ADB:Proskowetz, Max Ritter von

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Artikel „Proskowetz, Max Ritter von“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 129–131, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Proskowetz,_Max_Ritter_von&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 07:06 Uhr UTC)
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Proskowetz: Max Ritter von P., Landwirth und Reisender, wurde am 4. November 1851 als zweiter Sohn des namhaften österreichischen Großindustriellen und Parlamentariers Emanuel v. Proskowetz auf dem Familiengute Kwassitz in Mähren geboren. Als Knabe hatte er das Unglück, sich durch einen Sturz die linke Kniescheibe zu verletzen. Jahre lang litt er an den Folgen dieser Verletzung, und erst allmählich gewann er wieder den freien Gebrauch des Beines. Die erzwungene Ruhe benutzte er unter der Leitung tüchtiger Privatlehrer zur Aneignung außergewöhnlich umfangreicher Kenntnisse. Vor allem zeichnete er sich durch ein bemerkenswerthes Sprachentalent aus. Außer seiner Muttersprache beherrschte er das Englische und Französische. Daneben gewann er auch eine weitgehende Fertigkeit im Italienischen, Spanischen, Russischen und Tschechischen. Außerdem verfügte er über eine nicht unbedeutende Geschicklichkeit im Zeichnen und Malen, die er gleichfalls systematisch ausbildete. 1869 bestand er am Schottengymnasium zu Wien die Reifeprüfung und widmete sich darauf an der Wiener Hochschule dem Studium der Rechtswissenschaft, vernachlässigte aber auch, durch reichliche Geldmittel unterstützt, nichts, um sich für die ihm als Ideal vorschwebende Laufbahn eines wissenschaftlichen Reisenden auszubilden. 1874 erwarb er den juristischen Doctorgrad und arbeitete dann, um die Rechtspraxis kennen zu lernen, einige Zeit in der Kanzlei eines Wiener Advocaten. Aber der Beruf des Juristen vermochte ihn auf die Dauer nicht zu befriedigen, vielmehr entdeckte er in sich eine wachsende Neigung für die Landwirthschaft. Er hielt sich deshalb im Sommer 1875 als Volontär auf dem Mustergute des Grafen Bellegarde zu Groß-Herrlitz im österreichischen Schlesien auf und bezog im folgenden Wintersemester die Hochschule für Bodencultur in Wien. Seit 1876 setzte er seine Studien in Halle fort, wo er sich eng an Julius Kühn, den Director des Landwirthschaftlichen Instituts der Universität, anschloß. Auf dessen Anregung beschäftigte er sich besonders mit den Methoden der künstlichen Düngung und mit der Untersuchung mikroscopischer Pflanzenschädlinge. Um seinen Anschauungskreis zu erweitern und eine Anzahl ausländischer Musterbetriebe kennen zu lernen, trat er 1878 gemeinsam mit seinem älteren Bruder Emanuel, einem ausgezeichneten Landwirthe, eine ausgedehnte Studienreise an, die ihn nach Belgien, den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Algier und Italien führte. Nach der Rückkehr legten beide ihre Beobachtungen in einer Reihe von anregend geschriebenen, in Zeitschriften veröffentlichten „Landwirthschaftlichen Reisebriefen“ nieder. 1880 unternahm er abermals eine größere Reise, diesmal nach den östlichen Küstenländern des Mittelmeeres. Er durchzog Aegypten, Palästina, Syrien, Kleinasien, die europäische Türkei und Griechenland und ließ als Ergebniß zwei Broschüren „Streifzüge eines Landwirths“ [130] und „Landwirthschaftliche Reisebriefe aus dem Orient“ (beide Wien 1881) erscheinen, die nicht nur den Beifall der Sachverständigen fanden, sondern auch von Nichtfachleuten um ihrer angenehmen Schilderungen willen gern gelesen wurden. Die nächsten Jahre brachte er, abgesehen von einem längeren Aufenthalte in England, hauptsächlich mit der Verwaltung seiner ausgedehnten Landgüter zu. Daneben begann er mit wachsendem Erfolge einen energischen Kampf gegen den Branntwein, dessen Verheerungen er seit Jahren mit steigender Sorge beim mährischen Landvolke beobachtet hatte. Er betheiligte sich nicht nur eifrig an den Arbeiten des 1883 begründeten Deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, sondern entfaltete auch in Oesterreich eine rege Agitation, die 1884 zum Zusammenschluß der Gesinnungsgenossen in einem gleichartigen Vereine führte. P. leitete diesen Jahre lang als Vorsitzender, vertrat ihn wiederholt auf internationalen Congressen und verfaßte auch für die „Mittheilungen“, die erst unregelmäßig, dann in bestimmten Zeitabschnitten erschienen, eine große Zahl von Aufsätzen, die auch in andere Zeitschriften übergingen. In Würdigung seiner Verdienste auf diesem Gebiete wurde er als Vertreter Oesterreichs in das internationale Comité gegen die Demoralisation der Naturvölker durch den Branntweinhandel gewählt.

Im Sommer 1888 entschloß er sich nach gründlicher Vorbereitung, das europäische und asiatische Rußland zu besuchen, um die dortigen Agrarverhältnisse kennen zu lernen. Mit amtlichen Empfehlungen ausgerüstet, fuhr er über Petersburg und Moskau nach Nischnij Nowgorod und die Wolga abwärts nach Astrachan, unternahm dann einen Studienausflug durch die Donsche Steppe und das fruchtbare Gebiet der Schwarzen Erde, besuchte darauf den Kaukasus und den Petroleumdistrikt von Baku, setzte über das Kaspische Meer und gelangte als erster Oesterreicher auf der neu eröffneten transkaspischen Eisenbahn nach Buchara und Samarkand. Die civilisatorische Thätigkeit der Russen in diesen Gegenden erfüllte ihn mit hoher Bewunderung, wenn er auch die Mißstände ihrer Verwaltung keineswegs übersah. Ein geplanter Abstecher nach Persien fand infolge des Mißtrauens der dortigen Behörden schon in dem Wallfahrtsorte Meschhed ein vorzeitiges Ende. Auch eine beabsichtigte Durchquerung Afghanistans mußte aus denselben Gründen unterbleiben. Er kehrte deshalb nach dem russischen Gebiet zurück, hielt sich noch einige Zeit in Kaukasien auf, erholte sich dann an der sonnigen Südküste der Krim von den Strapazen der Reise und traf 1889 wohlbehalten wieder in der Heimath ein. Hier begann er sogleich mit der Ausarbeitung seiner Reisetagebücher, die noch in demselben Jahre unter dem Titel „Vom Newastrand nach Samarkand. Durch Rußland auf neuen Geleisen nach Innerasien“ (Wien und Olmütz 1882) mit einer Vorrede von Hermann Vambéry und zahlreichen, nach Skizzen des Verfassers angefertigten Abbildungen im Druck erschienen. Der Hauptwerth des Buches liegt in der reichen Fülle zuverlässiger Nachrichten über die wirthschaftlichen Verhältnisse des Zarenreichs. Auch zieht es den Leser durch seine fesselnde Schreibart an. Nach der Vollendung dieses Werkes wurde Proskowetz’ Arbeitskraft längere Zeit durch die Vorbereitungen für den 1890 in Wien stattfindenden internationalen land- und forstwirthschaftlichen Congreß in Anspruch genommen. Der vorbereitende Ausschuß ernannte ihn zu seinem Secretär und veranlaßte ihn, für die Theilnehmer einen umfangreichen „Führer durch die Land- und Forstwirthschaft Oesterreichs“ (Wien 1890) und zwei kleinere Monographien über die als Excursionsziele ins Auge gefaßten Musterwirthschaften Wischau und Schöllschitz in deutscher und französischer Sprache zu verfassen, sowie endlich auch den „Bericht über die Verhandlungen [131] und Beschlüsse“ des Congresses (Wien 1891) zu redigieren. Auch an der Versammlung des nächsten Jahres, die im Haag stattfand, nahm er in leitender Stellung einen hervorragenden Antheil und erstattete nach der Heimkehr in einer Denkschrift: „Der internationale landwirthschaftliche Congreß im Haag vom 7. bis 14. September 1891“ (Wien 1891) ausführlichen Bericht über die Ergebnisse. Diese litterarischen Arbeiten, die von weitem Blick und sicherer Beherrschung des vielgestaltigen Stoffes zeugten, veranlaßten das Ministerium, ihn 1892 zum Mitglied des Zollbeiraths zu ernennen. Hier hat er wiederholt in wichtigen Fällen entscheidend eingegriffen. Doch kam er bei der Behandlung schwieriger Fragen allmählich zu der Ueberzeugung, daß für einen wohlunterrichteten landwirthschaftlichen Sachverständigen auch eine an Ort und Stelle gewonnene Kenntniß der überseeischen Agriculturverhältnisse, namentlich der amerikanischen Riesenbetriebe und der Tropenwirthschaft, unerläßlich sei. Deshalb trat er 1894 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Felix eine Weltreise an, die ihn durch Canada, die Vereinigten Staaten, die Sandwich- und Samoa-Inseln, Neuseeland, Australien, Java, Birma und Vorderindien führte. Ueber diese Fahrt hat er kein ausführliches Werk, sondern nur einen die wichtigsten Ergebnisse kurz zusammenfassenden Bericht in Form eines Vortrags veröffentlicht (Brünn 1896). Bald nach der Rückkehr wurde ihm von maßgebender Seite der Wunsch ausgedrückt, er möge seine reichen Kenntnisse und Erfahrungen durch Eintritt in einen amtlichen Wirkungskreis in den Dienst des Vaterlandes stellen, um an seinem Theile mitzuwirken, daß die landwirthschaftliche Production Oesterreichs auf dem Weltmarkte die ihr zukommende Bedeutung erlange. P. folgte diesem ehrenvollen Rufe und trat in den Consulatsdienst ein. Nachdem er sich bei den k. und k. Generalconsulaten in Smyrna und New-York in den Geschäftsbetrieb eingearbeitet hatte, wurde er 1897 zum Consul in Chicago ernannt. Aber nur ein Jahr lang war es ihm vergönnt, diesen Posten zu bekleiden. Als er eben eine Urlaubsreise nach Europa antreten wollte, um seinen greisen Vater zum 80. Geburtstage persönlich zu beglückwünschen, hatte er bei Fort Wayne in Indiana das Unglück, von der Plattform eines Eisenbahnwagens unter die Räder zu stürzen. Wenige Tage später, am 19. September 1898, erlag er im Hospitale der Stadt seinen schweren Verletzungen. Der Leichnam wurde von seinem Bruder Felix nach der mährischen Heimath überführt und dort bestattet.

Mittheilungen der K. K. Geographischen Gesellschaft in Wien XLI, 1898, S. 621–623 (Buschman). – Biographisches Jahrbuch III, 1900, S. 66–69. – Emanuel v. Proskowetz, Max von Proskowetz. Mit einem Epilog: Felix von Proskowetz. Ein Nachruf. Wien 1900.