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Artikel „Rieger, Georg Konrad“ von Theodor Schott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 542–544, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rieger,_Georg_Konrad&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:13 Uhr UTC)
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Rieger: Georg Konrad R., (oder wie er sich stets schrieb: Kunrad), geb. in Cannstatt (Württemberg) am 7. März 1687, † zu Stuttgart am 16. April 1743, war der Sohn des wenig bemittelten Weingärtners und Gerichtsverwandten Johann Michael R. und der Anna geb. Jehlin. Der begabte Knabe zeigte schon frühe Neigung zum Studium der Theologie, ohne bei seinem Vater, welcher die Kosten scheute und seinem Sohne keine Ausbildung über seinen Stand geben wollte, Unterstützung zu finden. Endlich wurde durch die Mutter, welche der Sohn als „eine gute Beterin“ rühmte, und durch Decan Bilfinger der Widerstand des Vaters überwunden. R. kam in das Seminar Blaubeuren, später nach Maulbronn und Bebenhausen, 1706 in das fürstliche Stipendium (Stift) nach Tübingen, 1708 magistrirte er, 1710 bestand er sein Examen, 1713 wurde er Repetent in Tübingen, 1718 Diakonus in Urach, 1731 Professor am Gymnasium in Stuttgart und zugleich Mittwochsprediger, 1733, nachdem er eine Berufung nach Frankfurt a. M. abgelehnt hatte, Stadtpfarrer zu St. Leonhard und 1742 Special und erster Prediger an der Hospitalkirche daselbst, welche Stelle er kaum 1 Jahr inne hatte. – Der vorzugsweise praktisch angelegte Mann entfaltete eine außerordentlich reiche Wirksamkeit als Prediger und Geistlicher; die fromme Tradition seines Hauses, der Einfluß des Präceptors Haselmaier [543] in Maulbronn, welcher Privaterbauungsstunden hielt, die religiöse Erweckung im Tübinger Stift, welche mit seiner eigenen religiösen Anlage übereinstimmte, führte ihn früh dem Pietismus zu, welcher im Anfang des achtzehnten Jahrhunderts in Württemberg zahlreiche Anhänger hatte; R. wurde ein Hauptvertreter desselben und übte durch sein Festhalten an dem Bekenntniß der Landeskirche, durch die eifrige Pflege der Privatversammlungen, durch das Dringen auf persönliche Bekehrung und Erneuerung des Herzens wie durch seine Theilnahme an den Werken der Barmherzigkeit großen Einfluß auf dessen Gestaltung in Württemberg aus. In den anbrechenden Zeiten des Rationalismus blieb er eine Säule gläubiger Frömmigkeit, den Grund zu der religiösen Macht und Kraft, welche der Pietismus bis heute noch in Württemberg bewahrt, hat er mitgelegt. Seine Predigten, bei welchen sich der Einfluß seines Freundes Bengel durch die genaue Anlehnung an die Textesworte kund gibt, ragen hervor durch Tiefe und Fülle der Gedanken, durch klare Disponirung, durch ungemein reiche Anwendung des Textes auf die Bedürfnisse des Herzens und Lebens, durch eine lebendige kräftige Sprache, in welcher ihm passende Bilder und Gleichnisse ungesucht zuflossen. Eine Eigenheit von ihm war, über kleine Textabschnitte 8–10 Predigten zu halten, über das Evangelium Matthäi hielt er über 1000 Predigten und gelangte nur bis zum 19. Capitel. Seinen pietistischen Standpunkt verräth jede Predigt und manche Geschmacklosigkeiten laufen auch dabei mitunter. Noch jetzt gehören seine zahlreichen Predigtbücher zu den verbreitetsten und gelesensten bei den württembergischen „Gemeinschaften“. Die praktische Richtung seines Wesens zeigte sich auch in seiner nicht unbedeutenden litterarischen Thätigkeit. Seinen württembergischen gleichgesinnten Landsleuten zeichnete er in: „Die württembergische Tabea oder das merkwürdige Leben der Jungfrau Beata Sturmin“, Stuttgart 1732, seitdem öfters aufgelegt, in panegyrischer Weise das Bild einer wohlthätigen, tiefreligiösen, von Leiden schwer heimgesuchten Jungfrau, ohne an der Uebertreibung ihrer Frömmigkeit Anstoß zu nehmen. Weiteren Kreisen galt „Das Leben Argulä von Grumbach“, Stuttgart 1737, der bekannten Freundin Luther’s „ein Beitrag, wie das weibliche Geschlecht in alter und neuer Zeit mit exemplarischer Gottseligkeit dem Reiche unseres Heilands gedient“. Die Vertreibung der evangelischen Salzburger veranlaßte ihn zu den beiden Schriften: „Der Saltzbund Gottes mit der evangelisch-Saltzburgischen Gemeinde“, St. 1–8, Stuttgart 1732–3 und „Die alte und neue böhmische Brüder“, St. 1–24, 1734–40; die ununterbrochene Succession evangelischer Gemeinden von der apostolischen Kirche bis auf unsere Zeit sollte darin erzählt werden. Seine große Belesenheit und umfassenden Kenntnisse treten in diesen Werken, welche die Schicksale der Waldenser, Hussiten, böhmischen Brüder, aber nicht der Salzburger behandeln, deutlich hervor, an kritischer Schärfe lassen sie dagegen sehr zu wünschen. Einzelne seiner Predigten erschienen schon zu seinen Lebzeiten, ebenso die verbreitetste und bedeutendste Sammlung: „Große Herzpostille“, Züllichau 1742, seitdem öfters aufgelegt. Ferner: „Die Kraft der Gottseligkeit“ 1712–36. Nach seinem Tode erschienen: „Kleine Herzenspostille“ 1746; „Casualprdigten“1755; „Predigten über auserlesene Stellen des Evangeliums Matthäi 1. 2“ 1843; „Hochzeitspredigten“ 1856; „Leichenpredigten“ 1856; „Passionspredigten“, „Die heilige Osterfeier“ 1858. – Von theologischen Gesichtspunkten aus geht auch seine Schrift „Belehrung von dem Ursprunge des bürgerlichen Regimentes“ 1732. Ueber die 2 ihm zugeschriebenen Schriften: „Historia architecturae civilis“ 1728 und „Reflexionen über die Vampyrs“ 1732, konnte ich nichts näheres erfahren. – 1718 hatte er sich mit Regina Dorothea Scheinemann verheiratet, 2 Söhne Philipp Friedrich und Karl Heinrich (s. u.) und 2 Töchter überlebten ihn.

[544] Palmer, in Realencyklopädie für Theologie und Kirche von Herzog, Art. Rieger. – Claus, Württembergische Väter, Bd. I. – In Bd. 1 der Predigten über Matthäus ein Lebenslauf.