ADB:Richartz, Johann Heinrich

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Artikel „Richartz, Johann Heinrich“ von Johann Jakob Merlo in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 421–423, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Richartz,_Johann_Heinrich&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 14:44 Uhr UTC)
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Richartz: Johann Heinrich R., der edle Mann, der in hochherziger Gesinnung seine Vaterstadt mit dem Prachtbau eines neuen Museums beschenkte, war am 17. November zu Köln geboren und starb daselbst am 22. April 1861. Er widmete sich dem Kaufmannsstande und setzte seines Vaters Geschäft in exotischen Häuten fort, das durch das Hinzutreten von Gesellschaftern einen großartigen Aufschwung gewann. Die Firma J. H. Richartz & Co. stand in directer Verbindung mit den La-Platastaaten und hatte daselbst zum Zwecke der Einkäufe von Wildhäuten ihren fest domicilirten Vertreter. Ein reicher Ertrag war der Lohn des geschäftlichen Wirkens, und als sich R. 1851 ins Privatleben zurückzog, fand er sich im Besitze eines sehr bedeutenden Vermögens. Sein einfaches, anspruchsloses Wesen konnte bis dahin die öffentliche Aufmerksamkeit nicht auf ihn lenken, wenngleich er gegen alle Menschen wohlwollend war und in mehreren Fällen, wo es galt, ein ohne Verschulden gefährdetes Familienleben zu retten, mit fürstlicher Freigebigkeit eintrat. Die freudigste Ueberraschung bereitete er seinen Mitbürgern, als in der Gemeinderathssitzung vom 3. August 1854 der Oberbürgermeister Stupp den Gemeindevertretern den Inhalt eines von demselben Tage datirten Schreibens von R. mittheilte, worin derselbe sich erbot, „zur Bestreitung der Baukosten eines neuen städtischen Museums Anfangs nächsten Jahres an die Stadtkasse die Summe von einmalhunderttausend Thalern gegen eine jährliche Rente von vier vom Hundert einzuzahlen“. Er fügte diesem Anerbieten hinzu, daß die erwähnte Rente mit seinem Tode erlöschen und das Capital der Stadt als freies Eigenthum verbleiben solle. Dem Geschenkgeber wurde von dem Collegium der innigste Dank ausgesprochen und in das Protocollbuch die Erklärung aufgenommen, daß derselbe sich um seine Vaterstadt hochverdient gemacht [422] habe. Die Bürgerschaft beeilte sich, ihm am nächstfolgenden Abend durch einen glänzenden Fackelzug ihre Dankbarkeit zu beweisen. Die Zustände des Kölner Museums, d. h. des der Stadt als Geschenk überwiesenen Wallraf’schen Kunstnachlasses, waren von traurigster Art und riefen vielfache ebenso bittere als wohlbegründete Tadelsäußerungen hervor. In einem alten, verkommenen Gebäude in der Trankgasse war zwar ein Theil der Gemälde und die antiken Sculpturen aufgestellt und sonntäglich dem Publicum, bei freiem Eintritt, die Anschauung gestattet; in fast gleicher Anzahl aber lagen die Gemälde, darunter manches sehr werthvolle, in einer Remise, in Stallungen und auf Corridoren aufgethürmt und den Einflüssen der Witterung und allen beschädigenden oder zerstörenden Zufälligkeiten preisgegeben. R. war bisher von der Pflege der Kunstliebhaberei ferngeblieben, obwol sein Gemüth für die Eindrücke des Großen, Schönen und Edlen stets empfänglich gewesen war. Ein aus Freundesmund vernommenes Wort des Tadels, daß die reiche Stadt Köln keinen Sinn und keine Dankbarkeit für das herrliche Vermächtniß ihres Wallraf habe, und eine daran geknüpfte leise, kaum im Ernst gemeinte Aufmunterung an R., hier als Retter aufzutreten, zündete in seinem patriotischen Herzen und rief den festen, hochherzigen Entschluß zur Abhülfe bei ihm hervor. Er blieb bei seiner ersten Gabe nicht stehen. Jeden Gedanken, der darauf hinzielte, dem Bauwerk einen reicheren Schmuck zu verleihen, griff er auf und stellte, wenn er ihn zweckmäßig fand, die Mehrkosten bereitwillig zur Verfügung, sodaß der Gesammtbetrag der Schenkung sich auf nahezu zweimalhundertausend Thaler beläuft. Auch für die Herstellung der neben dem Museumsgebäude gelegenen schönen Minoritenkirche, die sich dem Baustil des ersteren harmonisch anschließt, gab er eine beträchtliche Summe. Dem hochverdienten Manne wurden nun von allen Seiten Beweise der Anerkennung und Verehrung zu Theil. König Friedrich Wilhelm IV. verlieh ihm den Titel eines königlichen Commerzienrathes und den rothen Adlerorden 3. Classe. Die Universal Society for the encouragement of arts and industry übersandte ihm im Juni 1857 eine goldene Medaille und die königliche Akademie der Künste zu Berlin ernannte ihn zu ihrem Ehrenmitglied. Das Museum, zu dessen Baumeister er seinen Freund Joseph Felten berufen hatte, ging seiner Vollendung entgegen und der 1. Juli 1861 wurde für die Eröffnungsfeier bestimmt. Da erkrankte R. plötzlich um die Mitte des April an einem heftigen Brustleiden, das in wenigen Tagen dem Leben des unvergeßlichen Mannes ein allzufrühes Ziel setzte. Als er die Stunde der Auflösung herannahen fühlte, wollte er nicht scheiden, ohne nochmals über das Grab hinaus von seinem Mitgefühl für unverschuldetes Elend, seiner Liebe zur katholischen Kirche und zu seiner Vaterstadt, sowie von seiner Begeisterung für die Kunst Zeugniß abzulegen. In seinem letzten Willen bestimmte er hunderttausend Thaler zur Gründung einer städtischen Irrenanstalt, jedoch so, daß die Zinsen zehn Jahre lang zur Erwerbung von Gemälden älterer und neuerer Meister für das Museum verwandt werden sollen. Zum Ausbau der Minoritenkirche wurden nochmals 9000 Thaler angewiesen, der Dom erhielt 2500 Thaler, ebensoviel die Pfarrkirche zu St. Jacob, und zur Dotation einer Freistelle an der rheinischen Musikschule vermachte er 2000 Thaler. Mit Ergebung nahm er die höhere Fügung auf, daß er den Tag nicht erleben sollte, auf den er sich so lange und so herzlich gefreut. Die ganze Stadt war wie niedergeschmettert durch die Kunde von seinem Tode. Er erhielt seine Grabesstätte auf dem Friedhof zu Melaten neben Wallraf, mit dem er, wie verschieden auch ihre Lebenswege und Bestrebungen waren, in dem Charakterzuge zusammentraf, daß sie mit begeisterter Liebe ihrer Vaterstadt zugethan waren. König Wilhelm und die Königin Augusta drückten unterm 24. April mit eigenhändigen Schreiben der Stadt Köln ihre Theilnahme an dem Verluste [423] des würdigen Mannes aus, „der das, was Redlichkeit und Rechtlichkeit ihm an Glücksgütern zuführte, auf das Edelste, Wohltätigste und Uneigennützigste zum Wohl seiner Mitbürger verwandte und seiner Vaterstadt das Vorbild echten Gemeinsinnes hinterläßt“. An dem Wohnhause des Verstorbenen (auf dem Blaubach) ließ die Stadt eine Gedenktafel anbringen.

Einleit. v. Ennen zu: Ausgew. Schriften v. Wallraf, Festgabe zur Einweihungsfeier des Museum Wallraf-Richartz. - Nekrolog in d. Köln. Ztg. v. 3. Mai 1861.