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Artikel „Richter, Reinhard“ von Wilhelm von Gümbel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 497–499, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richter,_Reinhard&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 09:42 Uhr UTC)
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Richter: Reinhard R., Director der Realschule in Saalfeld, herzogl. sächs. Geh. Rath, erwarb sich durch die geologische Durchforschung des Thüringer Waldes bleibende Verdienste um die nähere Kenntniß dieses mitteldeutschen Gebirgslandes. Geboren am 28. October 1813 zu Reinhardsbrunn in Thüringen als Sohn eines Pfarrers besuchte R. das Gymnasium zu Hildburghausen, dann die Universität Jena, auf welcher er sich philologischen und theologischen Studien widmete. Nach abgelegtem theologischen Examen übernahm R. 1837 eine Lehrerstelle an der Realschule in Saalfeld und rückte an dieser Anstalt, an welcher er in der erfolgreichsten Weise thätig war, bis zu deren Director (1853) vor. Seine Stellung als Lehrer hatte ihn mehr und mehr auf die Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen Studien hingeleitet, bei welchen er sich nach und nach umfassende Kenntnisse aneignete. Zunächst richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Erforschung der Flora und Fauna in der Umgebung von Saalfeld und veröffentlichte als Frucht dieser Studien in den Programmen der Anstalt eine Flora von Saalfeld [498] und einen Bericht über die Saalfische. Der in geologischer Beziehung so überaus interessante Thüringer Wald zog dann weiter seine Aufmerksamkeit auf sich und R. wendete sich später mit allem Eifer der geologischen Erforschung dieses Gebiets zu. Der glückliche Fund sehr merkwürdiger Thier- und Pflanzenüberreste am sog. Bohlen bei Saalfeld brachte ihn zunächst in Verbindung mit dem damals berühmtesten Phytopaläontologen Unger und veranlaßte zwei Publicationen, eine erste, welche sich auf thierische Ueberreste bezog, unter dem Titel „Beiträge zur Paläontologie des Thüringer Waldes“ 1848, und eine zweite mit Unger gemeinschaftlich verfaßte phytopaläontolgischen Inhaltes (1856 Denkschr. d. Wiener Akad. math.-nat. Kl. XI 87–186), in welchen eine damals noch wenig bekannte oberdevonische Fauna und Flora (mit Einschuß von Culmschichten) ausführlich beschrieben wurden. Inzwischen hatte R. eine Reihe von Aufsätzen geologischen und paläontologsichen Inhaltes theils in Leonhard’s und Bronn’s N. Jahrb. theils in der Zeitschr. d. d. geol. Gesellschaft veröffentlicht wie: Alter der Kalkgeschiebe im Cypridinen-Schiefer Thüringens, Paläontologisches aus Thüringens Grauwacke, Gliederung der thüringischen Grauwacke- und Silurschichten, Thüringische Graptolithen und Tentaculiten, Graptolithen, Nereiten und Pflanzen Thüringens, Untersilurisches Pleurodictyum, Fossile Reste aus dem thüringischen Zechstein und damit großes Aufsehen erregt. Zusammenfassend theilte er die gewonnenen Resultate in der „Gaea von Saalfelden“ 1853 mit. Weiter erschien eine Reihe von Publicationen ähnlichen Inhaltes in der Zeitschr. d. d. geol. Gesellschaft seit 1863 unter dem Titel: Aus dem Thüringischen Schiefergebirge, in welchen R. bestrebt war, die bis dahin unter der allgemeinen Bezeichnung Grauwacken und Thonschiefergebirge bekannten älteren Schiefer analog der in England erkanten Gliederung in einzelne Stufen zu zerlegen und einzutheilen. Die gewonnenen Ergebnisse sind am klarsten in der 1869 erschienen Abhandlung (Zeitschr. d. d. Geol. Ges. XXI, 341) mit beigegebener Karte nebst Profilen zusammengefaßt. Haben auch einzelne seiner Ansichten in der Folge sich nicht als richtig erwiesen, so hat sich R. doch im allgemeinen durch diese Arbeiten ein großes Verdienst um die genauen Kenntnisse der geologischen Verhältnisse des Thüringer Waldes erworben, welche allseitig anerkannt worden sind. Am wenigsten glücklich war R. in seinen rein paläontologischen Darstellungen, bei welchen ihm als Autodidakten in seiner isolirten Stellung das erforderliche Vergleichungsmaterial und die Litteraturbehelfe vielfach gefehlt zu haben scheinen. Dies gilt namentlich in Bezug auf seine Arbeiten über oberdevonische Entomostraceen (a. a. O. 1869), über Nereiten (a. a. O. V, 439), z. Th. auch in Bezug auf Graptolithen und über den Gerüstbau der Terebratula vulgaris (N. Jahrb. 1869, 219). Einige seiner Publicationen beziehen sich auch auf den Muschelkalk und das Diluvium bei Saalfeld. Besonders interessant sind seine Nachrichten über prähistorische Funde am sog. Kalkofen und auf dem rothen Berg bei Saalfeld, deren Alter bis in die Steinzeit reicht (Weihnachtsbüchlein 1867 und 1868). Ueberdies schrieb R. noch zahlreiche Abhandlungen, Berichte und Kritiken im N. Jahrbuch für Mineralogie etc., im Zentralblatt und in der Augsburger Allg. Zeitung. Zuletzt war R. mit der Herstellung einiger Blätter der großen geolog. Karte von Preußen und der Thüringischen Staaten, soweit sich dieselbe auf die Umgebung von Salfeld bezieht, beschäftigt. Nachdem R. sein 25 jähriges Jubiläum als Director der Realschule erlebt hatte, nahm er infolge eingetretener geschwächter Gesundheitsverhältnisse daraus Veranlassung, in den Ruhestand zu treten und nach Jena überzusiedeln, um dort ausschließlich der Wissenschaft zu leben. Leider war ihm dies nur auf kurze Zeit vergönnt, indem er bald nach seinem Umzuge vom 15. auf 16. October 1884 seinen Leiden erlag. Aeußerliche Zeichen der Anerkennung erhielt R. durch seine Ernennung [499] zum Dr. philos. h. c. von Seiten der Universität Jena (1858) und zum Mitgliede vieler gelehrter Gesellschaften. Seine Regierung ehrte die Verdienste Richter’s durch die Verleihung des sächs. Ernestinischen Hausordens I. Classe.

N. Jahrb. 1885 Bd. 1.