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Artikel „Rasche, Christoph Ludwig“ von Heskel. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 205–209, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rasche,_Christoph_Ludwig&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 09:14 Uhr UTC)
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Rasche: Christoph Ludwig R., geboren im J. 1584 zu Magdeburg als Sohn des gräflich Barbyschen Geh. Raths und Kanzlers Andreas Rasche, bezog schon im 13. Lebensjahre die Universität zu Helmstedt. Er setzte seine Studien fort zu Marburg, Heidelberg und Basel, begab sich alsdann nach Frankreich und Italien und nahm fünf Jahre lang Kriegsdienste bei der Republik Venedig. Nach seiner Rückkehr in die Heimath widmete er sich in [206] Frankfurt a. O. aufs neue gelehrten Studien, bis er von dem Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg verpflichtet ward. Vermählt mit der Wittwe des kurbrandenburgischen Geh. Raths Dr. Schwalenberg, scheint er als Kammer-Secretär und Geheimer Rath einen nicht geringen Einfluß am Berliner Hofe ausgeübt zu haben. Als hier im J. 1616 der schwedische Agent Birckholtz das schon im Vorjahre von ihm angeregte Heirathsproject zwischen Gustav Adolf und der brandenburgischen Prinzessin Maria-Eleonora wieder aufnahm, ließ sich R. ganz für diesen Plan gewinnen, den er dann in der Folgezeit auf das eifrigste zu fördern suchte. Doch stieß diese Verbindung auf jahrelangen Widerstand, zumal von Seiten der Kurfürstin Anna, bis der Schwedenkönig sich im Sommer 1620 zur Brautschau und -werbung im strengsten Incognito zu Berlin einfand. Nur einige wenige Personen waren in das Geheimniß eingeweiht; zu ihnen gehörten R. und Frau, in deren Wohnung am Abend des 27. Juni in Gegenwart des Königs eine lange Berathung über die einzuschlagenden Schritte gepflogen wurde. Am zweiten Tage darauf war die Verlobung geschlossen, und als einige Monate später der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna die Braut in die neue Heimath einholte, da folgte ihr auch R., um, wie er noch 1635 der Königin-Wittwe schrieb, den Anschlägen derer zu entgehen, die diesem Heirathsbunde widerstrebt hatten. Der König aber lohnte Rasche’s Bemühungen, indem er ihn während der Hochzeitsfeierlichkeiten zum Ritter [auf Sagnitz und Valck (Sebuy und Nockeby?)] schlug.

Und die Gunst des neuen Herrn hat sich R. dauernd zu erhalten gewußt; in dem folgenden Jahrzehnt wurde er immer wieder, nachdem er schon im J. 1622 zum Hofrath, später auch zum Kriegsrath ernannt worden war, zu diplomatischen Missionen verwandt, meist an deutsche Städte und Höfe und an Dänemark. So weilt er im J. 1623 in Danzig, wo er die „Hundertmänner“ durch die Forderung, „zur Zeit des Krieges und Stillstandes zwischen beiden Königen von Polen und Schweden eine gänzliche Unparteilichkeit zu beobachten“, in große Verlegenheit bringt. In den letzten Monaten des Jahres 1624 und in der ersten Hälfte des folgenden Jahres wirkt er, der damals von Oxenstierna als „morum aulicorum peritissimus et plerisque principum civitatumque consiliariis familiariter notus“ bezeichnet wird, bald in Lübeck und Stettin, bald am brandenburgischen und den mecklenburgischen Höfen im Interesse Schwedens, zu einer Zeit, wo anfangs alles sich so anzulassen schien, als ob der Schwedenkönig binnen kurzem als „Director“ eines großen antikaiserlichen Bundes in den deutschen Krieg eingreifen würde, bis dann nach Chemnitz’ Worten Christian IV. „den Vortanz“ übernahm und Gustav Adolf sich aufs neue gegen Polen wandte. Im Herbst 1626 erscheint R. wieder in Norddeutschland, wo er, wenn auch ohne Erfolg, Herzog Bogislav von Pommern zu bewegen sucht, dem von Schweden geworbenen Volk den Durchzug durch sein Land zu gestatten. Auf die Verträge mit Polen, so bringt er vor, sei jetzt, „wo man katholischerseits consilium Tridentinum zu exequieren gedenke“, keine Rücksicht mehr zu nehmen. Mancherlei Aufträge scheinen ihn dann ununterbrochen bis tief in das Jahr 1627 hinein in Deutschland festgehalten zu haben; u. a. tritt er damals wiederholt, wie auch schon in den vorhergehenden Jahren, in Hamburg und Lübeck auf. Als dann im October nach Schweden die Kunde dringt, daß die kaiserliche Armee Jütland überfluthet hat, und Gustav Adolf immer mehr die Ueberzeugung gewinnt, daß ein Kampf zwischen ihm und dem Hause Habsburg unvermeidlich sein werde, da wird R. zusammen mit Karl Baner nach Dänemark abgeordnet, um es in Hinblick auf ein mit Schweden zu vereinbarendes Bündniß zu [207] männlichem Widerstande zu ermuthigen. Bekanntlich haben die weiteren Verhandlungen im April 1628 zu einem Vertrage zwischen beiden Mächten geführt, jedoch, wie man vermuthen muß, ohne tiefgreifende Mitwirkung Rasche’s. Jedenfalls ist dieser zur Zeit des Abschlusses schon wieder mit einer neuen Aufgabe betraut.

Denn inzwischen hatte der Kaiser im Einverständniß mit Spanien den Hansestädten „ein newes modell einer hiebevor ganz ungedachten unndt unerhörten, auch unvermutheten societät, geselschaft unndt conjunctur oder correspondentz der commercien halber beybringen unndt insinuieren lassen“. So drückt sich R. im Eingange seiner, Ende April 1628, vier Wochen nach Schluß des Hansetages, der das habsburgische Anerbieten abgelehnt hatte, dem Rathe von Lübeck überreichten Proposition aus, welche die Städte eindringlich vor jenen Anschlägen warnt und zu einem engen Anschlusse an Schweden auffordert. Im September erfolgte die Resolution, in der die Hansestädte zwar mittheilen, daß sie die kaiserlich-spanischen Vorschläge abgelehnt haben, sodann aber ihrer Friedenssehnsucht Ausdruck geben; ihre letzte Hoffnung stehe freilich bei Schweden. Michael v. Menzel, Tilly’s rühriger Correspondent in Hamburg, schreibt den habsburgischen Mißerfolg fast einzig und allein R. zu; immer wieder weist er in diesen und den folgenden Monaten auf die höchst bedrohlichen Umtriebe des schwedischen Legaten warnend hin. Er und Foppius von Aitzema seien mit Erfolg am Werke, die Städte in das geplante umfassende Bündniß der protestantischen Großmächte hineinzuziehen; schon werde in Lübeck, Hamburg und Bremen stark für Schweden geworben.

So richten denn auch Wallenstein und Tilly am 29. November d. J. ein gemeinsames Schreiben an Lübeck, in welchem sie Rasche’s Ausweisung fordern, da er „nicht allein den gemeinen Mann durch erdichtete falsche Kalumnien zur Sedition und Aufruhr anreize, sondern auch unterschiedliche hochstrafbare Famosschriften in offenen Druck ausgesprengt und darinnen die Röm. Kais. Majestät sammt deroselben hohen Kriegsoffizieren sowohl als insgesammt alle geist- und weltliche in- und außerhalb des Heil. Röm. Reichs entsessene katholische Potentaten und Stände aufs greulichste traducirt habe“. Unzweifelhaft sind die Feldherrn durch den obengenannten Menzel zu ihrem Vorgehen veranlaßt worden, der in einem Schreiben an Tilly vom 16. October von der Drucklegung „eines gefährlichen Scriptums zur Erregung einer neuen Rebellion, darin Friedland ehrenrührig angegriffen“, berichtet und am 21. desselben Monats seine Meldung dahin ergänzt, daß „der holländische Resident die res colligirt, der schwedische Abgesandte Rasch aber das Scriptum stilisirt und der schwedische residirende Agent in Hamburg“ es habe drucken lassen. Gemeint ist der „Hansische Wecker“, den Tilly vier Tage später seinem Kurfürsten übersendet. Ob R. in der That der Verfasser dieser Flugschrift gewesen ist, muß zur Zeit noch dahingestellt bleiben, obwohl manche gewichtige Gründe für eine solche Annahme sprechen. Kaum aber läßt sich bezweifeln, daß eine andere, vom 16. November 1628 datirte Broschüre, der „Nachklang des Hansischen Weckers“, der Feder Rasche’s entflossen ist, wie denn wiederum Menzel, freilich erst in seinen Berichten vom 23. Februar und 7. März 1629, dies bezeugt. Mit Recht hat man den Nachklang „vielleicht die wichtigste und interessanteste Flugschrift jener Zeit“ genannt. Mit eindringlichen Worten werden die Hansestädte zur Mannhaftigkeit aufgerüttelt; beißender Spott und ingrimmiger Hohn geben dem Verfasser die Worte ein, wenn er die Ursachen des Verfalls des einst so mächtigen Bundes geißelt. „Kurz, es ist diese Broschüre eine kostbare Quelle für die politische Geschichte jener Zeit, unschätzbar für eine Charakteristik der öffentlichen Meinung, ein glänzender Vertreter eines wichtigen [208] Zweiges der Literatur“, so faßt ein guter Kenner unserer Periode sein Urtheil über den „Nachklang des Hansischen Weckers“ zusammen und legt damit ein beachtenswerthes Zeugniß für Rasche’s politische und schriftstellerische Begabung ab.

Kaum hatte dies sein Geisteskind seine erste Wirkung gethan, da kehrte R. (im Winter 1628/29) über Dänemark nach Schweden heim, indem er von Christian IV. den Vorschlag einer persönlichen Zusammenkunft mit Gustav Adolf mitbrachte. Diese fand dann vom 22. bis 25. Februar 1629 zu Ulfsbäck statt, ohne daß es dem Schwedenkönig gelang, Christian für seine Ziele zu gewinnen. Drastisch gab jener in einem Briefe an seinen Kanzler seinem Unwillen über seines Rivalen vermeintliche Schwäche Ausdruck, wobei auch über R. bittere Worte fielen. Aber das Vertrauen seines Herrn hatte dieser doch nicht eingebüßt; denn am 11. (21.) December 1629 werden zu Upsala für ihn Creditive an verschiedene „Potentaten und Republiquen in Europa“ ausgestellt. Im Frühling 1630 weilt R. in den Hansestädten, Ende Juni langt er in Holland an, um sich darauf nach Frankreich zu begeben. In Lyon erreicht ihn ein Befehl zur Rückkehr, der aber in einem, einen Tag vor dem Vertrag von Bärwalde aus diesem Orte datirten Schreiben Gustav Adolf’s zurückgenommen wird. R. wird jetzt angewiesen, sich „propediem ad Principes et Respublicas in instructione nominatas“, d. h. nach Venedig und zu den Eidgenossen zu begeben. Während wir über Rasche’s Mission in den Generalstaaten und in Frankreich bisher nur auf Andeutungen angewiesen sind, haben wir hinreichende Kenntniß von seinen Verhandlungen in der Lagunenstadt und in der Schweiz. Am 30. Juli 1631 fand in geheimer Sitzung des Collegio die Antrittsaudienz vor dem Dogen statt, und erst am 4. September verabschiedete sich R. Wie unbefriedigend aber für Schweden und für ihn selbst die Ergebnisse seiner monatelangen Bemühungen gewesen sind, erhellt zur Genüge aus Rasche’s bei der letzten Zusammenkunft ausgesprochenem Wunsche: es möge die Republik nicht dermaleinst in die Lage kommen, sich nach dem zu sehnen, was sie jetzt verschmäht habe. Und nicht besser erging es dem Legaten in der Eidgenossenschaft. Alle seine Anträge, die anfangs an die Tagsatzung der sämmtlichen 13 Orte, dann zumeist nur an die evangelischen Orte gerichtet waren, vermochten die Schweizer nicht dahin zu bringen, aus ihrer Neutralität herauszutreten. Schon soll Gustav Adolf über den „außerordentlichen Gesandten in Permanenz“ gespottet haben, als dieser sich Mitte Juli 1632 auf den Weg nach Deutschland machte. Ueber Ulm gelangte er nach Erfurt, wo wir ihn im Todesmonat seines Königs antreffen. Ob er sich diesem gegenüber noch persönlich über seine letzten Mißerfolge hat rechtfertigen können, steht dahin. Jedenfalls aber hat sich der nunmehrige Leiter der schwedischen Politik, Axel Oxenstierna, der Person Rasche’s weiter bedient. Wie Menzel dem Kurfürsten Maximilian berichtet, unterhandelte R. im Herbste 1633 mit den Hansestädten über ihren Beitritt zum Heilbronner Bündniß. Auch wurde er zum Assessor des Evangelischen Bundes und zum bevollmächtigten Legaten bei der im niedersächsischen und westfälischen Kreise stehenden Armee ernannt.

Aber Rasche’s Stern neigte sich dem Untergange zu. Mit dem schwedischen Residenten in Erfurt, Alexander Erskein, und dem Feldmarschall Johan Baner gerieth er in einen heftigen Zwist, der ihn veranlaßte, den Dienst zu quittiren und sich mit seiner Familie Ende 1635 auf dem in der Nähe von Bremen gelegenen Hofe zu Walle niederzulassen. Die Anklagen seiner Gegner scheinen dahin gegangen zu sein, daß R. sich zum Nachtheil der Krone Schweden bereichert und sich in dem ihm anvertrauten Amte ungebührlich und hochfahrend [209] benommen, ja, daß er die feindlichen Unternehmungen begünstigt und einer „mörderischen Conspiration“ gegen Baner nicht ferngestanden habe. Von beiden Seiten wurde Oxenstierna angegangen; er stellte sich gegen R. Da begab sich dieser im J. 1637 nach Schweden, wo er aber länger, als er erwartet hatte, zurückgehalten wurde. Eine Zeitlang wurde er sogar festgesetzt, bis er im J. 1638 auf Beschluß des Reichsraths, der sich zu wiederholten Malen mit seiner Sache befaßt hatte, gegen eine hohe Kaution auf freien Fuß gesetzt wurde: vor Austrag der Angelegenheit sollte er Schweden nicht verlassen. Erst im Winter 1640/41 kehrte er nach Deutschland zurück. Kaum aber hatte er seinen Hof zu Walle wieder bezogen, da wurde er (Mai 1641) von einer Streifpartie des kaiserlichen Heeres aufgehoben und drei Jahre lang von Ort zu Ort geschleppt; als er 1644 gegen schweres Lösegeld die Freiheit zurückerhielt, war er ein kranker und gebrochener Mann. Schon am 22. November 1645 verschied er; seine Ruhestätte fand er in der Waller Kirche. Ueberlebt hat ihn nur ein Sohn, Namens Gustav, der einer zweiten Ehe entstammte, die R. nach dem während seiner großen Gesandtschaftsreise aus den Jahren 1630–32 erfolgten Tode seiner ersten Frau mit der Wittwe des zu Ermsleben und Conradsburg erbgesessenen Herrn August v. Hoym, geborenen Schulenburg v. d. Leucknitz, im J. 1634 eingegangen war.

Zeit – arbeitselig Menschen-Leben u. s. w. Trauerpredigt beim Leichenbegängnis des Herrn Christoph Ludwig Raschen u. s. w., durch Ludov. Crocium. Bremen, bei Berth. de Villiers 1646. – Bremisches Jahrbuch, Bd. 11, S. 6 ff. – G. Irmer, Hans Georg von Arnim (Leipzig 1894), S. 15 ff. – F. Arnheim, Gustav Adolfs Gemahlin Maria-Eleonora von Brandenburg. I. (Hohenzollern-Jahrbuch 1903, S. 186 ff.). – J. Bühring, Venedig, Gustav Adolf und Rohan (Halle 1885), S. 52 ff. – F. Fäh, Gustav Adolf und die Eidgenossen 1629–1632 (Progr. Basel, 1887). – M. Grünbaum, Ueber die Publizistik des 30jährigen Krieges von 1626–1629 (Halle 1880). – Axel Oxenstiernas skrifter och brefvexling (Stockholm 1888 ff.) – Svenska riksrådets protokoll (Stockholm 1878 ff.). – Rasche’s Briefe an Gustav Adolf und Axel Oxenstierna im Reichsarchiv zu Stockholm. (Vgl. Sondén, Förteckning öfver bref till konung Gustav II. Adolf i riksrakivet, S. 54, u. desselben Verfassers Skrifelser till Axel Oxenstierna, S. 179.) – Rasche’s Nachlaß (Staatsarchiv Hannover). – Menzel’s Relationen (Reichsarchiv München).
Heskel.