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Artikel „Ringglli, Gotthart“ von Carl Brun in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 632–634, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ringglli,_Gotthart&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 20:11 Uhr UTC)
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Ringglli: Gotthart R., Schweizer Maler und Radirer im 16. und 17. Jahrhundert; geb. in Zürich am 27. Januar 1575, † daselbst am 29. Januar 1639. Von den Schicksalen dieses Künstlers ist wenig bekannt, wir wissen bloß, daß er außer in seiner Vaterstadt auch in Bern lebte und wirkte. Er hat 1607 dort mit dem Zürcher Caspar Haldenstein für Malereien am oberen Theil des Zeitglockenthurms 100 Kronen erhalten, und im Laufe der Jahre 1609 und 1610 wurden ihm weitere beträchtliche Zahlungen für Arbeiten am „Zytglogkenthurm“ geleistet. Ringglli’s Malereien am Zeitglockenthurm sind im Beginn des 18. Jahrhunderts bei einem Umbau zu Grunde gegangen, und ihr Verlust ist kaum zu beklagen; denn was von dem Meister sonst noch in Bern vorhanden: drei Gemälde, ursprünglich im Rathaus, heute im historischen Museum: „Eine Bärenjagd“, „Berchtold von Zähringen, der Kuno von Bubenberg den Auftrag gibt, die Stadt Bern zu bauen“ und „Die Erbauung der Stadt“, gibt keinen großen Begriff von seiner künstlerischen Begabung. Trotzdem „empfing er“, wie Joachim von Sandrart in der Deutschen Akademie schreibt, „endlich mit großem Lob und vielem Gold den Abschied von Bern“. Ringglli’s Wahlspruch lautete:

„Durch Mißgunst dem nichts widerfart,
Der ehrlich lebt und uff Gott hart
In den ich mein Vertrauen stell
Man Ringgli es gleich wie man well.“

R. war nicht nur Historien-, sondern auch Porträtmaler. Er malte laut Füßli den Historiker Johannes Gulerus a. Weineck, den Theologen Zwinger und den bekannten Rebellenführer Christian Schybis; außerdem existirt nach seinem Selbstporträt ein kleiner Stich in Quarto. Die Bildnisse von Schybis und Zwinger hat Schweizer, dasjenige Guler’s ein Anonymus in Kupfer gestochen. Mehr Interesse als die Gemälde Ringglli’s - auch sein „Hiob als Spiegel der Geduld“ im Künstlergut in Zürich und „Das Zürich-Reich mit den Vogteien“ auf der Zürcher Stadtbibliothek sind schwächliche Leistungen - flößen die Zeichnungen des Meister ein. Sie sind frisch componirt und technisch effectvoll behandelt. Eine gute Auswahl in den Sammelmappen des Künstlergutes. In dem R. 35 bezeichneten Bande mit Handrissen finden sich Proben auf Seite 84 bis 96 und Seite 132. Wir sehen den Maler, dem Venus Amor zeigt (Bl. 85), „Susanna im Bade“ (Bl. 84 und 132), den „barmherzigen Samariter“ (Bl. 89), die allegorische Figur der Hoffnung, bez. G. R. 1633 (Bl. 87), „Die Vergewaltigung eines Weibes“ (Bl. 91). Inhaltsreich ist Bl. 88: Ein Ritter steigt die Himmelsleiter hinan, die Wollust, die Armuth, die Krankheit und der Tod aber kommen, ihn daran zu verhindern. Mit Stricken, welche an [633] seinen Gürtel befestigt sind, ziehen sie ihn wieder erdwärts. Noch sei hingewiesen auf eine Sepiazeichnung Seite 12 im Band R. 24: „Die Narrenstampfe“, auf die allegorische Figur der Geduld S. 13 (bez. Per bona memoria fecit Gotthardt Ringgli, Zürich 1614) und auf ein Aquarell S. 9 im Bd. R. 41, welches 1614 datirt ist und Diana mit den Nymphen vorstellt. Außerdem ist R. in Zürich als Zeichner in der Privatsammlung Pestalozzi-Wiser und auf der Stadtbibliothek vertreten. Das Geschlechterbuch Dürsteler’s daselbst (Mscrpt. E. 21) enthält auf S. 275 eine von Sandrart erwähnte Skizze, welche sich - die Bären weisen darauf hin - auf den Zeitglockenthurm in Bern bezieht. Um das Zifferblatt herum sind in den dreieckigen Zwickeln, welche durch die seitwärts angebrachten, in fünf Stockwerken sich erhebenden Tabernakel und das Gebälk der Architektur gebildet werden, die allegorischen Gestalten der vier Jahreszeiten gemalt. Links oben der Frühling, ein jugendliches Weib, in der einen Hand einen Blumenkorb, mit der andern den Berner Schild haltend. Gegenüber der Sommer, eine Frau mit Strohhut, Sichel und Aehren; ihr zur Seite wiederum der Berner Schild. Unten, auf der einen Seite der Herbst, auf der anderen der Winter. Jener, ein nackter Jüngling, sitzt auf einem Faß, hat in der Linken eine Feldflasche, in der Rechten einen Fruchtkorb, dieser, ein ehrwürdiger Alter, erwärmt Hände und Füße an einem Feuerbecken. In den Tabernakeln, welche unten von korinthischen Säulen und ganz oben von weiblichen Hermen flankirt werden, zwei Bären mit Trommel und Querpfeife und zwei Posaunen blasende Knaben, deren Kleidung die Farben der Stadt Bern weisen, in den Cartuschen der Eckcompartimente die Büsten von vier römischen Kaisern. Gewissermaßen als Krönung des Ganzen, in der Mitte über dem Zifferblatt, das Reichswappen mit dem Doppeladler. Was die Rückseite des Blattes betrifft, so rührt sie augenscheinlich nicht von R. her, eine Beschreibung derselben wäre hier also kaum am Platze. Zum Schluß noch einiges über die Radirungen des Meisters. Für R. charakteristisch ist die Art, seine Compositionen durch unten beigefügte Verse zu erläutern und, wie es in der damaligen Zeit lag, Vorgänge aus der griechischen Mythologie in Parallele zu der biblischen Geschichte zu stellen. Er läßt z. B. Perseus die Andromeda befreien und setzt unter dieses Blatt die Worte:

„Blych wie hie Andromeden zart
Durch Perseum erlöset wart,
Also auch Christus durch syn Blut
Erlöst unß von der Hellen Gluth.“

R. hat früh angefangen zu radiren, schon 1598 lieferte er acht Vignetten mit den allegorischen Gestalten des Glaubens, der Liebe und Hoffnung, der Fürsichtigkeit, Stärke, Mäßigkeit, Gerechtigkeit und Sanftmuth. Seine Illustrationen zu Maler’s Gut Jahr für alle Christen erschienen im J. 1616. Vier Blätter, mit Perseus inbegriffen, gab der Meister 1628 heraus: Christus, Salvator mundi, auf dem gefesselten Teufel stehend, König David mit der Harfe und das Sinnbild der Vergänglichkeit, Freund Hein, mit einer Blume in der Linken, im Zwiegespräch mit einem Mann vom Stande, eines: der Tod, welcher einen Mann vom Hügel hinunter ins Wasser stürzt, rührt von 1592 und 1603 her. Die übrigen Radirungen Ringglli’s sind nicht datirt. Es seien noch genannt: „Der Tischler und seine Werkstatt“, „Der Rechtshelfer“, vier Landschaften mit Staffage, zwei Kriegsscenen, eine figurenreiche humoristische Composition („Kriegsmänner, welche sich in einer Bude Bärte kaufen“) und die Allegorie des Krieges. Von der zuletzt genannten Radirung ist die Originalplatte noch vorhanden und hat die Künstlergesellschaft in Zürich 1845 für ihr Neujahrsblatt einen Neudruck veranstaltet. R. ging aus der guten Schule des 16. Jahrhunderts hervor und hatte große Leichtigkeit im Componiren. „Manche seiner Blättchen“, schreibt [634] Rahn, „nehmen sich wie Vorläufer zu Murer’s Emblemata aus. Mit breiten, wenig nüancirten Massen sind sie geschickt schattirt. Die rauhe Aetzung erinnert an Dietrich Meyer’s frühere Technik“. R. war auch der Lehrer Samuel Hoffmann’s.

Vgl. Füßli, Geschichte der besten Maler in der Schweiz, Bd. 1, S. 77. - Nagler, Künstlerlexikon, Bd. 13, S. 198-200. - J. R. Rahn, Gotthart Ringglli. Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1886, S. 323-331.