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Artikel „Anhorn, Bartholomäus“ von Christian Immanuel Kind in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 464–465, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Anhorn,_Bartholom%C3%A4us&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 05:01 Uhr UTC)
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Anhorn: Bartholomäus A., geb. 1566 aus einer noch jetzt blühenden kurrhätischen Familie, † 1640. Sein Großvater gehörte zu den frühesten Anhängern der Kirchenreform in der Herrschaft Mayenfeld, und gründete in seinem Enkel eine Nachkommenschaft, die sich vorzugsweise dem geistlichen Berufe widmete. Die Studienzeit verbrachte A. vermuthlich in Zürich, dessen reich dotirte Anstalten damals manchem rhätischen Jüngling zu gute kamen.

Seit dem J. 1596 war A. in seiner Vaterstadt Mayenfeld als Prediger angestellt. In seiner Wirksamkeit daselbst sah er sich namentlich durch den Landeshauptmann Johann Luzius Gugelberg am Moos unterstützt, dessen Gedächtniß er in einer im Drucke eschienenen Lebensbeschreibung segnete. Die Bestrebungen der evangelischen Prediger jener Zeit äußerten sich neben der Abwehr der katholischen Reaction auch insbesondere in einer eingreifenden politischen Thätigkeit. Das Ergebniß derselben war die Landesreform von 1603, mittelst welcher man der Bestechlichkeit der Optimaten entgegen zu wirken suchte, ein Werk, das jedoch mehr nach seiner Absicht als nach seinen Erfolgen rühmlich erscheint. In Bezug auf äußere Politik lehnten sich die Reformer an die Bestrebungen Frankreichs unter Heinrich IV. an und beförderten namentlich den Abschluß eines Bündnisses zwischen Kurrhätien und der Republik Venedig. Indem jedoch Mailand zu höchst empfindlichen Repressalien schritt, und eine völlige Handelssperre verhängte, wurde hierüber 1607 der bündnerische Freistaat in innere Unruhen verwickelt, welche sich gegen die Mailands Politik mehr oder weniger begünstigenden Parteihäupter in höchst verderblicher Weise entluden. A. beschrieb diese Auftritte unter dem Titel „Pünter Ufrur“. Sein Urtheil über dieselben versteckte er in das die Jahreszahl repräsentirende Akrostichon „anno DeMentIae rVstICae“. Wenn hierin eine Verurtheilung der entfesselten Demokratie liegt, so waren nichts destoweniger die zehn Jahre, während welcher das venetianische Bündniß bestand, die Zeit der fruchtbarsten Thätigkeit Anhorn’s. In diese Jahre fallen seine ersten schriftstellerischen Versuche, die im Druck erschienen [465] sind. Vgl. Leu’s Lexicon. Auch im Predigtamt hatte er große Erfolge, indem er der Reformation in den Dörfern, welche der bischöflichen Immediatherrschaft Aspermont angehörten, Eingang verschaffte. Dagegen war die Kündigung des venetianischen Bündnisses 1617 nicht nur für das Land überhaupt von tief tragischen Folgen begleitet, sondern warf auch A. wenigstens indirect aus seiner ganzen bisherigen Lebensstellung heraus. Von 1617 an waren die inneren Unruhen permanent, bis sie ihren Abschluß in dem Veltliner Blutbade 20. Juli 1620 und in der östreichischen Invasion 1621 fanden. Letztere zwang auch A. landesflüchtig zu werden, da auf ihn vornämlich gefahndet wurde. Es war ihm nicht mehr beschieden, von seiner Kirche dauernden Besitz zu ergreifen, er nahm aber bald einen Ruf als Pfarrer nach Gais im Canton Appenzell an, wo er bis zu seinem Tode in Ruhe seinem Amte vorstand. Hier erlaubte ihm denn auch die Muße, seine Erlebnisse in Schrift zu verfassen. Seine Hauptwerke sind der schon genannte „Pünter Ufrur“ und „Der Graubünter Krieg“, enthaltend die Geschichte der Invasion. Diese größeren Werke gelangten handschriftlich in den Besitz seiner Enkel und von da weg in die Stadtbibliothek St. Gallens. Erst 1856 gab Conradin v. Moor den „Pünter Ufrur“ im Drucke heraus. – Ueber seine sonstigen Werke siehe Leu’s Lexicon.