur 8. Artilleriebrigade, welche wie das 29. Infanterieregiment zum rheinischen Armeecorps gehörte. Am 21. April 1848 trat er ganz zu ihr über und verblieb, nachdem er 1856 zum Premierlieutenant, 1859 zum Hauptmann befördert war, im Frontdienste, bis er am 12. September des letzten Jahres als Lehrer an der [479] Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule und als Mitglied der Artillerie-Prüfungscommission von Coblenz nach Berlin berufen wurde. Damit trat er in eine lange und erfolgreiche Dienstthätigkeit bei verschiedenen Unterrichtsanstalten des Heeres. Als beredter Fürsprecher der durch General v. Peucker (s. A. D. B. XXV, 556) empfohlenen applikatorischen Lehrmethode, die den akademischen Vortrag durch den mündlichen Verkehr zwischen Lehrer und Schüler belebt und nutzbringender gestaltet als jener allein es vermag, hat er sich namhaftes Verdienst erworben; es ist um so höher anzuschlagen, als er mit weitverbreiteten und tief eingewurzelten Vorurtheilen zu kämpfen hatte, welche behaupteten, daß ein solches Verfahren unvereinbar sei mit der Stellung des Officiers. 1861 wurde er auch Lehrer an der Kriegsakademie, 1861 aber zur Theilnahme an einer Reise nach Belgien, Frankreich und England commandirt um die dortigen artilleristischen Einrichtungen kennen zu lernen. Die gemachten Erfahrungen gaben die Anregung zu der bald darauf geschehenen Errichtung einer Artillerieschießschule. Von der Theilnahme am Kriege des Jahres 1866 war R. durch eine Commandirung zum Kriegsministerium abgehalten. Nach Friedensschluß wurde er zum Batteriechef in seinem alten Truppentheile ernannt, aber schon nach wenigen Wochen von dort abberufen, um bei der Abschätzung des beweglichen Kriegsmaterials der ehemaligen Bundesfestung Landau mitzuwirken und am 1. Januar 1867 zum Director der Kriegsschule Erfurt ernannt, eine Stellung, die er ein Jahr später mit der nämlichen an der Schule zu Cassel vertauschte. Von hier ward er am 13. Mai 1869 zur Botschaft nach London commandirt. R. kam dadurch zum zweiten Male um die Theilnahme an einem Kriege; trotzdem leistete er seiner Regierung wichtige Dienste. Als der Ausbruch bevorstand, war die Flotte des Norddeutschen Bundes auf einer Fahrt nach dem Mittelländischen Meere begriffen und das französische Geschwader im Atlantischen Ocean lauerte ihm auf; da miethete R. einen Seedampfer, suchte die deutschen Schiffe, benachrichtigte sie von der ihnen drohenden Gefahr und ermöglichte ihnen, sich dieser zu entziehen. Später versah er die eigene Heeresleitung mit Nachrichten, die er aus französischen Quellen in England in Erfahrung brachte, so mit der schwerwiegenden über den Abmarsch des Marschall Mac Mahon von Chalons s. M. in der Richtung auf Metz; eine Kunde, auf welche die Rechtsschwenkung gegen Sedan mitbegründet war. Damals führte er, wie einst Moltke in Constantinopel, die türkischen, in London die englischen Officiere in das Verständniß des Kriegsspieles ein. Seine Thätigkeit an den Militär-Bildungsanstalten beendete er als Director der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule, an deren Spitze er von 1872–1874 stand.

Inzwischen war die Scheidung der Waffe in Feld- und Fußartillerie erfolgt. R. kam zu letzterer, mit der er damals zuerst nähere Bekanntschaft machte. Am 9. Juni 1874 wurde er zum Commandeur des Schlesischen Regiments, am 2. October aber zum Präses der Artillerie-Prüfungscommission, am 13. Mai 1880 zum Generalmajor und Commandeur der 3. Fußartilleriebrigade ernannt. Nachdem er dann seit 1884 an der Spitze von Fußartillerie-Inspectionen gestanden hatte und zum Generallieutenant aufgestiegen war, wurde er, als die Feldartillerie den Divisionen unterstellt ward und die Generalinspection der gesammten Artillerie einging, der erste Generalinspecteur der Fußartillerie. Am 20. December 1887 geadelt, am 27. Januar 1890 zum General der Artillerie befördert, schied er am 8. April des letzteren Jahres aus dem Dienste und starb am 9. August 1892 auf einer Reise zu Klosters im Kanton Graubünden. Schriftstellerisch war R. auf artilleristischem Gebiete mehrfach thätig.

Beiheft Nr. 9 zum Militär-Wochenblatte, Berlin 1893.