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Artikel „Roeser, Jacob von“ von Julius Pagel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 236–237, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%B6ser,_Jacob_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 23:38 Uhr UTC)
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Roeser: Jacob von R., Arzt, wurde als ältester Sohn des kurfürstlich kölnischen Hofraths und Leibarztes Dr. Maximilian Justin R. in Mergentheim bei einer vorübergehenden Anwesenheit seiner Eltern während einer Dienstreise in Ellingen in Baiern am 3. Juni 1799 geboren. Seine vorbereitende Bildung erhielt er am damaligen Lyceum in Mergentheim, von wo aus er schon im jugendlichen Alter von 16 Jahren die Universität Würzburg zum Studium der Medicin bezog. Hier waren besonders Schoenlein und Textor seine Lehrer. Später setzte er seine Studien in Tübingen fort, promovirte 1819 mit einer gemeinschaftlich mit Christian Gmelin, der gerade seine Disputation als Lehrer der Chemie hielt, bearbeiteten Abhandlung: „Analysis chemica petalitis et chemica novi alcali, lithionis disquisitio“ und bestand noch in demselben Jahre die Staatesprüfungen mit großem Erfolge. Einer schon früher während der Lyceal- und Studentenzeit bestandenen Neigung zum Reisen folgend, begab er sich auch jetzt auf größere Reisen, speciell zu seiner weiteren wissenschaftlichen Ausbildung. Er besuchte Paris, London, Berlin und später auch Wien, überall mit Studien an den Krankenhäusern beschäftigt und besonders in Paris unter Laënnec, der ihm die Lehre der Auscultation beibrachte, eine Untersuchungsmethode, die R. wohl als der Erste in Württemberg in ausgedehntem Maße am Krankenbette übte, und in der er sich allmählich eine bewunderungswürdige Schärfe und Sicherheit erwarb. Nach Mergentheim zurückgekehrt practicirte er dort einige Zeit unter Leitung seines als Arzt vielerfahrenen und beliebten Vaters, bis er im Jahre 1823 von dem damaligen Fürsten Karl August Theodor zu Hohenlohe-Bartenstein als Leibarzt mit dem Titel Rath und später Hofrath angestellt wurde. In demselben Jahre verheirathete er sich mit seiner Base, die aber schon nach fünfjähriger Ehe 1828 im Kindbettfieber starb. Um seinen Gram über das zerstörte Familienglück zu mildern, widmete er sich von jetzt ab neben seiner ausgedehnten praktischen Thätigkeit auch litterarischen Arbeiten und erlangte dadurch einen so großen Ruf, daß er auch außerhalb der Grenzen seines engeren Wirkungskreises zu weit entfernt wohnenden Patienten als berathender Arzt hinzugezogen wurde. 1834 unternahm er eine größere Reise nach dem Orient, hielt sich 1ängere Zeit bei seinem jüngeren Bruder Bernhard, Leibarzt des Königs Otto von Griechenland, in Athen auf, begab sich darauf nach Egypten und Syrien, widmete sich während eines Aufenthalts in Jerusalem in unverdrossener und aufopfernder Weise der Behandlung Pestkranker, was ihm verschiedene Ordensauszeichnungen (Ritterkreuz des heiligen Sylvester, des heiligen Kriegerordens und später den griechischen Erlöserorden) einbrachte. Seine interessantesten Wahrnehmungen auf dieser Reise veröffentlichte er in einer kleinen Schrift „Ueber einige Krankheiten des Orients“ (Augsburg 1837); außerdem schrieb er: „Tagebuch meiner Reise nach Griechenland, in die Türkei, nach Aegypten und Syrien“ (Mergentheim 1836). Ein halbes Jahr nach seiner Rückkehr erkrankte R. an einem sehr schweren perniciösen Wechselfieber, genas aber wieder, verheirathete sich 1853 zum zweiten Mal, machte eine Reise nach Frankreich und Spanien, begann aber 1856 zu kränkeln und blieb seitdem bis auf kurze Unterbrechungen fortwährend leidend. Nachdem er sich mehrfach eingreifenden Operationen ohne Erfolg unterworfen hatte, starb er am 25. April 1862. R. war ein ganz ausgezeichneter Praktiker. Er besaß alle für seinen Beruf nöthigen Eigenschaften und Vorzüge: liebenswürdige und Vertrauen erweckende Persönlichkeit, gewandten Tact im Umgang, [237] Sicherheit im Auftreten, allgemeine und fachwissenschaftliche Ausbildung und eine nie versiegende Liebe zu seiner Kunst. Außerordentliche Tüchtigkeit legte R. bei chirurgischen und geburtshülflichen Leistungen an den Tag. Hierin wie in den übrigen Zweigen der Medicin hielt er sich stets auf der Höhe der Wissenschaft. Noch in seinen letzten Lebenstagen ließ er sich zwei Thermometer aus Leipzig kommen, wo Wunderlich damals gerade die Thermometrie am Krankenbette empfohlen hatte. Von seinen zahlreichen litterarischen Arbeiten, über die die nachstehende Quelle die nöthige Information ertheilt, sind besonders verdienstlich und erwähnenswerth die Abhandlungen „Ueber hernia foraminis ovalis incarcerata“ (Jahrb. f. pract. Heilk. 1843; Archiv f. physiol. Heilk. 1846, 51; Würtemberg. Correspondenzbl. 1857, 60), durch welche die Lehre von der Diagnose und der Taxis dieser besonderen Form des Bruches wesentlich vervollkommnet und gefördert wurde. Lehrreich sind auch Roeser’s „Bemerkungen über Scarlatina“ (Heidelb. klin. Annalen 1830; Jahrb. f. pract. Heilk. 1845) wegen der scharfen Charakterisirung der Scharlachvarietäten und durch die Empfehlung der Anwendung kalter Begießungen in schwereren Fällen. Zahlreiche Aufsätze veröffentlichte R. noch in den Betz’schen Memorabilien, im Württemberger med. Correspondenzblatt, in v. Walther’s und Ammon’s Journal, im Hufelandschen Journal der pract. Heilk., im Archiv f. physiolog. Heilkunst u. v. a. Zeitschriften. Zahlreiche Notizen und interessante Krankengeschichten fanden sich ferner ungedruckt im Nachlasse des Verstorbenen vor.

Vergl. Biogr. Lexikon hervorragender Aerzte etc. Herausgegeben von A. Hirsch, Bd. V S. 59.