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Artikel „Rem, Wilhelm“ von Friedrich Roth in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 301–303, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rem,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 17:40 Uhr UTC)
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Rem: Wilhelm R. (oder Räm, wie er sich selbst schreibt) stammte aus einem alten, ursprünglich dem Augsburger Patriciat angehörenden Geschlechte, das sich nach der Verfassungsänderung im J. 1368 unter die Zünfte begab und etwa ein Jahrhundert später wegen einer der Stadt zum Nachtheil gereichenden eigennützigen Handlung, die sich ein Mitglied der Familie zu Schulden kommen ließ, die Rathsfähigkeit verlor. Die meisten Reme trieben Handel oder betheiligten sich wenigstens mit ihrem Gelde an kaufmännischen Unternehmungen, wodurch sie bedeutenden Grundbesitz und große Vermögen erwarben, so daß sie zu den reichen Familien Augsburgs zählten und infolge dessen mit den vornehmsten derselben verschwägert waren. Wilhelm war der Sohn des Sigmund R. und der Ursula Walther, der Urenkel jenes Hans R., der den Grund zum Reichthum des Hauses legte, der Bruder der Ursula R., die mit Jakob Fugger (mit dem Reh) verheirathet war, der Vetter des Lukas R., des bekannten Verfassers eines für unsere Kenntniß der damaligen [302] Augsburger Handelsverhältnisse wichtigen Tagebuches. Er ist im J. 1462 geboren, vermählte sich 1485 mit Walburga Fugger, einer Tochter des Jakob Fugger (mit der Lilie), und läßt sich in den Steuerbüchern der Stadt von 1486 an bis 1528 verfolgen. Gestorben ist er vor Mitte October 1529, wie ein Vermerk im Steuerbuch dieses Jahres erkennen läßt. Er hinterließ einen Sohn, Hieronymus, der seit 1518 mit Barbara Vöhlin vermählt war, das Geschlecht in zahlreichen Sprossen fortpflanzte und im Jahre 1538 in das Patriciat aufgenommen wurde. Sonst wissen wir von den äußern Lebensumständen Wilhelm Rem’s nur sehr wenig. Sein Vermögen war nach Ausweis der ihn betreffenden Einträge in den Steuerbüchern bei weitem geringer als das der meisten seiner Verwandten, doch war es, wenn auch nur in bescheidenem Maße, in beständigem Wachsen. Aber trotzdem er nicht zu den großen Geldleuten zu rechnen ist, deren es in Augsburg damals so viele gab, ist er doch als ein Wohlthäter der Armen bekannt; so ließ er im J. 1517 bei einer schweren Hungersnoth seinen großen Vorrath von Getreide zu Brotspenden für die Hungernden „verbacken“, wodurch er sich den Haß der Bäcker zuzog. Wir haben hier seiner zu gedenken wegen seiner Arbeiten auf dem Gebiete der bürgerlichen Geschichtschreibung, die zwar nicht auf derselben Höhe stehen wie die seiner Vorgänger Burkard Zink und Hector Mülich, aber doch in ihrer Eigenart innerhalb der Augsburger Historiographie eine gewisse Bedeutung besitzen, auf die man mehr und mehr aufmerksam geworden ist. R. schrieb nämlich ein zweibändiges Chronikenwerk, eine „Cronica alter und newer Geschichten“ und eine „Cronica newer Geschichten“. Der erste Theil stellt sich der Hauptsache nach als eine wohl von Rem’s eigener Hand gefertigte Abschrift der bis zum Jahre 1487 reichenden Chronik des Hector Mülich in der Bearbeitung des den Remen verwandten Marx Walther dar, die er durch viele Zusätze bereicherte und bis zum Jahre 1511 fortsetzte. Von den Zusätzen sind die wichtigsten die, welche sich an die Erzählung von der im J. 1368 erfolgten Aufrichtung des Zunftregimentes anschließen und eine Hauptquelle für die ältere Geschichte der Augsburger Geschlechter bilden, sowie die zum Theile wohl aus mündlicher Ueberlieferung geschöpften Stücke, welche sich mit dem Sturz des Bürgermeisters Ulrich Schwarz befassen. Die Fortsetzung enthält meist Notizen über „etliche kleine Sachen“, wie er in der Vorrede zu der Chronik sagt, die er „zum Theil … selber gesehen, gehört und erfahren“; und da darin manches vorkommt, das „etlichen ehrbaren Geschlechtern … oder auch sonderlichen Personen zu Augsburg oder anderswo nit zu Ehr oder Lob reichte“, faßte er den Entschluß, sein Buch streng geheim zu halten und empfahl das gleiche auch seinem Sohne Hieronymus, dem er es als Erbstück hinterließ. – Der zweite Theil des Werkes fährt zeitlich da fort, wo der erste abbricht, also mit dem Jahre 1512, und endet mit dem Jahre 1527. Er kann nicht als eine Augsburger Chronik in dem Sinne bezeichnet werden, daß darin ausschließlich oder auch nur zum größeren Theile über Ereignisse in der Stadt Augsburg berichtet wird, sondern er ist die Chronik eines Augsburgers, der, ähnlich wie Hector Mülich, alles, was ihm bekannt wurde und der Aufzeichnung würdig erschien, gleichgültig, ob es sich innerhalb der heimischen Mauern, in den Nachbargebieten, in „Welschland“ oder sonst in weiter Ferne zugetragen, in sein Geschichtswerk aufnahm. Von besonderem Interesse sind in diesem die Erzählungen und Nachrichten, welche die Reformationsbewegung – die allgemeine wie die locale – zum Gegenstande haben und erkennen lassen, daß R. ein eifriger Anhänger Luther’s war und die vom Augsburger Rathe dem „Evangelium“ gegenüber eingenommene 1aue, ja manchmal ablehnende Haltung durchaus mißbilligte. Er stand damit im schroffen [303] Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Clemens Sender, dem Mönche zu St. Ulrich, der die „lutherische Sekte“ als neue „Ketzerei“ und Quelle aller Uebel der Zeit verabscheute und verdammte.

Die „Cronica alter und newer Geschichten“ wurde bei der Herausgabe der Chronik des Hector Mülich im III. Bande der Chroniken der schwäbischen Städte in der Gestalt, wie sie in einer Handschrift der kgl. öffentlichen Bibliothek in Stuttgart (Fol. 161) vorliegt, verwerthet, wobei die Zusätze Rem’s theils in den Varianten, theils in einem besonderen Anhang mitgetheilt wurden. Seine Fortsetzung der Mülich’schen Chronik, soweit sie in diesem Codex enthalten ist, fand Aufnahme im IV. Bande der schwäbischen Chroniken, in den Anmerkungen zur Chronik Sender’s und in einem Anhang zu dieser. Die „Cronica newer Geschichten“ ist im V. Bande dieser Chroniken gedruckt; ebenda sind auch jene Stücke des I. Bandes des Rem’schen Chronikwerkes veröffentlicht, die in der Stuttgarter Handschrift fehlen.