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Artikel „Reißig, Jakob“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 144–145, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rei%C3%9Fig,_Jakob&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 01:31 Uhr UTC)
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Reißig: Jakob R., Dr. phil., Forstmann, geboren am 1. Januar 1800 auf dem Krähenberge bei Beerfelden (im Odenwald), † am 19. Juli 1860 zu Darmstadt. Sein Vater war Wildmeister in Bullau, woraus sich seine Neigung für das Forstfach und die Wahl des Berufes erklären dürfte. Den ersten Schulunterricht mag er in Bullau, event. dem Elternhause, genossen haben; speciell in Mathematik wurde er in den Jahren 1817 und 1818 von dem Steuerperäquator Heß zu Erbach unterrichtet, unter dessen Leitung er auch die Feldmeßkunde praktisch erlernte. Die forstliche Vorbildung wurde ihm durch seinen Vater und der Forstmeister Embdt zu Theil. Nachdem er sich im Sommer 1821 der vorschriftsmäßigen forstlichen Staatsprüfung in Darmstadt mit vorzüglichem Erfolge unterzogen hatte, wurde er auf seine Bitte im März 1822 zum Accesse beim Secretariat des Oberforstcollegiums vorläufig provisorisch zugelassen. Hier entwickelte er mit der Zeit eine solche Sachkenntniß, Gründlichkeit und überhaupt Geschäftstüchtigkeit, daß ihm sein 1828 vorgebrachtes Gesuch um Uebertragung der Revierförsterstelle zu Schiffenberg (im Forste Gießen) mit dem Bedeuten abgeschlagen wurde, daß er in dem Büreau der Domanial-Forstvermessung nicht zu entbehren sei. Noch im September desselben Jahres wurde er aber mit Gehalt definitiv als Accessist bei der Oberforstdirection angestellt und hauptsächlich mit Bearbeitung der Forsteinrichtungssachen betraut. Durch Rescript vom 7. September 1832 rückte er zum Oberforstsecretär auf, und am 3. Februar 1849 erfolgte seine Beförderung zum Ministerialsecretär bei dem großherzoglichen Ministerium der Finanzen mit dem Range eines wirklichen Collegialrathes. Diese Stelle bekleidete er bis zu seinem Tode. Von seiner außergewöhnlichen Berufstreue, Gewissenhaftigkeit und seinen ersprießlichen Diensten zumal im Gebiete des Forstvermessungs- und -taxationswesens geben die Acten und die ihm während seiner amtlichen Thätigkeit mehrfach zu Theil gewordenen Besoldungszulagen und Remunerationen Zeugniß. Er widmete sich dem schriftlichen Dienste mit einem seine Gesundheit schädigenden Eifer (1846 warf ihn eine Krankheit längere Zeit auf das Schmerzenslager) und führte auch zahlreiche Forstvermessungen, Waldtheilungen und Forsttaxationen mit ausgezeichnetem Erfolge durch. Abgesehen von diesem musterhaften Verhalten machte ihn auch seine bewährte streng conservative politische Gesinnung zu einer festen Stütze im staatlichen Organismus. R. war von Haus aus ein ungemein scharfer Kopf, zumal ein guter Mathematiker, gleichzeitig aber auch ein äußerst gründlicher [145] Beobachter der Natur, insbesondere der kleinen Insectenwelt. Daneben zeichnete ihn ein höchst praktischer Sinn aus, welchen er durch Erfindung und Verbesserung von Apparaten der verschiedensten Art (Insectenfangapparate etc.) bethätigte. Schon 1820 veröffentlichte er (gemeinschaftlich mit Tenner und Reutzel) „Tafeln zur Berechnung der Coordinaten ohne Logarithmen bei Gemarkungs-, Flur- und Gewann-Vermessungen, sowie bei Forstvermessungen und Wasserwägungen mit dem Theodolit“; mit 2 lithographirten Tabellen. Diese Tafeln entsprachen einem dringenden Bedürfnisse und fanden in sachverständigen Kreisen so großen Anklang, daß sie nicht nur alsbald in Hessen, sondern auch in fünf Regierungsbezirken Preußens und in den Niederlanden eingeführt wurden. Eine zweite noch heute im Gebrauche befindliche Auflage erschien 1854. Die Holzmeßkunde verdankt ihm eine wesentliche Verbesserung der Baumkluppe, indem er die Trapezform für den Maßstab und eine auf diesen drückende Feder behufs Regulierung des Ganges einführte, sowie eine Vorrichtung ersann, welche bezweckt, den Durchmesser eines Baumschaftes oder runden Holstückes durch einmaliges Anlegen der Kluppe alsbald nach zwei rechtwinkelig sich kreuzenden Richtungen abzumessen (vgl. G. v. Wedekind, Neue Jahrbücher der Forstkunde, 32. Heft. Darmstadt 1846, S. 1–8). Außerdem construirte er ein Xylometer, welches allen späteren bezüglichen Instrumenten gewissermaßen als Grundform diente (vgl. daselbst, S. 9–22). – Seine oben erwähnten entomologischen Kenntnisse und Vorliebe für die Insecten brachte ihn in nähere Berührung mit Ratzeburg, welcher ihn in seinen entomologischen Werken, namentlich in demjenigen über die Ichneumonen, häufig citirt hat. Von seine selbständigen Veröffentlichungen auf diesem Gebiete sind zu erwähnen die beiden Abhandlungen: „Ueber das Herauskommen der Tachinen aus ihren Tönnchen und aus dicht verschlossenen Orten, an welchen diese oft sich befinden“ (Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte, Jahrg. 21 im 1. Bande, 1855, S. 189–196) und „Die Lerchenmotte, „Coleophora laricella Hb.“ (aus seinem litterarischen Nachlasse in der Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen, 1. Band, 1869, S. 129–137). Ratzeburg bezeichnet die letztgenannte Abhandlung als „ein Meisterstück gewissenhafter und genauer Untersuchungen, um so mehr, als das Thierchen zu den kleinsten, der Wahrnehmung sich leicht entziehenden Insecten gehört und vor R. nur mangelhaft beschrieben war“. Seine Bemühungen um die Zucht und Erforschung der Lebensweise der für die Forsten so überaus wichtigen Familie der Ichneumonen haben insofern einen äußeren Ausdruck gefunden, als einer von ihm erzogenen, bis dahin noch unbekannten, interessanten Schlupfwespe von Ratzeburg der Name „Pimpla Reissigii“ beigelegt wurde. Von seinen reichen Sammlungen kamen die Mikrolepidopteren (Motten) in Privatbesitz nach Darmstadt, während der größte Thiel der sonstigen Insecten und bezüglichen Präparate nebst zahlreichen Notizen über Vorkommen, Verbreitung, Lebensweise und Zucht dem Senckenbergischen Stifte zu Frankfurt a. M. einverleibt wurde. Reißig’s Verdienste um die Forstwissenschaft und die Hebung des vaterländischen Vermessungs- und Forstwesens sind leider – wol infolge seines einfachen Wesens und schlichten Charakters – nicht so in die Oeffentlichkeit gedrungen, als sie es eigentlich verdienen.

Scriba, Biographisch-litterärisches Lexikon II, S. 579. – Grunert, Forstliche Blätter, 2. Heft, 1861, S. 87 (Entomologische Miscellen, 1). – Ratzeburg, Forstwissenschaftliches Schriftsteller-Lexikon, S. 434. – Grunert und Borggreve, Forstliche Blätter, N. F., 1879, S. 368, Anmerkung (von Braun). – Heß, Lebensbilder hervorragender Forstmänner etc., 1885, S. 286. – Dienstacten und Privatmittheilungen.