Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Parrot, Johann Jakob Friedrich Wilhelm“ von Ludwig Stieda in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 186–189, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Parrot,_Friedrich&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 08:07 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Parthey, Gustav
Band 25 (1887), S. 186–189 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Parrot in der Wikipedia
Friedrich Parrot in Wikidata
GND-Nummer 100240445
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|25|186|189|Parrot, Johann Jakob Friedrich Wilhelm|Ludwig Stieda|ADB:Parrot, Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=100240445}}    

Parrot: Johann Jakob Friedrich Wilhelm P. wurde in Karlsruhe am 14. October 1791 als Sohn des späteren Akademikers Georg Friedr. P. geboren (siehe diesen), besuchte zuerst die Domschule zu Riga, dann seit dem 15. September 1804 das Gymnasium in Dorpat, aus welchem er am 22. Juni 1807 mit dem Zeugniß der Reife entlassen wurde. Schon in der Schule lenkte er durch seine bedeutende Befähigung und seinen Fleiß die Aufmerksamkeit der Lehrer auf sich, noch mehr aber, nachdem er begonnen hatte, sich dem Studium der Medicin in Dorpat zu widmen. Er erhielt während seiner Studienzeit zwei silberne und eine goldene Medaille für Preisarbeiten; die letzte mit der goldenen Medaille gekrönte Arbeit „Ueber Gasometrie, nebst einigen Versuchen über die Verschiebbarkeit der Gase“, wurde 1813 auf Kosten der Universität gedruckt. Neben Medicin beschäftigte sich P. mit den Naturwissenschaften, vor allem aber mit der Physik; noch Student, folgte er einer Aufforderung des damaligen Professors [187] der Mineralogie, Moritz Engelhardt, ihn auf einer Reise in’s südliche Rußland zu begleiten, speciell um die Vegetation des südlichen Rußlands, der Moldau und Walachei zu untersuchen und durch correspondirende Beobachtungen dem barometrischen Nivellement des Gebirges mehr Genauigkeit und eine größere Ausdehnung zu geben. Im Februar 1811 gingen die Reisenden durch das Gouvernement Pskow, Witebsk, Mohilew, Minsk, Wolhynien und Podolien nach Kamenez-Podolsk. Dem Vordringen in die Walachei stellten sich Schwierigkeiten entgegen, deshalb wandten sie sich, um ihre Zeit auszunützen in die Krim und verweilten daselbst drei Monate, insonderheit mit der Untersuchung des Gebirges, sowie mit barometrischem Nivellement sich beschäftigend. Dann begaben sie sich anfangs Juli nach Taman, gingen am Kuban hinauf bis Konstantinogorsk und von dort nach Mosdok, und über Wladikawkas in das kaukasische Gebirge, dann von der Quelle des Terek hinab zu seiner Mündung in’s kaspische Meer. Auf dieser Reise wurde das Gebirge am Terek und Assai untersucht, der Berg Kasbek erstiegen und seine Höhe gemessen, die Schneegrenze und die Vegetationsstufen bestimmt; ferner wurde der Terek von seinem Ursprung bis zur Mündung, sowie der Landstrich zwischen dem schwarzen und kaspischen Meere mit zwei correspondirenden, von Station zu Station sich folgenden Barometern nivellirt. Um dieser Messung mehr Vollständigkeit zu geben, um die Erfahrungen über den Einfluß der Witterung, der Temperatur auf den Gang des Barometers zu erweitern, um die Genauigkeit zu prüfen, welche seine Anwendung bei Höhenbestimmungen gestattet, begaben sich die Reisenden, die vorigen Beobachtungspunkte wählend, längs der kaukasischen Linie wieder an das schwarze Meer. Hier blieb Engelhardt zurück, während P. zum kaspischen Meere eilte, weil sie gleichzeitig an beiden Meeren beobachten wollten. Nach beendigter Arbeit fanden sie sich im Winter 1811 in Tscherkask am Don zusammen, kehrten von da über Woronesch, Tula, Twer, Nowgorod und Pskow nach Dorpat zurück. Die Ergebnisse dieser Reise sind niedergelegt in „Reise in die Krim und den Kaukasus von Moritz v. Engelhardt und Friedrich Parrot. Mit Kupfern und Karten. Zwei Theile. Berlin 1815.“ Der erste Theil enthält den historischen Reisebericht, der zweite Theil Engelhardt’s und Parrot’s barometrisches Nivellement zwischen dem schwarzen und kaspischen Meere, im Kaukasus und in der Krim beschrieben von P. S. 3–82 und Parrot’s Beobachtungen über die Vegetation im Kaukasus S. 83–146. – In Dorpat wurden die unterbrochenen medicinischen Studien wieder fortgesetzt und als während des Krieges in den Hospitälern zu Riga Mangel an Aerzten eintrat, begab sich P. mit einigen Studiengenossen, darunter K. E. v. Baer nach Riga, um daselbst ärztliche Dienste zu leisten. Nachdem P. das medicinische Schlußexamen überaus glänzend bestanden und seine Dissertation „de motu sanguinis in corpore humano“ vertheidigt hatte, wurde er am 22. Juni 1814 zum Doctor der Medicin und Chirurgie promovirt. Nun wandte P. sich nach Deutschland und Oesterreich, um seine Studien an verschiedenen anderen Universitäten fortzusetzen; er ging zuerst nach Wien, woselbst er mit Karl Ernst v. Baer zusammentraf und besuchte die großen Hospitäler. Als nach Napoleon’s Rückkehr aus Elba der Krieg wieder ausbrach, trat er mit dem Range eines Stabsarztes erster Classe in den Dienst der russischen Armee. Ihm wurde der Auftrag zu Theil, in Meaux ein Militärhospital zu errichten; sobald jedoch der Feldzug beendigt war, nahm er wieder seinen Abschied, um seinen eigentlichen Studien wieder nachgehen zu können. Er besuchte, um seiner wissenschaftlichen Ausbildung willen, die Universitäten und Krankenhäuser in Berlin, Wien, Würzburg, Paris, Mailand, Pavia; dazwischen machte er Reisen, besonders Bergtouren. Im September 1816 verließ er Mailand, um den Monte Rosa zu ersteigen und an demselben die permanente Schneegrenze zu bestimmen. Er [188] construirte sich zu diesem Unternehmen ein ganz besonderes Barometer. Auf der Reise von Mailand bis zum Monte Rosa vollführte er ein barometrisches Nivellement der ganzen zurückgelegten Wegstrecke; seine Absicht, den Monte Rosa zu ersteigen, gelang nicht; bei einem Versuch kam er mit seinem Begleiter J. v. Zumstein nur 2057 Toisen über dem Meere (die Höhe beträgt 2360 Toisen). Ein Bericht über die Resultate der Reise findet sich unter dem Titel: „Ueber die Schneegrenze auf der mittäglichen Seite des Rosagebirges und barometrische Messungen“ (Journal für Chemie und Physik Bd. XIX). Eine zweite Reise unternahm P. in die Pyrenäen. Er wanderte vom Murgthale aus über Straßburg, Besançon, Lyon, Montpellier nach Toulouse und weiter bis nach Bayonne und von hier in die Pyrenäen; sein Nivellement führte er von St. Jean de Luz dicht am atlantischen Meere bis zum mittelländischen Meere aus. Daneben bestimmte er die Höhe des Montperdu, Maladetta und einiger Pässe. Eine Besteigung des Montperdu (3346,3 m.) wurde mit Glück gemacht; auch den bisher für unbesteigbar gehaltenen Berg Maladetta (3309,6 m.) erstieg er. Dabei untersuchte er das Gebirge der Pyrenäen in geographischer Hinsicht, die daselbst vorkommenden Mineralquellen, die Schneegrenze und die Pflanzenvegetation und vergaß die daselbst wohnenden Menschen nicht. Er schilderte seine Reiseerlebnisse und seine wissenschaftlichen Arbeiten in einem Buche: „Reise in die Pyrenäen“. (Mit 3 lithograph. Abbildungen. Berlin 1823. 169 S.) – Trotz aller dieser nicht der Medicin gewidmeten Studien blieb er dennoch der Medicin treu, kehrte aber nicht zu seinen Verwandten nach Dorpat zurück, sondern ließ sich in Heilbronn als praktischer Arzt nieder. Hier in Heilbronn trat er in nahe Beziehung zu Justinus Kerner, worüber die Tochter des letzteren, Frau Marie Niethammer berichtet (Justins Kerner’s Jugendliebe und mein Vaterhaus. Stuttgart, Cotta 1877, S. 99). Neben der Praxis arbeitete er wissenschaftlich und schrieb: „Ansichten über die allgemeine Krankheitslehre“ (Mitau 1820. 220 S. 8), ferner „Ueber ein zweckdienliches Verfahren bei der sog. Thränenfisteloperation nebst Beobachtungen über die Verrichtung der Thränenwege“ (Hufeland’s Journal d. prakt. Heilkunde. 1820. April). Im Sommer 1820 kehrte P. nach Livland zurück, wurde von der Universität Dorpat zum ordentlichen Professor der Physiologie und Pathologie gewählt und trat das Amt am 26. Januar 1821 an. Im August desselben Jahres verheirathete er sich mit der Tochter seines Vaterbruders, welche ihm aber sehr bald (1825) durch den Tod entrissen wurde und ihm ein kleines Töchterchen hinterließ. Obgleich P. sich seiner Professur entsprechend mit medicinischen Vorlesungen und Studien befaßte, auch einige medicinische Abhandlungen herausgab („Abhandlungen über die Unterbindung der bedeutenden Schlagadern der Gliedmassen nach Scarpa“, aus dem Italienischen übersetzt. Berlin 1821. „Ueber die Ernährung neugeborener Kinder mit Kuhmilch“. Mitau 1826. „Ueber die Witterungs- und Krankheitsconstitution der Stadt Dorpat in den Jahren 1822–1824“ in Gemeinschaft mit Sahmen in den vermischten Abhandlungen aus dem Gebiete der Heilkunde. 3. Sammlung. St. Petersburg 1826), so schien ihn die Medicin doch nicht sehr zu fesseln. Er vertauschte seinen physiologischen Lehrstuhl im J. 1826, als sein Vater nach Petersburg übersiedelte, gegen den nun freigewordenen Lehrstuhl der Physik, um sich nun dieser längst geliebten Disciplin ganz hingeben zu können. Im J. 1829 machte P. in Begleitung von vier Studirenden der Universität Dorpat seine denkwürdige Reise zum Ararat („Reise zum Ararat“. 2 Theile. Berlin 1834). Es kann hier auf das Detail der Reise nicht eingegangen werden, es genüge zu erinnern, daß P. nach einmaligem mißlungenen Versuche am 27. September a. St. (9. October n. St.) 1829 am Nachmittag den äußersten Gipfel des Ararat (16200 par. Fuß) erreichte. Daneben wurde ein erneuertes Nivellement [189] zwischen dem kaspischen und schwarzen Meere, andere Nivellements zwischen dem Ararat und Tiflis, zwischen Tiflis und dem schwarzen Meere gemacht, ferner magnetisch-geographisch-astronomische und trigonometrische Arbeiten ausgeführt. Eine andere Reise unternahm P. im J. 1837 zum Nordcap, um daselbst Beobachtungen über Pendelschwingungen und über den Erdmagnetismus anzustellen. P. reiste in Begleitung des Candidaten Nöschel von Petersburg aus über Torneo, über das Kjölengebirge nach dem Lyngenfjord und dann bis Alten, theils zu Land, theils zu Wasser; von Alten über Hammerfest zum Nordcap und zurück zu Wasser. Am Nordcap wurde 12 Tage (bis zum 7./19. September) beobachtet und dann die Rückreise auf demselben Wege bewerkstelligt. Parrot´s Absicht, auch diese Reise ausführlich zu beschreiben, gelangte nicht zur Ausführung, schwere Krankheit kam dazwischen; nur eine „Kurze Nachricht von meiner Reise zum Nordcap“, wurde im Inland 1838, Nr. 1, gedruckt. Krankheit, und zwar wiederholte Krankheit hinderte ihn auch seinen Berufsgeschäften in gewohnter Treue und Thätigkeit nachzugehen. Er hatte am Schlusse des Jahres 1838 eine mehrmonatliche Krankheit zu bestehen; im Frühjahr 1840 brach die Krankheit von neuem aus, während des zweiten Halbjahres 1840 konnte P. nicht mehr seine Vorlesungen halten; am 3./15. Januar 1841 verschied er nach schweren Leiden und langem Todeskampfe. Er hatte sich nach seiner Rückkehr von der Araratreise mit Emilie Krause, Tochter des Dorpater Professors Krause[WS 1] verheirathet, welche er mit 3 Söhnen zurückließ. Die Universität Dorpat, welcher P. von 1821, also 20 Jahre angehörte, verlor an ihm sehr viel: einen ausgezeichneten Lehrer, einen still und fleißig wirkenden Gelehrten und ein für das Wohl und Wehe der ganzen Körperschaft stets besorgtes und überaus praktisches Mitglied. Er war wiederholt Decan der medicinischen und der philosophischen Facultät. Drei Jahre lang leitete er (1831–1833) mit sicherer Hand als Rector die Geschicke der Universität und stand bei seinen Collegen und seinen Mitbürgern in hohem Ansehen. Von seinen wissenschaftlichen Arbeiten, welche er veröffentlicht hat, seien zum Schluß – abgesehen von einigen Reisebriefen und einigen Gelegenheitsreden noch genannt: „Ueber das barometrische Nivellement“ (Ledebour´s Reise durch das Altaigebirge) I. Bd. Berlin 1829. S. 395–401 und „Von hohlen Electromagneten und der Wirkung innerer Spiralen bei denselben“ (Bull. sc. de l'Acad. imp. des Sciences de St. Petersbourg. I. p. 121—125). „Ueber die genauere Temperaturbestimmung des Quecksilbers im Barometer bei Höhenmessungen mittelst desselben“ (Bull, de la Soc. Imp. de Nat. de Moscou III. 283—298).

Recke-Napiersky III. S. 374—376. — Beise's Nachtrag. II. S. 94. — Neuer Nekrolog der Deutschen. XIX. Jahrg. 1841, I. Thl. Weimar 1843, S. 110—122.

Anmerkungen (Wikisource)