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Artikel „Protas von Czernahora“ von Hermann Markgraf in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 668–670, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Protas_von_Czernahora&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 16:40 Uhr UTC)
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Protas von Czernahora, aus dem vornehmen mährischen Geschlechte der Boskowitz, Bischof von Olmütz 1457–1482, war der älteste Sohn des Benes von Czernahora, der schon als Bräutigam im Augenblicke großer Lebensgefahr gelobt hatte, seinen erstgebornen Sohn der Kirche zu weihen. Er studirte zuerst in Wien, wo er sich mit Herzog Primko von Troppau befreundete, ging dann nach Italien, wo er in Padua den humanistischen Kreisen näher trat. Er schloß dort Freundschaft mit Janus Pannonius, dem Schüler Guarino’s und späteren Kanzler des Königs Matthias Corvinus, hatte Galeotto Marzio zum Lehrer in den rhetorischen Künsten, studirte und bewunderte Lorenzo Valla. Er blieb von da ab ein Liebhaber und Mäcen der schönen Wissenschaften. Für die Angabe, daß er, wie sein Freund Primko von Troppau, in deutscher, lateinischer und böhmischer Sprache als glücklicher Dichter aufgetreten sei, fehlen allerdings die Belege. Noch unter Bischof Paul († 1450) ward er zum Domherrn in [669] Brünn ernannt, bald darauf nach dem Tode des Propstes Johann von Göding vom Capitel zu dessen Nachfolger erwählt. Der am 31. Juli 1457 in Wien, wie berichtet wird, durch Gift erfolgte Tod des Bischofs Bohuslaw von Zwola erhob ihn auf den bischöflichen Stuhl zu Olmütz. Er zeigte sich im Gegensatz zu diesem erbitterten Hussitenfeinde und trotz der Stammesfeindschaft der Kunstatte und Boskowitze überraschend schnell geneigt, den nach dem plötzlichen Tode des Ladislaus Posthumus von seiner Partei auf den Thron gehobenen hussitischen Georg von Podiebrad, aus dem mährischen Hause Kunstatt, anzuerkennen. Er war schon bei seiner Krönung und dem vorher geleisteten heimlichen Eide anwesend und half ihm in Mähren die Wege ebnen und den Widerstand der deutschen Städte des Landes besiegen. Er erscheint bald darauf im engsten Vertrauen des Königs und bei den wichtigsten Verhandlungen an seiner Seite. Wie bei seinem Genossen auf dem Breslauer Stuhle, Jost von Rosenberg, überwog auch bei ihm das tschechische Nationalgefühl die kirchlichen und Familiengegensätze; beide Prälaten waren in der Folge eifrig bemüht, den zwar hussitischen, aber wie sie meinten, durch seine Lage und durch seine bereits gemachten Zusagen zur Vereinigung mit der römischen Kirche gedrängten König mit Rom zu versöhnen, um das zerrissene Vaterland unter der Herrschaft eines Tschechen wieder zu einigen (1462–1464); beide haben indeß, als das mißlang und eine immer mächtiger werdende katholisch-deutsche Opposition gegen Georg sich bildete, ihrer kirchlichen Stellung, wenn auch zögernd und mit Bedauern, nach wiederholten Einigungsversuchen, Rechnung getragen. P., der als Olmützer Bischof zugleich Hauscaplan des Königs von Böhmen war, blieb indeß noch länger auf des Königs Seite als Jost; er erscheint noch Ende 1465 als sein Vertrauensmann bei den ersten Zusammenkünften des Herrenbundes; er belagert mit den übrigen mährischen Ständen den Rebell Hinko von Vöttlau in seiner Burg Zornstein, er beräth mit dem König die letzten Anerbietungen, die dieser 1466 in Rom machen ließ, er geht im Frühjahr 1466 als Vermittler zum päpstlichen Legaten nach Breslau und mahnt dort eifrig zum Frieden, wie er andererseits dem König zur Klugheit und Nachgiebigkeit räth. Bei vielen Dingen krieche man unten durch, wenn man nicht darüber könne. Er war selbständigen Geistes genug, um dem Drängen und Drohen der Curie fast zwei Jahre lang Widerstand zu leisten. Ende 1466 ist er noch Mitglied des Schiedsgerichts zwischen dem König und dem Herrenbunde, wenn er auch auf dem Octoberlandtage nicht mehr erschienen war, weil ihm ein Breve vom 27. Mai den persönlichen Verkehr mit dem König formell untersagt hatte. Der Papst hatte ihm bereits die Temporalien gesperrt; im Januar 1467 drohte ihm der päpstliche Legat von Breslau aus sogar mit dem Proceß auf Absetzung. Da er zugleich des Königs einziger Mittelsmann nach Ungarn hin war, war Bischof P. in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund getreten; seine Haltung, sein Entschluß wurden in diesem Augenblicke von geradezu maßgebender Wichtigkeit. Aber Rom hatte inzwischen das letzte Wort gesprochen; am 23. December 1466 war der König gebannt und abgesetzt worden. Vergeblich wandte sich Georg am 25. Februar 1467 noch einmal an den Bischof, ihm alle Wohlthaten, die er und seine Kirche von ihm genossen, vorhaltend und ihn beschwörend, seines Eides eingedenk zu sein. Aber es war doch etwas Anderes, in einem einzelnen Falle der höheren kirchlichen Autorität gegenüber eine eigene Meinung zu haben, auch wol einen Befehl unausgeführt zu lassen, als einem öffentlichen und in feierlicher Form verkündeten Urtheil den Gehorsam zu versagen. Das hieß mit seinem Gewissen eintreten und dem schwersten Vorwurf, dem der Ketzerei, Trotz bieten; und daß Bischof P. etwa an der Ketzerei der Compactaten gezweifelt oder an ihre Berechtigung geglaubt habe, dafür liegt gar kein Anhalt vor. Seine Antwort an den König [670] vom 4. März zeigt, daß er für diesen verloren war, sie stellt sich voll und entschieden auf den kirchlichen Standpunkt. Seitdem ist der Bischof unter den Feinden des Königs; er versammelt die mährischen Katholiken bei sich in Wischau und schließt ein Schutzbündniß mit den dem Tschechenkönig von jeher feindlichen deutschen Städten Mährens. Eine entschlossene Kriegsthätigkeit zu entfalten, war er nicht der Mann, deßhalb litt sein Stift sehr unter den neu ausbrechenden Kämpfen. Dagegen eignete er sich besonders zum Vermittler nach Ungarn hin und wurde schon auf dem großen Katholikentage im December 1467 in Breslau, zu dem er erschienen war, von den Feinden Georgs mit der Mission beauftragt, den König Matthias Corvinus für die Unterstützung der Bündischen zu gewinnen. Dieser sandte ihn dann nach Krakau, um auf der Grundlage einer Vermählung der polnischen Prinzessin Hedwig mit Matthias ein polnisch-ungarisches Freundschaftsbündniß anzubahnen, dessen erste Folge alsdann die gemeinschaftliche Bekämpfung Georgs von Podiebrad sein sollte. Die Ablehnung dieser Anträge trieb P. mit den andern Bündischen ganz in die Arme des Matthias Corvinus; er half diesen im April 1469 zum böhmischen Gegenkönig wählen. In den nun folgenden Kriegsjahren tritt er in den Hintergrund, aber der letzte Versuch einer Einigung zwischen Matthias und Georg im Januar und Februar 1471 geht wieder durch seine Hand. Da indeß König Georg am 22. März desselben Jahres 1471 durch den Tod aus dem wilden Streite abgerufen wurde und die hussitische Partei den schon früher von ihm zum Nachfolger bestimmten polnischen Prinzen Wladislaw zum König wählte, ging Bischof P. noch einmal im Auftrage des Königs Matthias an den Krakauer Hof, um einen friedlichen Vergleich zwischen den beiden Prätendenten herbeizuführen und dabei die vor drei Jahren abgewiesene Brautwerbung zu wiederholen. So lockend auch die Anerbietungen klangen, die Matthias durch ihn machen ließ, blieben sie doch auch diesmal ohne Erfolg (Juli 1471). Der Bischof scheint sich darauf mehrere Jahre lang von den politischen Verhandlungen fern gehalten zu haben, erst als die Erschöpfung beide Prätendenten zur Nachgiebigkeit nöthigte, kam wieder seine Zeit; an den Verhandlungen zu Brünn, Ofen und Olmütz 1478 und 1479 nimmt er hervorragenden Antheil; in seiner Bischofsstadt wurde im Juli 1479 der Friede abgeschlossen, durch den Mähren mit den übrigen Nebenländern der böhmischen Krone unter der Form einer Pfandschaft bei Matthias verblieb, der auch den Königstitel von Böhmen weiter führen durfte, ein Ergebniß, das den patriotischen Mann schwerlich befriedigt hat. Drei Jahre später, am 22. August 1482, starb er siebenzigjährig und fand inmitten des Olmützer Doms unter einem rothmarmornen einfachen Steine die ewige Ruhe.

Vgl. Palacky, Caro, Bachmann und des Verfassers eigne Arbeiten zur Geschichte dieser Zeit.