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Artikel „Rathmann, Heinrich“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 355–357, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rathmann,_Heinrich&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 18:42 Uhr UTC)
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Rathmann: Heinrich R., evangelischer Prediger und Schriftsteller, geboren zu Neuen Gamme in den hamburgischen Vierlanden am 10. Januar 1750, † zu Pechau bei Magdeburg am 14. März 1821. Rathmann’s Vater war ein mäßig begüterter Bauer und Oelmüller, der mit den Seinigen den alten Wohnort [356] verließ, weil die tödtlich endende Mißhandlung eines Sohnes durch den rohen Dorfschulmeister ihm den Aufenthalt daselbst verleidete. Er zog in das benachbarte Städtchen Bergedorf und legte einen Kramladen an, wobei sich aber die wirthschaftlichen Verhältnisse verschlechterten. Erschwerte dies auch dem von Kindesbeinen an wißbegierigen, strebsamen Sohne Heinrich die wissenschaftliche Ausbildung, so nahm sich doch der wackere Rector Mascho zu Bergedorf des Knaben an und gab ihm besonderen Unterricht in den alten Sprachen. So vorbereitet bezog er Ostern 1768 die Universität Halle, wo er sich, da auch bald der Vater starb, durch Unterrichten am Waisenhause und Privatstunden die Mittel zum Studium verdienen mußte. Schon 1771 wurde ihm am Pädagogium ein öffentliches Lehramt anvertraut. Nachdem er dann von 1774–77 ein beschwerliches Doppelamt als Rector und Diakonus zu Neuhaldensleben verwaltet hatte, berief ihn das Vertrauen des Abts und Generalsuperintendenten Resewitz zum Prediger und Oberlehrer der Schule zu Kloster Berge bei Magdeburg, als welcher er sechszehn Jahre mit großer Hingebung und Erfolg wirkte. Auch die Leitung des mit dieser Schule verbundenen Lehrerseminars war ihm übertragen. Seit dem Jahre 1793 war er dann bis zu seinem Ende Prediger und Seelsorger der vereinigten Gemeinden Pechau und Calenberge, Magdeburg gegenüber rechts der Elbe. Stets von seinen Oberbehörden und Amtsgenossen geehrt, wurde R. 1798 mit der Kirchen- und Schulinspection des zweiten Jerichow’schen Kreises betraut und versah diese Aufgabe seit 1806 ganz allein. Um diese Zeit erhielt er auch den Titel Superintendent und wurde bei Errichtung der preußischen Consistorien 1816 Consistorialrath. Zweimal – in den Jahren 1780 und 1797 – vermählt, wurden ihm nur in seiner zweiten Ehe drei Söhne geboren, die sammt ihren Nachkommen zumeist in geistlichen und richterlichen Aemtern wirkten und bezw. noch wirken. – Da R., in einfachen bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen, das wissenschaftliche Studium aus starkem angeborenen Triebe und den geistlichen Beruf aus innerlicher Neigung und Ueberzeugung ergriffen hatte, so gab sich auch in seiner amtlichen Wirksamkeit eine ursprüngliche Kraft und Frische segensreich zu erkennen. Diese Regsamkeit bekundete sich aber auch im Gedankenaustausch mit gleichstrebenden Freunden in der von ihm vor nun über hundert Jahren mitbegründeten, noch fortbestehenden, immer aus zwölf Mitgliedern zusammengesetzten wissenschaftlichen Mittwochsgesellschaft, der „Lade“, an der z. B. Gleim, der R. sehr schätzte, theilnahm und zu dem Köpken, Funk, Rolle, der berühmte Kanzelredner Propst Hanstein in Berlin, Basedow u. a. gehörten. Wurde hier auch, dem Geiste der Zeit entsprechend, theilweise ein etwas überschwenglicher Freundschaftscultus getrieben, so war doch diese Gesellschaft eine wissenschaftlich und geistig keineswegs unfruchtbare. Selbst mit dem Freundschaftsvirtuosen Gleim unterhält sich R. über die Rochow’schen und Basedow’schen Bestrebungen auf dem Gebiete des Schulwesens, wofür er von Jugend auf ein feuriges Interesse bekundete. Diesem und seinem langjährigen Verkehr mit Basedow verdanken wir die äußerlich zwar nicht sehr umfangreichen, aber für das Verständniß dieses merkwürdigen Bildungsstürmers überaus wichtigen „Beyträge zur Lebensgeschichte Joh. Bernh. Basedow’s aus seinen Schriften und aus andern ächten Quellen gesammelt“, Magdeburg 1791. Ohne diese verständnißvollen, wenn auch zuweilen von allzu vortheilhafter Auffassung getragenen Mittheilungen würde uns ein wesentliches Hülfsmittel zum Verständniß Basedow’s und seiner Unternehmungen fehlen. Das wissenschaftliche Hauptwerk Rathmann’s aber ist seine „Geschichte der Stadt Magdeburg“, die von Anfang darauf angelegt bis zur Gegenwart fortgeführt zu werden, in vier Bänden doch nur bis zum Jahre 1680 und zum Uebergange der Stadt an Brandenburg-Preußen gedieh. Die Bände erschienen 1800, 1801, 1803, der vierte in zwei Hälften 1806 und [357] 1816. Zwischen diesen Jahren lag die französische Fremdherrschaft und von 1813–14 eine Zeit schwerer Heimsuchung während der Belagerung des Pechau nahe benachbarten Magdeburg. Dieses Werk ist die Frucht einer langen sorgfältigen Vorbereitung, die mittelbar sogar bis auf die Zeit seines Hallischen Lehramts, bei welchem er den Geschichtsunterricht auf der obersten Stufe ertheilte, zurückreicht. Wenn auch kein archivalisches Quellenwerk im engsten Wortbegriffe, ist es doch mit getreuer sachkundiger Benutzung aller dem Bearbeiter zugänglichen Hülfsmittel, worüber er in den Vorreden Auskunft gibt, ausgeführt. Er bot damit zum ersten Male eine zusammenhängende, gut lesbare und heute noch werthvolle Darstellung dieser merkwürdigen Stadtgeschichte. Anerkennung verdient neben der geschickten Sichtung der Hülfsmittel das ernste Bestreben nach Wahrheit und Richtigkeit. Der Verfasser läßt statt eigner Betrachtung die Quellen, die er gewissenhaft anführt, möglichst selbst reden. Mit Recht empfiehlt die anerkennende Beurtheilung von Bd. 2 u. 3 in der Allgem. Deutschen (Nikolai’schen) Bibl. (Bd. 96, 2, 365) Rathmann’s Werk den Schriftstellern im historischen Fach als Muster der Gewissenhaftigkeit. Mit Uebergehung der von ihm herausgegebenen Predigten und Aufsätze in verschiedenen Zeitschriften und in Ersch u. Gruber’s Encyklopädie und einer kurzen Zusammenfassung der Hauptereignisse von Magdeburg im 18. Jahrh. ist noch seine schätzbare 1812 erschienene „Geschichte der Schule zu Kloster Berge“ zu erwähnen. In kürzerer Gestalt war dieselbe schon im August 1790 in der Deutschen Monatsschrift veröffentlicht. Mit dem Kopfe ein echtes Kind der Aufklärungszeit, wußte doch R. auch den Segen und die guten Seiten des Pietismus, vornehmlich aber einen A. H. Francke und den Bergischen Abt Steinmetz, zu schätzen und zu verehren. – Die Absicht der sehr zahlreichen Freunde und Verehrer Rathmann’s, ihm in Magdeburg ein größeres Denkmal zu errichten, gelangte nicht zur Ausführung, wohl aber bewahrt die Erinnerung an ihn sein Bild im Sitzungsaale des dortigen Magistrats. Ein besseres, von Sieg in Oel gemalt, befindet sich im Besitze eines Enkels, des Geh. Justiz- und Kammergerichtsraths H. Rathmann in Berlin.

Vgl. Heinrich Rathmann. Eine biogr. Skizze vom Superint. Abel in den Sächs. Provinzial-Blättern, herausgeb. von Joh. Carl Müller. 2. Bd. July bis December 1821. Erfurt, S. 118–133, auch Sonderschrift desselben Erfurt 1822. – Briefe Rathmann’s an Gleim in der Gleim’schen Familien-Stiftung zu Halberstadt und briefliche Familiennachrichten. Die Nachrichten über die Herkunft sind vom Consistorialrath H. Rathmann in Wernigerode an Ort und Stelle ermittelt. Magdeb. Geschichtsblätter, 23. Jahrg. (1888) S. 292–323.