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Artikel „Pippin der Mittlere“ von Heinrich Hahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 154–155, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Pippin_der_Mittlere&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 12:03 Uhr UTC)
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Pippin der Mittlere, nach späterer und irriger Quelle öfters „von Heristal“ genannt, der Wiederhersteller der Pippinidenmacht und der fränkischen Reichseinheit und insofern der rechte Erbe des Werkes von Chlodwig I. Er ist ein Sohn des Ansgisel und einer Tochter Pippins des Aelteren, also aus der Verschmelzung der Arnulfingischen und Pippinischen Familie hervorgegangen und selbst der Stammvater der Karolingischen. Zur Feststellung seines Geburtsjahres fehlen sichere Anhaltspunkte. Angaben über seine Jugenderlebnisse sind sagenhaft. Geschichtlich tritt er erst 680 in dem heißen Ringen Austrasiens und Neustriens um die Vorherrschaft hervor. Da zieht er und Martin, beides Häupter der vornehmsten Familien Austrasiens und Führer der nach der Unabhängigkeit ihres Landes strebenden Partei gegen den neustrischen Majordomus Ebroin, der durch seine Schreckensherrschaft im Namen des Königs den inneren und äußeren Zerfall des Frankenreichs eher beförderte, als hinderte. Der blutige Kampf bei Lucofago (Bois du Fays?) in der Nähe von Laon endete mit ihrer Niederlage und mit Martins Tod. Der gerettete P. aber behauptete seine Stellung in der Heimath. Nach Ebroins Tode, der wilde Verwirrung in den Herrschaftsverhältnissen Neustriens herbeiführte, suchten die Gegner des Gemordeten Zuflucht bei P. Er schließt aber mit Ebroins Nachfolger Waratto Frieden, stellt Geiseln und erkennt Theuderich III. als seinen Herrn an. Bei dem weiteren Parteikampfe zwischen Waratto und seinem Sohne Gislemar hält er dem ersteren die Treue und nimmt Partei gegen den letzteren; doch unterlagen seine Austrasier dem Verrathe desselben. Mehr Erfolg hatte er, als der unfähige und missachtete Schwiegersohn Warattos Bertharius nach dem Tode des Schwagers in den Besitz des Hausmeieramtes gelangte und er nun, dem Rufe der Gegenpartei folgend, den austrischen Heerbann gegen Theuderich und Bertharius führte. Bei Testri (Tertri? am Omignon, Departement Somme, Arrondissement Peronne), in der Nähe von St. Quentin gewann er (687) einen durch die Spaltung der Neustrier vielleicht erleichterten, jedenfalls glänzenden Sieg, nachdem er unter Gefangennehmung Theuderichs und Besitznahme seiner Schätze nach Austrasien zurückkehrte. Durch diesen Sieg war die Einheit des Frankenreichs wiederhergestellt, die Machtstellung desselben angebahnt, seine Geschicke auf Jahrhunderte hinaus mit denen der karolingischen Familie verknüpft, die dadurch den Grundstein zu ihrer späteren Größe legte. Zur Kraft gesellte P. aber auch politische Klugheit und Mäßigung, das Erbtheil seines mütterlichen Großvaters; denn noch ließ er trotz des Sieges Bertharius in seiner Würde. Nach dessen Tode aber wurde er Majordomus und Fürst des Gesammtreichs und befestigte seine Macht durch Verschmelzung seiner Familie mit der des Neustriers Waratto. Er gewann Ansfled, die Gemahlin desselben für sein Interesse und ihre Zustimmung dafür, daß sein Sohn Drogo [155] sich mit ihrer Tochter vermählte. Vorläufig ließ er einen seiner Vertrauten als seinen Vertreter in Neustrien zurück, machte später seinen Sohn Grimoald, der vielleicht auch Graf von Paris war, zum Statthalter, und seinen Sohn Drogo zum Herzog von Champagne. In Austrien schaltete er selbst als Herzog. So behandelte er das Frankenreich wie ein Erbgut seiner Familie. Das spätere Königthum kündigte sich bereits an. In den Fehler des älteren Grimoald zu verfallen, hinderte ihn seine politische Vorsicht. Auch in kriegerischer und kirchlicher Beziehung ist er der Vorläufer der späteren Karolinger. Er nimmt den Kampf gegen die feindlichen Grenzvölker und gegen aufständische Herzöge auf, erweitert das Reich und breitet das Christenthum unter den germanischen Stämmen aus, indem er die Glaubensboten unterstützt. So siegt er (689?) über den Friesenfürsten Ratbod bei Wyk-te-Duerstede, südöstlich von Utrecht, gewinnt wahrscheinlich einen Theil seines Landes und befestigt den abgeschlossenen Frieden durch die Vermählung seines Sohnes Grimoald mit Teutsinda, der Tochter Ratbods. Die dem Reichsverbande sich entziehenden Alemannen bekämpft er wiederholt zwischen 709 und 712. In die neu gewonnenen Gebiet sendet er Willibrord als Missionar; auf seinen Antrieb wird dieser vom Papst Sergius zum Bischof für Friesland geweiht, vielleicht in dem Bischofssitz Utrecht. Auch macht er denselben Mann zum Abt seines Stiftes Echternach am Flüßchen Sauer, stattet diesen eigentlichen Mittelpunkt von Willibrords Missionsthätigkeit mit vielen Besitzungen aus, ebenso wie er den heiligen Suidbert, den Bekehrer der Gegend um die mittlere Ems, mit Kaiserswerth beschenkt. Endlich begabt er auch die Grabkirche seines Großvaters zu Metz, die Klöster St. Wandrille, St. Trond u. a. Stifter reichlich. Seine letzten Lebensjahre sind getrübt. Der Tod tritt seinen politischen Plänen hindernd in den Weg. Sein Sohn Drogo erliegt 708 dem Fieber. Grimoald wird bei einem Besuch des todkranken Vaters in Jüpille an der Maas von einem rachsüchtigen Friesen ermordet. Sterbend versucht P. die Erblichkeit der Majordomuswürde durch Einsetzung seines unmündigen Enkels Theudoald als Hausmeier unter Vormundschaft seiner Großen und seiner Gemahlin Plektrud in seiner Familie zu begründen, ruft aber durch diesen Widerspruch gegen den Begriff des Amtes nur den Widerstand der Neustrier und den Kampf in seiner eigenen Familie mit seinem dritten Sohne Karl von seiner Nebengemahlin Alpheida hervor und stellt dadurch sein eigenes Lebenswerk in Frage. Glücklicherweise erlebt er diese Wirren nicht mehr, freilich auch nicht mehr die glänzende Entfaltung des Reiches durch Karl, auf den die Heldenkraft der Familie übergegangen ist; denn er erliegt am 16. Dec. 714 zu Jüpille langer Krankheit nach 27jähriger Leitung des Gesammtreichs.

Vgl. Bonnell l. c. (bei Pippin dem Aelteren), S. 118–133. – Richter l. c., 179–183. – Mühlbacher, S. 4–11. – Waitz l. c., 702 ff. und III, 7 ff. (2. Aufl.). – Ranke l. c. V, 2, 267 ff.