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Artikel „Reiff, Jakob Friedrich“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 686–687, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reiff,_Jakob_Friedrich&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:15 Uhr UTC)
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Reiff: Jakob Friedrich R., geb. am 23. Decbr. 1810 zu Vaihingen an der Enz, † in Tübingen am 6. Juli 1879, Sohn eines Schneidermeisters[1], besuchte die lateinische Schule seiner Vaterstadt und erhielt 1825–28 seine weitere Ausbildung im Gymnasium zu Stuttgart, von wo er, um Theologie zu studiren, in das Tübinger Stift übertrat. Nach absolvirter Universität leistete er vom Herbst 1833 bis Ostern 1835 Vicarsdienste in Rudersberg im Jaxtkreise, erhielt sodann die Stelle eines Repetenten an den Seminarien zu Maulbronn und Schönthal, und kam im Herbst 1837 als Repetent in das Tübinger Stift, wo er bereits philosophische Vorträge hielt. Nachdem er nur kurze Zeit als Stadtvicar in Stuttgart fungirt hatte, promovirte er 1840 in der philosophischen Facultät zu Tübingen und erhielt am 18. August desselben Jahres die Erlaubniß, Vorlesungen an der Universität zu halten. Die übliche Disputation über die zu diesem Behufe verfaßte Abhandlung „Ueber die wichtigsten Punkte der Philosophie“ fand erst im Januar 1842 statt, nachdem ihm im Herbst 1841 bei H. C. W. Sigwart’s Abgang in stellvertretender Weise ein Lehrauftrag ertheilt worden war (gedruckt wurde die Abhandlung 1843). Am 14. Februar 1844 wurde er zum außerordentlichen und am 9. October 1855 zum ordentlichen Professor ernannt (letzteres war bereits im J. 1850 von der Universität beantragt worden, mußte aber aus Gründen des Etats zurückgestellt werden). Im J. 1877 zwang ihn ein Herzleiden, seinem Berufe zu entsagen, und so erfolgte am 11. Juni seine Pensionirung. – Als Lehrer war er, namentlich in früheren Zeiten, sehr beliebt und hoch angesehen; von fachkundigster Seite wird gerühmt, daß in seinen lebendigen und fesselnden Vorträgen die Sicherheit, mit welcher er die abstractesten Begriffe entwickelte, und die Schärfe seiner hierbei geübten Kritik auf die Zuhörer imponirend wirkten. Seine schriftstellerischen Leistungen fallen eigentlich noch vor die Zeit seiner Lehrthätigkeit. Indem er in seinen Studienjahren die damals herrschende Philosophie Hegel’s genossen hatte, fühlte er sich allmählich abgestoßen, sowohl von der Hegel’schen Methode als auch von der pantheistischen Grundanschauung, und so legte er seinen eigenen Standpunkt in zwei Schriften dar, durch welche er bei den Hegelianern entschiedenes Mißfallen erregte, nämlich: „Der Anfang der Philosophie“ (1840) und „Das System der Willensbestimmungen oder die Grundwissenschaft der [687] Philosophie“ (1842), worauf noch die oben erwähnte Habilitationsschrift folgte. Er lenkte wieder auf die ältere Gestalt der Wissenschaftslehre Fichte’s zurück, indem von dem Uracte der dualistischen Scheidung in Ich und Nichtich auszugehen sei, um zur Aufhebung derselben in der concreten Identität zu gelangen. In diesem Sinne stellte er die Willensbestimmung an die Spitze des Systemes, welches sich gliedert in praktische Philosophie, Naturphilosophie, Metaphysik. Später erschien von ihm nur noch eine Abhandlung „Ueber die Hegel’sche Dialektik“ (1867); verschiedene Arbeiten, welche er beabsichtigt und auch angefangen hatte, wie insbesondere eine Metaphysik, fanden nicht ihre Vollendung.

(Mittheilung aus den Personal-Acten der Tübinger Universität).

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 686. Z. 21 v. o. l.: Sohn eines Schmiedemeisters. [Bd. 29, S. 776]