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Artikel „Walther, Marx“ von Friedrich Roth in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 791–792, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Walther,_Marx&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 07:01 Uhr UTC)
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Walther: Marx W. gehörte einer aus Donauwörth stammenden Bürgerfamilie an, die ihre Geschichte bis in den Anfang des 14. Jahrhunderts zurückverfolgen konnte und sich in ihrer Heimathstadt außer durch kleinere und größere Stiftungen vor allem durch die Erbauung eines Pilgerhauses und eines Spitales Verdienste erwarb. Ulrich Walther, der Enkel des ältesten nachweisbaren Walther, siedelte nach Augsburg über, vermählte sich mit Barbara Wieland und hatte aus dieser Ehe zwei Söhne, von denen für uns der jüngere, Ulrich, in Betracht kommt. Er erfreute sich unter der Bürgerschaft eines hohen Ansehens, wurde Rathsherr und versah mehrere Jahre das hohe und einflußreiche Amt eines „Baumeisters“. Verheirathet war er mit Barbara Riedler und wurde Vater von zweiundzwanzig Kindern, unter denen unser Marx, geboren 1456, das fünfzehnte war. Als Sohn eines reichen Mannes, der sein ererbtes Vermögen durch Betheiligung an glücklichen kaufmännischen Speculationen bedeutend vermehrt hatte, konnte sich Marx ganz seinen Neigungen widmen, die ihn, wie so viele seiner Standesgenossen, dazu trieben, das Leben und die ritterlichen Gepflogenheiten begüterter Junker nachzuahmen. Insbesondere setzte er seinen Stolz darein, sich in den kleineren „Rennen“ und Turnieren, die in Augsburg zur Fastnacht, bei Hochzeiten und anderen Gelegenheiten gehalten wurden, hervorzuthun, und seine viel bewunderte Körperkraft machte es ihm leicht, auf dem Turnierplatz manch stolzen Gegner, unter ihnen Herzog Christoph von Baiern, einen der gefeiertsten Kämpen seiner Zeit, in den Sand zu strecken. Er erwarb sich dadurch in der Stadt eine gewisse Popularität, auf die er nicht wenig stolz war, und später ließ er sich von einem Maler ein Turnierbuch fertigen, das jetzt in der Münchener Hof- und Staatsbibliothek (Cod. Germ. 1930) aufbewahrt wird. Das erste Stechen Walther’s, das hier dargestellt ist, fällt in das Jahr 1477, das letzte in das Jahr 1489; 1478 und 1481 rannte er zwei Mal, 1485 sechs Mal, in allen übrigen zwischen 1477 und 1489 liegenden Jahren mit Ausnahme von 1486 je ein Mal. Bei seinem Abschied als Turnierer im J. 1489 erschien er, um seine Stärke zu zeigen, mit einem Spieß von solcher Länge und Schwere, daß diesen zwei Wappenmeister auf den Schultern herbeitragen mußten; und als er zu Rosse saß, ließ er zu Aller Verwunderung einen fast vierzehnjährigen Knaben auf die Lanze setzen und ritt so vor dem Stechen ein paar Mal auf der Bahn hin und wieder. Die Bilder dieser Handschrifft, bei denen es hauptsächlich auf eine möglichst realistische Wiedergabe der Rüstungen und Waffen der Kämpfenden sowie der auf den Decken der Rosse angebrachten Embleme und Symbole abgesehen war, geben ein anschauliches Bild der mancherlei Bräuche, die bei den kleineren Turnieren dieser Zeit im Schwange waren. [792] Was W. veranlaßte, sich schon im dreiunddreißigsten Lebensjahre von den Schranken zurückzuziehen, ist nicht bekannt; vielleicht nöthigten ihn dazu die Folgen einer bei einem Stechen erlittenen Verletzung. Seit 1484 war er mit Afra Meuting, die auch einer der reichsten Augsburger Kaufmannsfamilien entstammte, verheirathet, erhielt aber von ihr keine Kinder. Er wurde auch nicht alt, sondern starb schon im J. 1511, nur wenige Jahre nach seinen Eltern, von denen der Vater im J. 1505, die Mutter 1507 im höchsten Alter das Zeitliche gesegnet hatten.

Der Vater hatte in einem Büchlein zusammengestellt, was ihm über seine Vorfahren sowie über die von der Walther’schen Familie in Donauwörth und Augsburg gemachten Stiftungen bekannt geworden war, und sein Sohn Marx schrieb diese Aufzeichnungen mit einigen Ergänzungen Anfangs des Jahres 1506 in sein Turnierbuch ein. Diese Notizen sind insofern werthvoll, als sie zur Familiengeschichte der beiden Reichsstädte, in denen die Walther geblüht, manch willkommenen Beitrag liefern und in ihrem zweiten Theil (Stiftungen etc.) einen eigenartigen Einblick in die rege kirchliche Werkthätigkeit eröffnen, in der die reichen Familien Augsburgs, wie das auch anderwärts der Fall war, noch unmittelbar am Vorabend der Reformation miteinander wetteiferten. Der jüngste Bruder Marx Walther’s, Lucas, vermählte sich im J. 1503 mit Apollonia Mülich, einer Tochter Hektor Mülich’s, und dies wurde vielleicht Anlaß, daß Marx mit des letzteren Augsburger Chronik bekannt wurde, die er während seiner letzten Lebensjahre abschrieb, bearbeitete, ergänzte und fortsetzte. Die Walther’sche Handschrift hat sich in der Augsburger Stadtbibliothek erhalten und ist ausführlich besprochen in der Einleitung zu der Mülich’schen Chronik, die im dritten Bande der „Chroniken der Schwäbischen Städte“ veröffentlicht ist. Dieser Band enthält auch die Zusätze, die Walther zu Mülich machte, und eine genaue Beschreibung seines Turnierbuches nebst den darin eingetragenen genealogischen Aufzeichnungen. Die Walther’sche Fortsetzung Mülich’s ist im vierten Bande der schwäbischen Städtechroniken mitgetheilt. Eine Biographie Marx Walther’s findet sich in Paul v. Stetten’s (des Jüngeren) Lebensbeschreibungen zur Erweckung und Unterhaltung bürgerlicher Tugend (Augsburg 1782), S. 52 ff. Von seinen Geschwistern ist eine Schwester Anna (geboren 1449) hervorzuheben, die 1463 in das Katharinenkloster zu Augsburg eintrat, 1490 dort Priorin wurde und sich durch die Energie, mit der sie den im J. 1498 begonnenen, 1503 beendeten Neubau des Klosters förderte, einen Namen gemacht hat. Gelegentlich des Geschlechterschubes im J. 1538 wurden die Walther in das Augsburger Patriciat aufgenommen.