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Artikel „Petersen, Ulrich“ von August Sach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 805–807, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Petersen,_Ulrich&oldid=- (Version vom 11. November 2024, 11:45 Uhr UTC)
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Petersen *): Ulrich P. In der langen Reihe der Männer, die wie Andr. Hoyer, Cläden, v. Selen, Joh. Moller, Joh. Friedr. Noodt u. a. am Schlusse des 17. und in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit großem Eifer der Erforschung der schleswig-holsteinischen Geschichte oblagen, nimmt der Schleswiger Ulrich Petersen nicht den letzten Platz ein. Ausgezeichnet daneben durch eine merkwürdige Wanderlust, die ihn mehr als zwanzig Jahre seines Lebens aus der Heimath trieb, und von einem ungemeinen Wissensdrang erfüllt, galt er als einer der weitgereisten Männer seiner Zeit und an Kenntniß fremder Sprachen allen seinen gelehrten Freunden in der Heimath weit überlegen. Im J. 1656 in der Stadt Schleswig, der Residenz der Gottorper Herzöge, als Sohn eines angesehenen Kaufmanns und Rathsherren geboren, besuchte er unter den Rectoren Joachim Rachel und Abel Finckius bis zu seinem achtzehnten Lebensjahre die Domschule seiner Vaterstadt, um sich dann auf deutschen Universitäten dem Studium der Jurisprudenz zu widmen. Ein für jene Zeit beträchtliches Vermögen, das sein Vater ihm hinterließ, machte es ihm möglich, ganz seinen Neigungen zu leben, insbesondere neben dem Studium der Rechte durch weite Reisen „fremder Völker Sprachen, Sitten und Gebräuche kennen zu lernen“. Im J. 1664 verließ er seine Heimath und weilte während der langjährigen Zwistigkeiten zwischen seinem Landesherrn, dem Herzoge Christian Albrecht, und dem Könige Christian V. von Dänemark in der Fremde. Er hielt sich zunächst in Braunschweig und Weißenfels auf, studierte in Jena und Altorf, besuchte längere Zeit Augsburg und Regensburg, um dann vom Jahre 1678 an seine Studien in Frankreich fortzusetzen. Nach dreijährigem Aufenthalt in Paris, Caen, Bourges, Marseille, Avignon begab er sich nach Italien, besuchte Siena, weilte, Alterthümer und Kunstschätze studierend, in Rom, Florenz, Neapel, Bologna, Venedig, Mailand und kehrte i. J. 1683 nach zweijährigem Aufenthalte in Italien, wohl auf die Kunde von dem hergestellten Frieden daheim, über Frankreich in seine Vaterstadt zurück, ohne jedoch hier lange Ruhe zu finden. Die Flucht des Herzogs Christian Albrecht, die schwere Belastung Schleswigs durch dänische Einquartierung und Contribution, die Einverleibung der gottorpischen Besitzungen im Herzogthum Schleswig durch den König Christian, die Huldigung, welche Rath und Bürgerschaft dem neuen Landesherrn (6. Juli 1684) [806] leisten mußten, trieben P. schon i. J. 1684 wieder in die Ferne. Er begab sich zunächst nach Holland und von da nach England, wo er die Krönung Jacob’s II. und die Empörung und Hinrichtung des Herzogs von Monmouth mit erlebte (Juli 1685); dann zog er wieder nach Frankreich, wo er zwei Jahre verweilte, um 1687 noch mitten unter kriegerischen Zeitläuften nach Schleswig zurückzukehren. Kaum hatte er hier während eines ungefähr zweijährigen Aufenthalts auf Grund seiner Tagebücher seine Reiseerlebnisse ausgearbeitet, als seine Wanderlust von neuem erwachte. Vom Jahre 1689 an durchzog er Dänemark, Schweden, Livland, Kurland und Preußen und langte erst 1695 wieder in der Heimath an. Fortan ruhte er von der Wanderschaft aus und gab sich ganz gelehrten historischen Studien hin. Er blieb unverheirathet, suchte kein Amt und war auch schwerlich als Advocat thätig. Da er sich stets nur Candidatus juris nennt, so mußte ihm schon deshalb jede selbständige juristische Praxis verschlossen sein. Je unruhiger die Zeiten wurden, desto mehr vergrub er sich in seinen stillen Studien. Ohne je politisch hervorzutreten, empfand er doch den Fall des gottorpischen Herzogshauses infolge des nordischen Krieges höchst schmerzlich und suchte während der dänischen Herrschaft Trost in der Erforschung der ruhmvollen Vergangenheit seiner Vaterstadt und seines Fütstenhauses. Er starb im 79. Jahre seines Alters, am 6. April 1735, des Lebens müde, wie er kurz vorher einem seiner Freunde schrieb: „Mox venere dies; ejus mox hora parata est, qua laetus dicet: pessime munde, vale.“ Die Hauptfrucht seiner geschichtlichen Studien war die Geschichte seiner Vaterstadt, woran er fast vierzig Jahre seines Lebens gearbeitet hatte. Nachdem er die Glanzzeit des Gottorper Hauses in seiner Jugend mit erlebt, dachte er oft, als Schleswig nach Vertreibung der Herzöge zu einer Provinzialstadt herabgesunken war, mit sehnsüchtigem Schmerze daran zurück. So ist denn die Beschreibung „der Durchlauchtigsten Herren Herzögen von Holstein-Gottorp Haupt- und Residenz-Stadt Schlesewig“ nicht bloß eine Chronik seiner Vaterstadt, sondern zugleich auch zu einem Denkmal seines angestammten Herrscherhauses geworden. Freilich genügen seine Arbeiten heutigen Ansprüchen nur in geringem Maße; wie wenig er z. B. im Stande war, die älteste Zeit zu erforschen, sieht man auch an den Briefen, die zwischen ihm und Johann Moller 1698 darüber gewechselt wurden (Staatsb. Magazin V, 745 ff.). Mag indes auch seine Ausarbeitung der ungemein weitschichtigen, rohen Materialiensammlung, wie sie daneben vollständig erhalten ist, für uns wenig genießbar sein: die zahlreich darin enthaltenen urkundlichen Nachrichten und Abschriften von verlorenen Diplomen sind auch für die heutige Forschung von bedeutendem Werthe. Durch testamentarische Verfügung dem Rector Hoyer überwiesen, wurde das ganze Manuscript durch dessen Wittwe, eine Bruderstochter Petersen’s, gegen eine lebenslängliche Pensionserhöhung im Jahre 1761 dem Könige überlassen und wird heute im Geheimen Archiv zu Kopenhagen aufbewahrt (Thorsen: Stadtrechte, Kopenhagen 1855, S. 22 u. 23). Einzelne Bände seiner umfassenden Sammlungen zur schleswig-holsteinischen Geschichte finden sich auch im Schleswiger Stadtarchiv und im Staatsarchiv. Seine Manuscripte sind viel benutzt, niemals vollständig gedruckt. Einzelne Capitel aus der „Geschichte der Stadt Schleswig“ veröffentlichte nach dem Tode des Verfassers der Rector Hoyer in zwei Programmen der Domschule; 1743: „Wer eigentlich die Schleymünde verstopfet hat“; 1744: „Anmerkungen über das 103. Kapittul des schleswig’schen Stadt-Rechtes“. Die Monumenta inedit. von Westphalen enthalten (Band III, 326–359) eine Inhaltsangabe des ganzen Werkes, sowie die „Beschreibung des adeligen St. Johannisklosters“ vor Schleswig; Noodt (Beiträge zur Erläuterung der Civil-, [807] Kirchen- und Gelehrten-Historie II, S. 558 ff., Hamburg 1752) theilt „die historische Nachricht von der berühmten Cimbrischen Landwehre, dem sogenannten Kohgraben und großem Walle Dannewerk im Herzogthum Schleswig“ mit. Dieselbe ist etwas ausführlicher auch in Suhm’s Danmarks-Historie VII, 270–295 enthalten. „Anmerkungen zu Helduader’s Chronik der Stadt Schleswig“ finden sich in der dänischen Bibliothek Band 6.

Die Hauptquelle für Petersen’s Biographie bildet ein Leichengedicht des Rectors Hoyer vom Jahre 1735; ein Auszug daraus ist in den „Hamburgischen Berichten von den neuesten gelehrten Sachen auf das Jahr 1735“ S. 692 ff. enthalten. Sein Testament und die gerichtlichen Verhandlungen über seinen Nachlaß finden sich in den Polizeiprotokollen der Stadt Schleswig vom Jahre 1735. Im Uebrigen ist zu vergleichen: Staatsbürgerl. Magazin X, 637 ff. – Slesvigske provindsialefteretninger, 4 bins, 3 hefte 1863. – Moller, Cimbria litter. s. v. – Allen, Geschichte der dänischen Sprache im Herzogthum Schleswig I, 243 ff.

[805] *) Zu Bd. XXV, S. 639.