ADB:Guler von Weineck, Johannes

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Artikel „Guler von Weineck, Johannes“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 115–118, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Guler_von_Weineck,_Johannes&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 09:16 Uhr UTC)
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Guler: Johannes G. v. Weineck, graubündnerischer Staats- und Kriegsmann und Geschichtschreiber, † am 3. Februar 1637. Geboren am 31. October 1562 aus einem der ersten Geschlechter der Landschaft Davos, gebildet in Cur, Zürich, Genf und Basel, wo er sich unter Lehrern wie Beza, D. Gottofred, Hottomann, gründliche Kenntnisse der klassischen Sprachen, in Geschichte und Rechtskunde erwarb, trat G. 1582 in den Dienst seines Vaterlandes als Landschreiber von Davos und des Zehngerichtenbundes, war 1588 und 1589 bündnerischer Landshauptmann im Veltlin und bekleidete von 1592 bis 1604 ununterbrochen daß Amt eines Landammanns von Davos und des Zehngerichtenbundes. In diesen Stellungen nahm er als Mithandelnder an [116] den wichtigsten öffentlichen Vorgängen Antheil, wie z. B. in den bündnerischen Bundesabschlüssen mit Zürich (1590), Wallis (1600), Bern (1602) und der Republik Venedig (1603). Als Abgeordneter seines Landes erhielt er bei dieser Gelegenheit in der Dogenstadt die Ritterwürde von St. Marcus. Ueberzeugungsvoller Protestant, zählte er zu denjenigen der bündnerischen Staatsmänner damaliger Zeit, die dem Einfluß Spaniens, welches das nahe Mailand beherrschte, entgegenstanden und in der Verbindung mit Frankreich und mit Venedig ein Mittel erblickten, diesen Einfluß zu bekämpfen. 1585 schon Theilnehmer an einer militärischen Besetzung der bündnerischen Herrschaft Chiavenna zum Schutze gegen Mailand, 1603 Mitglied einer Gesandtschaft an den spanischen Statthalter Graf Fuentes, die von Letzterem vergeblich Verzicht auf den begonnenen Bau der Festung Fuentes nahe am Eingange des bündnerischen Veltlin forderte, übernahm G. im Frühjahr 1607 den Oberbefehl über die Truppen, welche ebendeshalb von den drei Bünden ins Veltlin gelegt wurden. Der Ausbruch der großen Volksbewegung, die unter dem Antriebe der spanischgesinnten Faction in demselben Augenblicke Bünden ergriff, führte aber eine Verfolgung gegen G. und seine nächsten Freunde herbei, die ihn nöthigte, das Land für eine Weile zu verlassen. Durch das Strafgericht in Cur am 28. Mai 1607 in Acht erklärt, zu Verlust des Lebens und Confiscation aller seiner Güter verurtheilt, erlangte G. erst nach eingetretenem Umschwung der Dinge, am 12. September gl. J. durch das Strafgericht von Ilanz Aufhebung jenes Urtheils und Wiedereinsetzung in seine Ehren und Güter. Er nahm nun wieder auf seinem Schlosse Weineck bei Malans Sitz, von welchem er sich nannte, und brachte zehn Jahre des Friedens theils in mancherlei öffentlichen Aufträgen und Geschäften, theils in Studien zu, aus denen seine Hauptarbeit hervorging, eine Beschreibung und Geschichte von Graubünden und der angrenzenden Gebirgsländer, die im J. 1616 bei T. Wolf in Zürich unter dem Titel erschien: „Raetia d. i. ausführliche und warhaffte Beschreibung der dreyen löbl. Grawen Bünden und anderer retischer Völcker“. Das Werk sollte dem Publicum dasjenige leisten, was die nur in Handschrift vorhandene, lateinische und blos den Gelehrten zugängliche Arbeit Ulrich Campell’s (s. d. Art.) einem engeren Kreis von Lesern gewährte. Es zeugt von der umfassendsten Belesenheit und Landeskenntniß Guler’s, zersplittert aber den historischen Stoff vermöge der topographischen Eintheilung des Ganzen ungemein und entbehrt, soweit es die Zeiten des Alterthums und frühesten Mittelalters anbetrifft, eigentlicher wissenschaftlicher Kritik. Auch eine kleine, später von Guler’s jüngstem Sohne Andreas vermehrte und veröffentlichte Schrift über die Heilquelle von Fideris entstand wol in diesen Jahren, wo G. sich der Ruhe erfreuen konnte. Nur zu bald wurde diese wieder unterbrochen. 1618 begann die zwanzigjährige Periode innerer Zerrissenheit Bündens durch neue blutige Kämpfe der Factionen, durch den Kampf Frankreichs und Spaniens um den vorwiegenden Einfluß über das Land, die Besetzung der Herrschaften Chiavenna, Veltlin und Bormio durch spanische, päpstliche, französisch-bündnerische und theilweise auch schweizerische Heerschaaren und zweimalige verwüstende Unterdrückung Graubündens selbst durch österreichische Heere. G. wurde in diese Ereignisse tief verflochten. 1618 im Strafgericht von Tusis einer der protestantischen Vertheidiger des hervorragendsten Angeklagten, des auf der Folter sterbenden katholischen Erzpriesters Niklaus Rusca von Sondrio, übernahm G. kurz nachher, mit besserem Erfolge, den Auftrag, Graubünden am Hofe zu Paris zu vertreten, fand günstige Aufnahme bei König Ludwig XIII. (dem er seine „Raetia“ dedicirt hatte) und wurde von letzterem mit dem Ritterschlage beehrt. Vergeblich empfahl er aber, heimgekehrt, seinen Landsleuten Mäßigung und Friede; als seine Bemühungen wirkungslos blieben, siedelte er sich Ende 1618 in Zürich an, das ihn 1619 mit dem Bürgerrechte der Stadt beehrte. Dies hielt ihn [117] jedoch nicht ab, bei erster äußerer Gefahr seinem Heimathlande sofort zu Hülfe zu eilen. Als verbannte Häupter der spanischen Partei unter den Bündnern im Sommer 1620 mit mailändischer Unterstützung ins Misox und Rheinwald einfielen, erschien G., setzte sich an die Spitze des bündnerischen Aufgebotes, das sie zurückschlug, und befehligte auch, als im selben Augenblicke der Abfall des Veltlins mit dem grausen Blutbade vom 19. Juli 1620 („Veltlinermord“) begann, die Bündnertruppen bei den Versuchen, welche die Graubündner zuerst allein und dann mit Hülfe von Zürich und Bern unternahmen, sich des Veltlins wieder zu bemächtigen. Die Niederlage der Verbündeten vor Tirano (11. September 1620) ließ freilich diese Versuche gründlich scheitern; umsonst war alle von G. bewiesene Energie und Tapferkeit. Die spanische Faction gewann wieder die Oberhand in Bünden. G. ging nach Zürich zurück und brachte, theils freiwillig, theils gezwungen, fünf Jahre dort zu. Denn als im Herbste 1621 die Oesterreicher unter Baldiron den Zehngerichtenbund und Gotteshausbund besetzten und unterwarfen, schrieben sie G. und den tüchtigsten seiner Söhne, Johann Peter, als flüchtige Rebellen aus und verlangten von Zürich, freilich vergeblich, Auslieferung derselben. Der Aufstand der Bündner im Sommer 1622, bei welchem Johann Peter G. mitwirkte, vermochte auch nur auf die Dauer von ein paar Monaten das auf dem Lande lastende und nachher nur wieder um so schwerere Joch abzuschütteln. G. selbst, durch seine frühere Stellung, durch Reichthum und edlen Gebrauch desselben, durch seine Jahre (er war jetzt ein Sechziger) unter seinen flüchtigen Landesgenossen hervorragend, war und blieb während dieser Zeit ein Haupt der bündnerischen Emigration, die sich in der Eidgenossenschaft sammelte und für die er Vieles that, zumal als ihm 1624 gelang, seine Eigenschaft als Bürger von Zürich bei der österreichischen Regierung in Innsbruck, wohin er sich zu diesem Zwecke begab, zur Anerkennung zu bringen und dadurch seine Güter in Bünden von dem darauf gelegten Sequester zu befreien. Obwol von Krankheit heimgesucht, war er übrigens auch durch Verwendung bei den Eidgenossen für sein Vaterland thätig, und nach einer in Bünden später allgemein verbreiteten Annahme soll seiner Feder die im J. 1622 (ohne Angabe des Druckortes) erschienene Schrift entstammen: „Pündtnerischer Handlungen widerholte und vermehrte Deduction“, eine Vertheidigung des damaligen Aufstandes der Prättigauer. Der Gang der Ereignisse eröffnete aber auch G. nach einigen Jahren die Rückkehr in die Heimath und neues Wirken in derselben. 1624 verdrängte Frankreich durch eine aus französischen, bündnerischen und schweizerischen Regimentern bestehende Armee unter dem Marquis v. Coeuvres die Oesterreicher aus Bünden, die Spanier aus den drei bündnerischen Herrschaften, und es begannen Unterhandlungen über die Verhältnisse dieser letzteren zwischen den Höfen von Paris und Madrid, dem päpstlichen Stuhle und den Bündnern. Diese riefen nun G. aus Zürich ab (1625), wählten ihn zum Mitgliede ihres Rathes und sandten ihn im Frühjahr 1626 zu Coeuvres ins Veltlin, um von dem General und dem französischen Gesandten Aubespine die Rückgabe der drei Herrschaften an Graubünden zu erwirken. Als G. nicht zum Ziele kam, reichte er an Coeuvres eine einläßliche Denkschrift ein, welche gegen den zwischen Frankreich und Spanien über die bündnerischen Herrschaften geschlossenen Vertrag von Monsonio (15. März 1626) gerichtet war und Zurückkommen auf einen für Bünden günstigeren Vertrag von Madrid (25. April 1621) verlangte. Zum gleichen Zwecke ging im März 1627 eine dreigliedrige Gesandtschaft, wobei G., an den Hof in Paris ab, deren Vorstellungen daselbst aber ebensowenig Erfolg hatten, als alle bisherigen Schritte der Bündner. Ermüdet kam G. im October 1627 aus Frankreich zurück. Noch standen seiner Heimath, die er nun nicht mehr verließ, die schwersten Jahre [118] bevor. Als Kaiser Ferdinand II. auf dem Gipfel seiner Macht, im J. 1629, Graubünden plötzlich von einer gewaltigen Armee überfallen und besetzen ließ, blieb das Land während der ganzen Dauer des mantuanischen Erbfolgekrieges der Mißhandlung durch zügellose Söldnerschaaren, den Schrecken verheerender Seuchen, der Pest, der Hungersnoth, ausgesetzt. Erst der Friede von Chierasco (17. April 1631) befreite es von diesen Plagen. Gegenüber Frankreich mußte der Kaiser sich zur sofortigen Räumung von Graubünden verpflichten und Ersteres sandte nun den Herzog Heinrich von Rohan dahin zur Uebernahme des Oberbefehls über die Landesbewaffnung, welche die Bündner aufstellten. 1635 aber entriß Rohan den Spaniern auch die drei Herrschaften, welche sie noch immer besetzt gehalten hatten und vertheidigte seine Eroberung in glänzenden Siegen über spanische und österreichische Heere. Von einer Rückgabe der Herrschaften an die Bündner war freilich auch jetzt keine Rede. Ein Vertrag, den Rohan auf ihr Andringen zu Chiavenna mit ihnen schloß (Chiavenner Artikel vom 4. Januar 1636), fand in Paris nicht Genehmigung. G., der die Leidensjahre von 1629 und 1630 in Zurückgezogenheit zugebracht hatte, nahm auch nun wieder an den Angelegenheiten seines Landes thätigen Antheil. Im Mai 1632 an der eidgenössischen Tagsatzung in Baden als Landammann des Zehngerichtenbundes anwesend, wo Rohan sein Creditiv als Gesandter bei der Eidgenossenschaft überreichte, fand G. beim Herzoge entgegenkommendes Vertrauen, sah dann seinen Sohn Johann Peter als Oberst unter Rohan’s Fahnen dienen, erschien unter den bündnerischen Bevollmächtigten auf dem Tage von Chiavenna – sein letzter Ritt über die Berge –, begrüßte Rohan Namens der drei Bünde bei des Herzogs Rückkunft aus dem Veltlin nach Cur am 11. October 1636, und betrat noch am 7. December das Rathhaus daselbst, um bei Verhandlungen zwischen Rohan, dem französischen Zahlmeister Lasnier und den Bündnern vermittelnd thätig zu sein. Bald nachher begannen die Kräfte des fünfundsiebzigjährigen Greises zu schwinden; am 3. Februar (24. Januar a. St.) 1637 erlosch er im Frieden. Durch ungewöhnliche Hoheit der äußeren Gestalt wie durch Begabung des Geistes und Charakters und vielfache Verdienste um Graubünden ausgezeichnet, blieb er lange im Andenken seiner Landsleute lebend.

S. Fortunat Sprecher, Das christenlich Leben und Sterben … Herrn Obersten Gulers v. Weineck, 4°, Chur 1637. Ebendesselben Historia motuum et bellorum … in Rhaetia excitatorum et gestorum, 4°, Col. Allobrog. 1629. In deutscher Bearbeitung von Conradin v. Mohr im Archiv für Gesch. der Republik Graubünden, Bd. 3 u. 4, Chur, Hitz 1855/7. Barth. Anhorn’s Schriften (s. Anhorn). – G. Leonhardi, Ritter Johannes Guler v. Weineck, Bern, Heuberger 1863.