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Artikel „Ostade, Adriaen van“ von Joseph Eduard Wessely in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 499–501, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ostade,_Adriaen_van&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 18:41 Uhr UTC)
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Ostade: Adriaen van O., Maler und Radirer, geb. in Harlem im December 1610, † ebenda 1685. Die Bemerkung Houbraken’s, Adriaen und sein Bruder Izaak wären Lübecker von Geburt gewesen, verführte alle nachfolgenden Schriftsteller, die über O. schrieben, bis in die Neuzeit, anzunehmen, daß Lübeck der Geburtsort beider Brüder gewesen. Houbraken behauptet es aber nicht apodiktisch, sondern sagt: sofern ich gut unterrichtet bin und drückt damit schon seinen Zweifel in die überkommene Nachricht aus. Noch in neuerer Zeit hat Gaedertz in seinem Werke über den Meister Lübeck als dessen Geburtsort verfechten wollen, aber mit Ausnahme der Bemerkung, die Familie stamme aus dem Dorfe Ostede im Lüneburgischen, bringt er keine zwingenden Beweise für seine Ansicht bei. Dagegen führt die Forschung, die A. van der Willigen in den Archiven von Harlem angestellt hat, zu Resultaten, die jeden Zweifel vernichten. O. war der Sohn des Jan von Eyndhoven, bei welchem ganz nahe das Dorf Ostade liegt. Eigennamen wurden damals oft vom Geburtsorte entlehnt und Jan dürfte ebenda geboren sein. Später siedelte er nach Harlem über und betrieb die Weberei. O. war ein Schüler des Franz Hals; zu derselben Zeit befand sich auch Adrian Brouwer als Schüler bei demselben Meister. Im J. 1636 wurde O. Mitglied der Bürgerwehr, zwei Jahre darauf hat er sich verheirathet. Im Trauschein werden beide Eheleute ausdrück1ich Harlemer genannt. Houbraken hat noch andere Irrthümer hinsichtlich unseres Künstlers begangen. Er läßt ihn im J. 1662 alle seine Habseligkeiten verkaufen und aus Furcht vor den Franzosen nach Amsterdam flüchten. Ludwig XIV. fiel aber erst zehn Jahre später in Holland ein. Außerdem war O. in demselben Jahre (1662) Dekan der Gilde in Harlem und wohnte daselbst bis zu seinem Tode 1685 und wurde am 2. Mai in der Kirche St. Bavon ebenda beerdigt. Franz Hals war der rechte Meister, um das angeborene Talent seines Schülers zur vollen Blüthe entfalten zu helfen; dieser lernte auch Tüchtiges, sowol was Zeichnung als Farbe anbelangt. Es war für Ostade’s Kunstrichtung, in welcher er einer der ersten Meister geworden ist, höchst wichtig, daß er zum fleißigen Studium nach der Natur angeleitet wurde. Nicht sobald hat einer seine Umgebung so verständnißvoll angesehen und so treu im Bilde geschildert wie O. Zwar ist der Kreis der Darstellungen, in dem sich O. bewegt, ein begrenzter, aber in diesem bewegt er sich mit voller Freiheit und versteht es in die enge Begrenzung die reichste Mannigfaltigkeit der Motive hineinzubringen. Das Leben der niederen Volksschichten [500] ist es, dem O. sein ganzes Interesse, seine volle Aufmerksamkeit entgegenbringt. Und dieses Leben schildert er nicht in allen seinen Richtungen, sondern meist nur in der Stunde der Ruhe, der Erholung, und da von Seite der Gemüthlichkeit. Eine Ausnahme von der beliebten Stoffwahl des Meisters macht das Bild des Museums zu Braunschweig, es stellt die Verkündigung der Geburt Jesu an die Hirten dar. Freilich sind die Hirten nahe verwandt dem Personale seiner meisten Compositionen. Rembrandt’s Radirung mit gleichem Gegenstand hat ihn offenbar beeinflußt, wie auch dieses Künstlers meisterhaftes Helldunkel an O. den glücklichsten Nachahmer gefunden hat. Wildbewegte Scenen kommen in der Kunst Ostade’s selten vor; raufende Bauern in der Schenke sind der Gegenstand eines Bildes in der Pinakothek; eine derartige Scene weist auch sein radirtes Werk nach („Der Messerstich“), auch Suyderhoef hat einen solchen Gegenstand nach O. gestochen. Auch bei der Arbeit mag der Künstler seine Leute nicht belauschen; eine Ausnahme bildet der „Schuhflicker“ (Radirung) und er selbst, in seinem Atelier arbeitend (ein Bild in Dresden und Radirung), endlich „Der Schullehrer“ (Bild in Paris). Vielleicht könnte noch „Die Spinnerin vor der Hausthüre“ herbezogen werden (Radirung), aber die ganze Composition, von den Figuren angefangen bis zu den schlafenden Schweinen, athmet eine solche Ruhe, daß sie von der Arbeit der Bäuerin kaum unterbrochen erscheint. Seine volle Kenntniß des zu schildernden Personals, sowie Virtuosität, seine Bewegungen, Unterhaltungen und Freuden lebendig im Bilde wiederzugeben, offenbart der Künstler in den mannigfachen Scenerien der Dorfschenke. In dieser findet er einen Schauplatz, wie er ihn für sein Farbenspiel braucht; nie stellt er ein viereckiges Gemach dar; Anbauten, Treppen, Leiter, Alcoven, Kamine schieben sich in das Quadrat hinein, bilden mehr oder weniger beleuchtete Ecken und Winkel, die der Meister mit seinem duftigen, durchsichtigen Helldunkel ausfüllt und mit den Gruppen der Staffage eine künstlerisch vollendete Harmonie erzielt. Da sehen wir die Bauern – und O. scheint nicht die schönsten Exemplare gewählt zu haben –, wie sie rauchen, trinken, karten oder Triktrak spielen. Wir können zum Beleg des Gesagten nicht alle Bilder dieses Genres anführen, die sich in öffentlichen und privaten Sammlungen befinden. Zuweilen werden uns Bauernpärchen vorgeführt, die von zarteren Gefühlen belebt erscheinen und der Meister hat es verstanden, mit seinem Humor diese Herzensbewegung in den verwitterten Gesichtern zu betonen. Dann geht es auch recht lustig zu: der Leiermann, Dudelsackbläser oder Violinspieler läßt das Instrument ertönen und die schwerfälligen Paare bewegen sich in waghalsigen Sprüngen, die sie Tanz nennen. Zuweilen, besonders zur Zeit der Kirmeß, wird der Tanz ins Freie, vor die Schenke, verlegt. Da kommen auch Zahnbrecher herbei, Quacksalber mit unfehlbaren Heilmitteln, Kinder mit altklugen Gesichtern und auch Hunde und Schweine mischen sich ungestört unter die frohe Gesellschaft. Poetisch wirken seine Bilder, in denen er die fröhliche Gruppe in den Schatten einer Weinlaube hinsetzt, wie uns J. Visscher in einigen seiner Blätter nach seinen Bildern beweist. Unvergleichlich ist er auch, wenn er uns drei Gevatterinnen vorführt, die untereinander ihr Geschwätz abspinnen; man glaubt sie zu hören, diese abgedienten holländischen Grazien, die schwatzen und nicht hören. Es ist leicht erklärlich, daß die Kunst Ostade’s zu allen Zeiten in allen Landen ihre Verehrer zählte; dies beweisen die hohen Preise, die für seine Bilder gezahlt wurden, dies auch die vielen Kupferstiche, die von den besten Künstlern nach seinen Gemälden ausgeführt wurden, und die den Meister auch da populär machten, wo seine Gemälde nicht zugänglich waren. In dieser Hinsicht hat der Künstler selbst auch für seinen Nachruhm gesorgt, da er 50 Radirungen selbst ätzte und uns die Vielgestaltigkeit seiner Kunst auf einem eng beschränkten Gebiete bewies. Diese Blätter, besonders [501] solche vor späterer Ueberarbeitung, werden jetzt sehr gesucht und erzielen hohe Preise. O. hat auch sich selbst gemalt. Besonders ist als Hauptwerk zu nennen: des Meisters Familienbild im Louvre. Sein Schüler Corn. Dusart hat ihn auch gemalt (geschabt von J. Gole). O. hatte mehrere Schüler herangezogen, davon einzelne berühmte Künstler wurden, wie sein Bruder Izaak, Corn. Bega und der erwähnte C. Dusart.

Izaak O., Maler, geb. in Harlem 1621, † ebenda 1649. Er war der jüngere Bruder des Vorigen und auch dessen Schüler. Houbraken bemerkt dazu: „er starb, ehe er jene Kunst erreichte, auf welcher sein Bruder die Lorbeeren seines Eifers und seiner Mühe pflückte.“ Dennoch ist seine Kunst des Beachtens werth. In seiner frühesten Periode bewegte er sich auf derselben Bahn des Bauernlebens wie sein Bruder, später aber schuf er sich ein eigenes Repertoir. Da er mit besonderer Vorliebe das Thier, in erster Reihe das Pferd, zum Gegenstande seines Studiums machte, so belebte er seine Landschaften und Schenken gern mit solchen Scenen, wo die Thiere mitspielen, was sein Bruder nie gethan hat. So bilden Reisende vor der Schenke öfters den Gegenstand seiner Bilder. Bei Sir Rob. Peel ist von ihm ein Bild mit einem Reiter, in der königlichen Sammlung (England) befindet sich eins mit Reisenden zu Pferd und in der Postkutsche, bei Lord Ashburton sieht man eine Schenke mit vielen Reisenden. Außerdem liebte es der Künstler die winterliche Landschaft darzustellen, die ihm Gelegenheit gab, die Unterhaltung auf dem Eise als Staffage anzubringen. Im Louvre und in München (Pinakothek) sind Hauptwerke dieser Gattung. J. Smith führt in seinem Katalog 69 Bilder des Meisters an, doch dürfte das Verzeichniß damit noch nicht abgeschlossen sein. Auch nach ihm haben verschiedene Kupferstecher gearbeitet. Ob er selbst auch radirt habe, ist bis jetzt nicht mit Sicherheit ausgemacht. Man schreibt ihm das Blatt mit der Lauserin zu, das Bartsch dem Adriaen zuschreibt. Es hat keine Bezeichnung und ist ein Endurtheil um so weniger zu fällen, als die Composition eher dem Brouwer als einem der beiden O. angehören dürfte.

Houbraken. – Immerzeel. – Kramm. – Gaedertz (Adriaen van Ostade). – J. Smith. – Bartsch, P.-Grav. – A. v. d. Willigen, Les artistes de Harlem (die franz. Ausgabe). – Faucheux. – Bode, Holl. Malerei.