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Artikel „Paul von Rusdorf“ von Karl Lohmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 11–13, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Paul_von_Rusdorf&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 09:13 Uhr UTC)
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Rußdorf: Paul v. R., Hochmeister des Deutschen Ordens vom 10. März 1422 bis zu seiner Abdankung am 2. Januar 1441, † am 9. Januar, einer der Schwächsten unter denjenigen, welche in dem Jahrhundert des Niederganges an der Spitze des Ordens gestanden haben; seinem inneren Wesen nach kraftlos und fester Entschlüsse nicht fähig, blieb er eben darum oft, wie es zu geschehen pflegt, hartnäckig bei seinem Willen und setzte auch gerechten Forderungen unzeitigen Widerstand entgegen. Der Wiederausbruch des nur durch Verlängerungen des Waffenstillstandes von 1416 hingehaltenen Krieges mit Polen, der Erbschaft seines Vorgängers Michael Küchmeister (s. A. D. B. XVII, 288), erfolgte nach mannichfachen Verhandlungen schon im Sommer nach der Wahl. Aber auch dieser „Gollub’sche Krieg“ von kaum zwei Monaten hatte nur für das Preußenland wilde Verheerung bis nach Danzig herab zur Folge. Mit Zustimmung der Stände machte der Hochmeister dem Polenkönige ein Friedensanerbieten, und der von beiderseitigen Bevollmächtigten am Ufer des Melnosees [12] (im nördlichen Kulmerlamd) abgeschlossene Frieden sprach dem Orden nicht nur Samaiten, den Hauptgegenstand des Streites, sondern auch das Gebiet von Nessau (Thorn gegenüber) ab. Aber der Hochmeister selbst, der auf eben eintreffende neue Söldnerscharen, auf Kaiser Sigismund’s wiederholte laute Versprechungen und besonders auf ein Bündniß zwischen Ungarn, Schlesien und dem Orden, welches doch nur ein Schein war, da Sigismund wenige Wochen darauf mit dem Polenkönige Jagiello-Wladislaw und dem littauischen Großfürsten Witowd zusammenkam und, ohne des Ordens zu gedenken, Friedensverträge schloß, ein festes Vertrauen setzte, verweigerte jenem Frieden fast ein Jahr lang die Besiegelung, bis immer drohender werdende Mahnungen des Königs und des Großfürsten ihn zur Vollziehung desselben drängten. Da darnach diese beiden Fürsten, während der treubrüchige Kaiser nicht abließ, dem Hochmeister seine Unzufriedenheit über den Frieden auszudrücken, sich ihm gegenüber durchaus freundnachbarlich verhielten, so hatte sich Preußen längere Zeit einer behaglichen Ruhe zu erfreuen, und nur die unruhigen nordischen Verhältnisse, in welche auch die preußischen Hansestädte verwickelt wurden, wirkten hemmend auf den preußischen Handel. Erst der Tod des kinderlosen Witowd (1430) und dessen weitere Folgen riefen von neuem die polnische Feindschaft wach. Der zum Nachfolger im littauischen Großfürstenthum eingesetzte Bruder des Königs selbst nahm die Unabhängigkeitsbestrebungen seines Vorgängers auf, erhob auch andere Ansprüche an Polen und rief, als ihn deswegen der König mit Krieg überzog, den Hochmeister, der mit ihm ein Bündniß geschlossen hatte, zur Hülfe herbei. P. v. R. erklärte dem Könige den Krieg (Herbst 1431) und fiel sofort in Polen ein. Weder die wiederholten Niederlagen und selbst nicht die Vertreibung und Absetzung des Verbündeten, noch auch die offenbare Unzulänglichkeit der eigenen Mittel vermochten den Hochmeister von dem für das Land unglückseligen Bündnisse abzuwenden; erst der Einbruch der in polnischem Solde stehenden Hussiten und die furchtbare Verwüstung Pommerellens machte ihn zu einem Beifrieden bereit, erst der offen ausbrechende Unwille der Unterthanen, die zuletzt sogar schon mit Abfall drohten, zwang ihn auf einen Frieden einzugehen, welchen die Männer, die für den unmündigen Sohn des inzwischen verstorbenen Jagiello Polen regierten, unter nicht eben ungünstigen Bedingungen im December 1435 zu Brzesc gewährten. Gerade dieses Festhalten an einer völlig aussichtslosen, das eigene Land schädigenden Politik trieb die ohnehin schon nicht geringe Spannung zwischen den eingeborenen Unterthanen in Stadt und Land und der Regierung der fremden Ritter bis zur völligen Verbitterung. Gleich im ersten Kriege hatte sich der Hochmeister genöthigt gesehen, den Pfundzoll, auf welchen sein Vorgänger verzichtet hatte, wieder einzuführen, jetzt aber aus schließlich als eine Ordenseinnahme, ohne den Städten auch nur etwas davon abzugeben. Wie trotzdem die Finanzbedrängnisse der Regierung unaufhaltsam anwuchsen und Verschlechterung der Münze und immer neue Steuerauflagen im Gefolge hatten, so konnte sich auch das Land trotz der zwischen den furchtbar verheerenden Kriegen liegenden Friedensjahre der gewaltig um sich greifenden Verarmung nicht erwehren. Daß der Hochmeister im J. 1425 von den Städten und den Häuptern der Landesritterschaft einen Bericht über die Ursachen der Noth des Landes forderte, auch wohl zu Friedensverhandlungen Landesbevollmächtigte heranzog, konnte doch im Ernst nicht helfen und nicht befriedigen; während ein Ständetag die Erneuerung und Aenderung des einst durch Heinrich v. Plauen in Anregung gebrachten Landesrathes forderte (1430), berief der Meister (1432) nur einen „geheimen Rath“ von vier Mitgliedern um seine Person. Die größte Unzufriedenheit aber erregte es, daß er einen „allgemeinen Richttag“, ein ständiges Gericht, vor welchem auch die Beamten und alle Mitglieder des Ordens zu [13] Recht stehen sollten, durchaus verweigerte, obwohl doch der Orden, welcher nach dem Schlage von Tannenberg bei der Auswahl seiner Mitglieder nicht mehr so vorsichtig wie früher zu Werke gehen durfte, in sich selbst in erschreckendem Maße und zusehends sank und verfiel: das tiefe Zerwürfniß zwischen Hochmeister und Deutschmeister, zwischen Comthuren und Conventen und zwischen den landsmannschaftlichen „Zungen“ im Orden selbst trat um so mehr zu Tage, als die streitenden Theile keinen Anstand nahmen, ihren häßlichen Hader den Ständen des Landes selbst vorzulegen, wodurch alle Achtung vor der regierenden Gewalt, alles Vertrauen zu derselben vollends schwinden mußte. Während in den letzten dreißiger Jahren die Einigung zwischen Land und Städten und zwischen den einzelnen Gebieten trotz der mannichfaltigen Sonderinteressen immer mehr Boden gewinnt, tritt der Hochmeister allen Forderungen, zumal denen nach der Aufhebung des Pfundzolles und nach einem Landgericht aufs schroffste entgegen. Nach mehrfachen Verhandlungen der Stände unter sich, besonders auf den Tagfahrten im Januar und Februar 1440, kam im März der nachher sogenannte preußische Bund zu Stande, in welchem man sich, wenn auch unter verdeckenden und abschwächenden Formeln, gegenseitige Hülfe gegen jede Vergewaltigung durch die Ordensregierung versprach. Zwar that jetzt der Hochmeister mehrere entgegenkommende Schritte, er hob den Pfundzoll auf und besetzte eine Reihe von Aemtern nach dem Wunsche der Convente, so daß man ihm auf diesen Seiten in allen rechtfertigen Sachen beizustehen versprach, aber den Deutschmeister, welcher nichts Geringeres bezweckte, als die hochmeisterliche Gewalt herabzudrücken, und selbst nach Preußen gekommen war, vermochte er nicht zu befriedigen. Krankheit und Körperschwäche und wohl auch die Verzweiflung an einer glücklichen Zukunft brachten den alternden Meister bald darnach zu dem Entschluß, von seinem Amte abzutreten.

Zu der bei dem Artikel Küchmeister angeführten Litteratur ist noch Caro, Geschichte Polens, Bd. III und IV (1869 und 1875) hinzuzufügen.