ADB:Röder, Karl David August

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Artikel „Röder, Karl David August“ von K. v. Lilienthal. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 590–591, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%B6der,_Karl_David_August&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 21:21 Uhr UTC)
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Röder *): Karl David August R. wurde am 23. Juni 1806 in Darmstadt geboren als Sohn eines höheren hessischen Officiers. Er besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt, ging 1822 zur Universität und trat nach beendeten Studien in den praktischen Staatsdienst seines engeren Vaterlandes ein. Im J. 1830 habilitirte er sich an der Universität Gießen mit einer Abhandlung: „de usuris in futurum acceptis“. Nach Veröffentlichung seiner „Grundzüge der Politik des Rechts. Erster Theil: Einleitung. Allgemeine Staatsverfassungslehre“ (Darmstadt 1837) wurde ihm untersagt, staatsrechtliche Vorlesungen zu halten, obwohl die in dem Buche vorgetragenen Ansichten nichts weniger als revolutionär sind, Verfasser sich vielmehr ausdrücklich als überzeugten Anhänger der monarchischen Staatsform bekennt. R. verzichtete dann auf sein Lehramt und siedelte nach Heidelberg über, wo er 1839 mit einer „Commentatio de quaestione an poena malum esse debeat“ die venia docendi erwarb. Im J. 1842 wurde er zum außerordentlichen Professor, im J. 1879 zum Honorarprofessor ernannt. Am 20. December 1879 starb er zu Heidelberg nach kurzem Krankenlager.

Die Schrift, die ihm sein Gießener Lehramt kostete, und seine Heidelberger Habilitationsschrift kennzeichnen den Kreis seines eigentlichen wissenschaftlichen Interesses: Naturrecht und Reform des Strafwesens. Unter seinen zahlreichen Schriften – eine vollständige Aufzeichnung der in Buchform erschienenen Schriften gibt Teichmann in v. Holtzendorff’s Rechtslexikon III, 1. S. 482 – befinden sich auch einige civilistische, die aber nur als gelegentliche Nebenarbeiten angesehen werden können, während seine staatsrechtlichen Veröffentlichungen durchaus auf dem Boden naturrechtlicher Anschauungen stehen. Hier hat sich R. frühe den Lehren Krause’s angeschlossen, dessen „Vorlesungen über Rechtsphilosophie“ er im J. 1874 herausgegeben hat. In dem „Vorbericht“ zu dieser Ausgabe erwähnt R., daß er nur eine öffentliche Vorlesung (über den Begriff der Philosophie) bei Krause gehört habe, sich aber noch lebhaft des tiefen Eindrucks erinnere, den diese Vorlesung auf sämmtliche Zuhörer machte. Für Röder’s philosophische und politische Anschauungen ist dieser Vorbericht sehr werthvoll, er läßt zugleich deutlich erkennen, was ihn eigentlich an Krause’s Gedanken besonders angezogen hat. Daß er dabei stark unter dem Einflusse seines Freundes Ahrens gestanden haben mag, wie Erdmann (Grundriß der Geschichte der Philosophie II, 701) annimmt, läßt sich aus verschiedenen Stellen seines Hauptwerks schließen. Dieses, „Grundzüge des Naturrechts oder der Rechtsphilosophie“, erschien 1846 in erster, 1860–63 in zweiter ganz umgearbeiteter Auflage. Es theilte das Schicksal der Werke des Meisters, es fand in Deutschland geringe, im Ausland lebhafte Anerkennung. Daß Röder’s hervorragende Begabung nicht auf dem Gebiete systematischer Philosophie lag, wird auch ein billiger Beurtheiler des Buches nicht in Abrede stellen können. Das tritt ebenso in seinen strafrechtlichen Arbeiten deutlich zu Tage. Wenn er hier in seiner Bekämpfung der Vergeltungstheorien zunächst von naturrechtlichen Constructionen ausgeht und seine Besserungstheorie auf sie gründet, so liegt ihm doch vor allem an der praktischen Umgestaltung des Strafrechts und Strafvollzuges, dessen Gestaltung im geltenden Rechte seinem warmherzigen Empfinden als eine sinnlose und deshalb unberechtigte Quälerei des Verbrechers erschien. Das hat ihn nicht müde werden [591] lassen, wieder und wieder gegen die herrschende Richtung anzukämpfen, deren Mängeln er dadurch glaubte abhelfen zu können, daß er Besserung des Verbrechers zum ausschließlichen Strafzweck erhob. Dadurch ist er zum typischen Vertreter der Besserungstheorie in Deutschland geworden, und dadurch hat er sich einen Platz in der Geschichte der Strafrechtswissenschaft gesichert. Sein Streben fand freilich in Deutschland mehr Kritik als Beifall (vgl. z. B. Heinze in v. Holtzendorff’s Handbuch des Strafrechts I, 264, 269 – Laistner, Das Recht in der Strafe, S. 162 – v. Bar, Handbuch des Strafrechts I, 264 f.), und zweifellos scheitert seine Theorie, wie alle Theorien, die ausschließlich nur einen Zweck der Strafe gelten lassen wollen, an ihrer Undurchführbarkeit in der Praxis.

Im engen Zusammenhang mit seinen theoretischen Bestrebungen steht sein Eintreten für die Reform des Strafvollzugs durch die Einzelhaft, das vielleicht die am meisten erfolgreiche Seite seiner Thätigkeit bildet. Hier hat ihm auch die Anerkennung, namentlich der deutschen Strafanstaltsbeamten nicht gefehlt. Im übrigen würdigte auch seine strafrechtlichen Leistungen das Ausland in weit höherem Maße als die Heimath. In Holland (z. B. Moddermann), in Spanien (z. B. Giner), in Italien (z. B. Gabba) hatte er zahlreiche Anhänger und Verehrer, und noch in neuerer Zeit hat ihn der Oesterreicher Vargha mit begeisterten Worten gepriesen (Die Abschaffung der Strafknechtschaft [1896] I, 130). Allerdings fehlte es auch hier nicht an Polemik, insbesondere F. Carrara und A. Buccellati sind seinen Ausführungen über italienische Strafrechtswissenschaft (in der Rivista penale II, 273 ff.) scharf entgegengetreten. (Die Entgegnungen von Carrara [ebenda V, 148 ff.] und Buccellati [ebenda IX, 273 ff.] sind rein polemisch und befassen sich mit den Arbeiten von R. im allgemeinen nicht, enthalten namentlich keinerlei Gesammtwürdigung seiner wissenschaftlichen Persönlichkeit. Die Anführung dieser Artikel bei Teichmann a. a. O. ist deshalb nicht ganz gerechtfertigt.)

Röder’s litterarische Thätigkeit war sehr ausgedehnt; außer seinen selbständig erschienenen Schriften hat er in wissenschaftlichen und populären Zeitschriften des In- und Auslandes zahlreiche Abhandlungen veröffentlicht. Auch in der Tagespresse hat er sich häufig vernehmen lassen. Ein kurzer Nekrolog, der unmittelbar nach seinem Hinscheiden in der (Augsburger) Allgemeinen Zeitung (Nr. 358, 24. Dec. 1879, S. 5272) erschien, erwähnt, daß R. ein eifriger Mitarbeiter des Blattes gewesen sei, und daß ein am 28. u. 29. November 1879 in der „Beilage“ erschienener Artikel: „Zur Geschichte der Kämpfe Spaniens um seine geistige Wiedergeburt“ aus Röder’s Feder stammte.

Eine größere biographische Arbeit über Röder ist nicht vorhanden. Kurze Skizzen geben Strauch in v. Weech, Badische Biographien III, 130–132, v. Lilienthal in: Heidelberger Strafrechtslehrer, 1903, S. 36–38 (Heidelberger Professoren aus dem XIX. Jahrhundert. Heidelberg 1903. I, 238 f.) Der Artikel von Teichmann a. a. O. enthält im wesentlichen bibliographische Angaben.
K. v. Lilienthal.

[590] *) Zu Bd. LIII, S. 419.