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Artikel „Roding, Wilhelm“ von Johann August Ritter von Eisenhart in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 30–32, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Roding,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 01:42 Uhr UTC)
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Roding: Wilhelm R. (Rhodingus), Jurist und reichskammergerichtlicher Schriftsteller, geb. zu Marburg 1549, † zu Kassel am 20. Septbr. 1603. Roding’s Großvater, Johannes R., von Geburt ein Schweizer, war Bürgermeister in Treysa bei Ziegenhayn, der Vater, Nikolaus R., wurde in demselben Jahre, in dem Wilhelm zur Welt kam (1549) Professor der Rhetorik in Marburg, und starb dasebst am 23. September 1580 als Prediger und erster Professor der Theologie (F. W. Strieder, Grundlage einer hessischen Gelehrtengeschichte, Bd. 11, S. 322–24). Unter den 15 Kindern, welche aus dessen Ehe mit Anna geb. Clauten hervorgingen, war Wilhelm das älteste. Er empfing seine wissenschaftliche Ausbildung in seiner Geburtsstadt, wo er Gymnasium und Hochschule besuchte. Nach vollendetem Rechtsstudium erhielt er, kaum 21 Jahre alt (1570) eine Lehrstelle am Marburger Pädagogium, welche er 1576 niederlegte, worauf er in Heidelberg, Neuburg und Amberg kurpfälzischer Rath wurde und später in Kassel abermals in hessische Dienste trat. Während der ersten hessischen Dienstleistung ging er auf Kosten des Landgrafen Wilhelm nach Padua, und besuchte die dortige Universität. Letzterer präsentirte ihn auch als Assessor am Reichskammergericht. R. zog es aber, nach eigenem Gestäudniß – in seiner 1598 an die pfälzischen Räthe gerichteten Epistola dedicatoria – vor, den mit ihm Genannten das Feld zu räumen, um sich nicht bei dem bevorstehenden Examen dem „periculum repulsae“ auszusetzen. – 1586 finden wir ihn auf dem Reichsdeputationstage zu Worms, wo das kammergerichtliche Verfahren den Hauptgegenstand der Verhandlungen bildete. R. muß sohin mit der Praxis des kaiserlichen Kammergerichtes wohl vertraut gewesen sein, wenn er auch in oben erwähnter Epistel bescheidener Weise behauptet „in causis cameralibus tyronem se esse“. R. war verheirathet, und starb erst 54 Jahre alt mit Hinterlassung von Nachkommen, an den Folgen hochgradiger Wassersucht. Nach Roding’s Tod fertigte dessen vierter Bruder Johannes, fürstl. Bibliothekar in Kassel, auf ersteren ein Epitaphium in Versen, welches Roding’s „Pandectis cameralibus“ beigegeben ist, und einige biographische Notizen enthält. – Als Schriftsteller zählte unser Gelehrter zu den sog. „Systematikern“, welche um die Mitte des 16. Jahrhunderts in der deutschen Rechtswissenschaft auftreten, und [31] durch ihre in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts erschienenen Werke Einfluß auf die Litteratur gewannen. R. war gleich den meisten Systematikern vom Ramismus beherrscht, welcher von seinem Gründer Pierre de la Ramée (Ramus), geb. in der Picardie 1519, seinen Namen führt und an deutschen Universitäten sehr verschiedene Aufnahme fand; so genoß er beispielsweise in Basel, Herborn (Nassau), auch in Marburg viel Ansehen, blieb dagegen in Heidelberg unbeachtet, wurde zu Helmstedt erfolgreich bekämpft, in Altorf verboten und in Leipzig 1603 als „Ramisterei“ geradezu unterdrückt. – Als eifriger Anhänger des Ramus veröffentlichte R. (Lugd. 1577) „P. Rami dialecticae libri II ex variis ipsius disputationibus etc. explicati“. Im nämlichen Jahre hielt er aus Anlaß des Ablebens des Pfalzgrafen Friedrich III. eine Trauerrede, welche im Druck erschien („Oratio funebris in laudem Friderici III Com. Palat.“, 1577, 4°). Im Uebrigen war Roding’s litterarische Thätigkeit eine eng begrenzte, indem sie sich auf das kammergerichtliche Verfahren beschränkte, dieses hat er jedoch sehr gründlich behandelt, und war er der Erste, welcher den Gegenstand einer systematischen Behandlung unterzog. 1594 erschien zu Amberg in Duodez „De judicio Rom. Imp. summo, institutionum libri II de audientia camer. ejusque processu“. Das kleine Werk fand als Lehrbuch großen Absatz und Beifall, weshalb R. schon 4 Jahre später unter dem Titel: „Manuale juris Pand. cameral.“, Spirae 1598, eine zweite vermehrte Auflage veranlaßte. Nach dem Reichsdeputationsabschied von 1600 wurde das Werk vom Verfasser neu bearbeitet und nach dessen Tode von den Erben in 3. Auflage veröffentlicht (Cassellis, ao. Chr. 1604 fol.). Das Werk ist mit einer Epistola dedicat. (Cassellis Hassorum; Cal. Febr. 1604) dem Pfalzgrafen Friedrich IV. und dem Landgrafen Moriz von Hessen gewidmet. Am Eingange findet sich auch eine Wiedergabe des lesenswerthen Briefes, welchen R. gelegentlich der 2. Auflage Anfangs September 1597 aus Amberg an den ihm befreundeten Speyerer Buchdrucker Bernhard Albinus richtete und worin er diesen ersucht, einen Abzug seines Manuale in der Schenke auszulegen, dort gleich einem Apelles die Urtheile der Gäste aufzuschreiben und sie ihm bekannt zu geben. R. theilt sein Werk – von der Definition des Jus camerale ausgehend – in vier Bücher: I. De jurisdictione (S. 1–158); II. De processu audientiarum (S. 159–180); III. De processu caussae (S. 181–376); IV. De judicii camerae personis (S. 377–399). Die einzelnen Bücher theilen sich in Titel und Paragraphen, die Titel beginnen meist mit kurzen Definitionen und Distinctionen, welchen ein gründlicher „Commentarius“ sich anschließt. Roding’s Commentar blieb den Praktikern lange Jahre ein geschätztes Handbuch und wurde von den mit der kammergerichtlichen Litteratur genau bekannten Assessoren Joh. Deckherr zu Wallborn, J. Ulrich Freih. v. Cramer und Melchior v. Ludolf anerkennend besprochen. 1609 besorgte Dr. Oesinger zu Straßburg eine vierte Auflage des Manuale. Nach ihm wurde namentlich infolge des jüngsten Reichsabschiedes (1654) das Buch von den Kammergerichtsprocuratoren Paul Gambs, Beth. Tietr. Brauer und Chr. Phil. Lang, auch von dem Speyerer Syndicus Gabler, sowie von ein Paar ungenannten Verfassern überarbeitet (Spirae 1660, 1668, 1686. – Francof. 1688, 4°. – Colon. 1710, 4°, zuletzt (von Lang) Wetzlar 1750, 4°). Hierdurch gedieh das Buch allmählich zu solchem Umfange, daß der vorerwähnte M. v. Ludolf in seinen Observation. forens. P. I. p. 381 im Einklange mit Deckher, de cultu jur. camer. cap. 9 mit Recht behaupten konnte: es gleiche mehr einem bunt zusammengetragenen Flickwerke (centoni) als einem geordneten Commentare, „adeo ut Rodingus Rodingo amplius similis non sit“. Das öfters laut gewordene Verlangen nach erneuter Auflage des Roding’schen Commentars in der ursprünglichen Gestalt ist unerfüllt geblieben. –

[32] Fahnenberg, Litter. des Reichskammergerichts, S. 66. – Ludolf a. a. O. – Strieder, Bd. II, S. 325 ff. – Stintzing, Gesch. d. deutschen Rechtswissenschaft, Abth. I, S. 425, 520 und 521.