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Artikel „Oexle, Johann Georg“ von Karl Theodor von Heigel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 25 (1887), S. 24–28, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Oexle,_Johann_Georg&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 22:06 Uhr UTC)
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Oexle: Johann Georg Oe., bairischer Staatsmann, geb. 1605 als Sohn des Johann Konrad Oe., Bürgermeisters zu Göppingen, trat 1630 in bairischen Staatsdienst und wurde zum Regierungsrath in Amberg ernannt; als solcher führte er auf dem in Regensburg versammelten kurfürstlichen Collegialtag das Protokoll. Im nächsten Jahre wohnte er als Mitglied des bairischen Hofraths der Conferenz kaiserlicher und bairischer Generäle und Diplomaten zu Donauwörth bei; darauf wurde er von Kurfürst Max I. „zu mündlicher Relation ohne Schriftliches“ nach Wien an den Fürsten Eggenberg gesendet. Auf dem Collegialtag zu Nürnberg 1640 und dem Reichstag zu Regensburg 1641 wirkte er noch als bairischer Mandatar, dann trat er aber, um rascher zu Amt und Würden zu gelangen, in den Dienst des Erzbischofs von Salzburg. „Nicht so fast ich“, entschuldigte er später diesen Uebertritt, „als serpens, qui decepit me, in causa et culpa est.“ Nach vierzehn Monaten, „postquam mihi aperti sunt oculi“, bewarb er sich um Wiederanstellung in Baiern, und da der Kanzler des geheimen Raths, Bartholomäus Richel, ihm das Zeugniß ausstellte, daß er „arbeitsam, eines gueten iudicii, gar still und verschwiegen“, wurde er als Hofrath mit einem Jahressold von 800 Gulden angestellt und mit Führung des geheimen Secretariats betraut. Als bairischer Bevollmächtigter erschien er auf dem Kreistag zu Ulm 1643 und dem Correspondenztage der süddeutschen Kreise [25] zu Donauwörth 1644. Seine Concepte zeichnen sich durch klare, bündige, nicht selten drastische Ausdrucksweise vor ähnlichen Arbeiten der Collegen aus; häufig flicht er, gleichsam um der Rede mehr Kraft zu verleihen, lateinische Sprüchlein und Citate ein. Es fehlte ihm aber auch nicht an Selbstbewußtsein. In einer Vorstellung vom 27. Juli 1646, worin er sich über Vernachlässigung gegenüber anderen Beamten beklagt, hebt er seine Leistungsfähigkeit und Arbeitsamkeit auf gar ruhmredige Weise hervor. Er sei hintangesetzt „ad 1. sowohl was den Nutzen anlanget als 2. die Ehr und verhoffende weitere Beförderung und 3. die Commodität und Gelegenheit, welche das dritte Stuck ist, darnach die Hofdiener trachten“; das ganze Jahr, Werktag und Feiertag, die Zeit sei so heilig, als da will, von Morgens 7 oder 8 Uhr bis wieder Nachts um 8 Uhr, sei er continuirlich in der Kanzlei verblieben und habe in einem tractu unausgesetzt schwere und wichtige Concept verfaßt. Trotzdem habe er, so lange er in Baiern, im Ganzen erst 8500 Gulden Besoldung bezogen, „trotz der hohen Ausgaben, sowohl auf dem alhiesigen, haisen Pflaster, als tempore nostri quasi exilii in der Frembde.“ Auch Beförderung dürfe er sich nicht versprechen, denn er sei wol zum geheimen Secretariat „tamquam ad perpetuos carceres condamniret“. Sein College Dr. Krebs werde ihm allerwege vorgezogen. „Den hat die französische Sprach avanziret, sonsten hett ich seine Commission in einer andern redlichen Sprach vielleicht so wol als er verrichten khünden, wan ich nur auch einen solchen guten conduiseur, wie der Herr von Haslang ist, an der Handt gehabt und man mir Alles, was zu negozirn, dergestalt inmassen durch die wochentliche ausfierliche bevelch und instructiones geschickt, also wohl firgemahlt und gleichsamb in Mundt gegeben hette.“ Zwei Jahre später beschwerte er sich aufs Neue, daß man nicht ihn, sondern Krebs und Ernst zum Friedenscongreß nach Münster geschickt habe, obwol er bisher auf den schwäbischen Kreistagen, „bei welchen in Wahrheit schwer zu negozirn ist, die ihm aufgegebenen Commissiones zu Ihrer Churfürstlichen Durchlaucht intento und contento verricht“, obwol er jüngst bei dem Frankfurter Deputationstag im Fürstenrath das Votum zu führen hatte, obwol alle nach Frankfurt, Münster und Osnabrück geschickten Befehle, Instructiones, Verträge u. s. w. in der geheimen Expedition durch seine Hand zu gehen pflegten. Endlich wurde seinen Klagen und Protesten Gehör gegeben und ihm 1649 unter Enthebung vom Secretariatsdienste in Aussicht gestellt, er werde fortan nur „zu allerlei vorfallenden Reichsconventen und Schickungen“ gebraucht werden. Hocherfreut versprach er, sich ganz in Baiern niederlassen und sein und seiner Ehefrau Vermögen aus Schwaben und Württemberg in die neue Heimath übertragen zu wollen, was jedoch nicht zur Ausführung kam. Die nächsten Jahre brachten nun verschiedenartige diplomatische Missionen. Als sein „eigenstes, fürnembstes Verdienst“ nahm er in Anspruch, daß er durch seine Vertretung in Nürnberg das punctum religionis in der oberen Pfalz gerettet habe. Als Bevollmächtigter bei dem Reichstag in Regensburg erstattete er am 9. December 1653 an den Obersthofmeister Grafen Maximilian von Kurz überaus freimüthige Berichte, wie man in Reichstagskreisen den Geiz und die hochgespannte Grandezza der Regentin von Baiern, der Kurfürstin-Wittwe, die verkehrte Erziehung des jungen Kurfürsten durch Herrn v. Metternich u. s. w. beurtheile. Er wurde zwar bald darauf zum geheimen Rath ernannt, aber so derb offenherzige Aeußerungen lassen begreiflich erscheinen, daß er, wie er sich rühmte, in München „so viel Feind’, als Tag im Jahr und noch mehr“ hatte. Die wichtigste diplomatische Aufgabe wurde ihm 1657 zu theil, als er an die Höfe der rheinischen Kurfürsten und später zum Frankfurter Wahltag abgeordnet wurde, um wegen der Neuwahl, eventuell wegen Uebertragung der Krone an [26] das Haus Baiern die Unterhandlungen zu führen. In seinen Berichten an Graf Kurz tritt von vorne herein Parteinahme für die Candidatur des Königs von Ungarn zu Tage, wenn auch die in Grammonts Memoiren mitgetheilte, von Oexle angeblich „gegen Jeden, der es hören wollte“, gemachte Aeußerung, er würde, auch wenn alle Kurfürsten einmüthig seinem Herrn die Krone aufsetzten, denselben so lange schütteln, bis sie ihm wieder herunterfiele, in den Bereich der Erfindungen zu gehören scheint. Denn wenn wirklich auch Kurfürst Ferdinand Maria, wie Grammont versichert, jenes drastische Wort seines Gesandten vernommen hätte und darüber in so heftigen Zorn gerathen wäre, müßte man doch, wie in Heide’s Abhandlung über die Wahl Leopolds I. richtig bemerkt wird, von einer Abberufung oder doch von einer Rüge etwas vernehmen; die ziemlich complet vorhandenen Acten enthalten aber nichts derartiges. Ja, der Kurfürst nahm sogar seinen Diener, der von Kur-Köln bezichtigt worden war, über die geheime Reise des Grafen Wilhelm von Fürstenberg nach Versailles geplaudert zu haben, energisch in Schutz (6. November 1658): „Ich muß der Wahrheit zu steyer Sie versichern, daß ihme so unrecht hierin beschicht, als er zu loben, daß er in occasione der jüngst vorgegangenen Churpfälzischen impertinenz fast allein gethan, was ein getreuer Diener seines Herrn schuldig.“ Es wird hier angespielt auf die bekannte Scene, welche sich in der Sitzung des Frankfurter Wahlcollegiums am 16. Mai 1658 abspielte. Der Pfälzer Kurfürst Karl Ludwig, voll Zornes über die hartnäckige Opposition Oexle’s in Sachen des Vicariatsstreits, schleuderte das volle Tintenfaß nach dem Herrn Geheimrath, ohne ihn jedoch zu treffen. „Gott hat mich sonderbar behütet“, berichtete Oe. über den Vorfall an Graf Kurz. „daß, obwol die kurpfälzische Furie auf mich allein angesehen gewesen, andere benachbarte Beisassen fast mehreres gelitten haben, denn ich, weil die Färberei bloß über meine Handdözeln, angehabten schwarzen Rock und vor mir gelegenen Schriftereien abgelaufen. Hätt’ er mich an die Schläf’ getroffen, wär’ ich wahrlich des Todes gewesen.“ Obwol der Kurfürst auch an den Degen griff und in drohender Haltung auf Oe. zuschritt, war dieser nicht zu bewegen, im Verlesen seiner Protestschrift innezuhalten. „Ich hätte vom Lesen nicht abgelassen, wenn auch der Kurfürst auf mich gehauen und gestochen hätte.“ Ferdinand Maria belohnte den Gesandten durch Erhöhung des Deputats und Ernennung zum Vicekanzler des geheimen Raths; außerdem erhielt Oe. durch einen Gnadenbrief des Kurfürsten (1. August 1659) ein Geschenk von 6000 Gulden, und 1664 wurde ihm „umb seiner zu unserm gnedigsten contento verrichten underschiedlichen Commissionen willen“ die Pflege Teisbach übertragen. Trotzdem war der ebenso ehrgeizige wie diensteifrige Beamte nicht zufrieden gestellt; in seinen Personalacten befinden sich überaus zahlreiche Supplicationen und Beschwerdebriefe aus allen Jahren. Dem neugewählten Kaiser war es nicht unbekannt geblieben, welch’ gute Dienste der Vertreter Baierns erwiesen hatte; er versicherte durch ein eigenes „Handbriefel“ noch am Tage der Wahl (18. Juli 1658), er wolle die Familie des patriotischen Oe. „wegen der ihm und dem Erzhaus in mannigfaltigen Wegen, insonderheit bei jetzigem Wahlwerk vor andern erwiesenen Nutz- und hochersprießlichen Dienste“ in den ritterlichen Adelstand erheben. Da die Ausfertigung des Adelsdiploms nicht erfolgte, richtete Oe. wiederholt Mahnbriefe an den Kaiser und erreichte endlich, daß ihm sogar die Erhebung in den Reichsfreiherrnstand bewilligt wurde (6. October 1666). Inzwischen war aber Oe. bei seinem eigenen Gebieter in Ungnade gefallen, weil das Mißtrauen rege geworden war, daß der in alle secreten Händel Eingeweihte seine Kenntnisse und seinen Einfluß allzu gefügig dem kaiserlichen Interesse dienstbar mache. In einer „de- und wehmüthigen“ [27] Supplication (Regensburg, 13. December 1666) klagt Oe. über „widerwertig, ex injusta vindicta, aemulatione et invidia hergeflossene, unbegründte Relationes undt Delationes“ und bittet den Kurfürsten, er möge seinen Getreuen durch ungerechte Verfolgung nicht gar über den Haufen werfen lassen. Bald darauf wurde er aber unter dem Vorwand, der Kurfürst wolle vor seiner Reise nach Italien nochmals mit ihm über Reichsangelegenheiten Rücksprache nehmen, von Regensburg abberufen, nach der Ankunft in München seines Commissoriums enthoben und „seinem eigenen Ansuchen entsprechend“ aus dem Staatsdienst entlassen (13. April 1667). Titel und Besoldung sollten ihm bleiben, doch mußte er sich durch einen Revers verpflichten, keinen anderen Dienst anzunehmen und bis in den Tod alles zu verschweigen, was er, so lange er in bairischen Diensten, gehört und gelesen habe. In einem Abschiedsbrief an den Kurfürsten versicherte Oe., es sei nur Verleumdung, wenn man ihn beschuldigt habe, daß er gegen kurfürstliche Intention mit Zurücksetzung des Bischofs von Freising für Erhebung des Grafen Törring zum Bischof von Regensburg agitirt oder bei den Brandenburg-Kulmbach’schen Tractaten der katholischen Religion in der oberen Pfalz zu viel vergeben habe; übrigens sei ihm nicht unbekannt, daß der Zorn seiner Feinde bis zur letzten Kaiserwahl zurückreiche, daß Kur-Köln damals Rache geschworen und jetzt ins Werk gesetzt habe, und ebenso gut kenne er seinen schlimmsten Feind am Münchener Hofe, den in französischem Sold stehenden Vicekanzler Kaspar Schmid: „Isti inimici mei adhuc vivunt et confirmati sunt super me.“ Gern möchte man solcher Versicherung Glauben schenken und die Ursachen des Sturzes auf Neid und Mißgunst der Gegner zurückführen, aber Oexle’s zum Mindesten zweideutig zu nennendes Benehmen in der nächsten Zeit verbietet solche Annahme. Im October 1667 begab er sich nach Wien; bald lief in München eine Denunciation ein, daß Oe. wiederholt in höchstem Geheimniß zur Audienz in die Hofburg gerufen worden sei und mit Hilfe eines von Baiern mitgebrachten Schreibers eifrig damit beschäftigt sei, Actenauszüge und andere Elaborate zu fertigen. Nun wurde der Schreiber des Kanzlers, Johann Rothkäppl, zu amtlicher Erklärung aufgefordert, und wirklich deponirte dieser, er habe für seinen Herrn schon vor längerer Zeit aus dem Waldturnischen Act und den Zollreceptirungsacten Auszüge machen müssen; die Extracte, sowie auch Wahlacten seien mit Hilfe der Regensburger Jesuiten an den Beichtvater des Kaisers gesendet worden. Desgleichen sei ihm bekannt, daß Oe. bei seiner Abreise nach Wien eine große Truhe voll Arten mit sich genommen und während des dortigen Aufenthalts insgeheim mit dem Kaiser und mit dem Minister Fürsten Lobkowitz verhandelt habe. Nun erging von Seite der kurfürstlichen Regierung an Oe. die Weisung zur Rückkehr, und als er sich weigerte, wurde der Fortbezug seines Gehaltes inhibirt. Im nächsten Jahre begab sich aber Oe. nach Straubing und richtete an den Kurfürsten wieder eine „de- und wehmüthige Supplikation“ (24. April 1669); er sei nur deshalb ungehorsam gewesen, weil ihn der Kaiser und der Kardinal von Thun vor Rückkehr nach Baiern warnten, da ihm seine Feinde nach dem Leben trachteten. Auf Befehl des Kurfürsten wurde ihm nun wieder sein Sold angewiesen. Dessen ungeachtet gerieth er allmählich in höchst bedrängte Lage. Wie es scheint, zog er aus den Gütern in Schwaben, die er nicht hatte verkaufen können oder wollen, nicht bloß keinen Gewinn, sondern mußte um ihretwillen noch große pecuniäre Opfer bringen, so daß eine Ueberschuldung eintrat, aus welcher er sich nicht mehr befreien konnte. Ein kurfürstliches Decret vom 1. December 1673 wies den Kanzler der Regierung zu Landshut an, nicht länger den Skandal zu dulden, daß der gewesene Geheimrath Oe. nicht einmal mehr den Dienstboten ihren Liedlohn [28] auszahle; Oe. möge sich bei den Dominikanern in Landshut in Kost und Herberg geben, widrigenfalls der Lauf der unparteiischen Justiz nicht gehemmt werden könnte. Diese Weisung scheint wieder zurückgenommen worden zu sein, aber ein Bericht der „verordneten Oexlischen Curatores“ an den Kurfürsten vom 12. März 1674 läßt ersehen, welch’ trauriger Lebensabend dem früher so angesehenen Staatsmann beschieden war. Sie zeigten an, daß Oe. in der verflossenen Nacht von einer Schwachheit dergestalt überfallen worden sei, daß er wol in Kurzem sein Leben beschließen werde, und fragten, wie es denn mit dem Begräbniß gehalten werden soll, da ja doch Oe. „in publicis ein beriembter und vill lange Jahr gebrauchter Mann gewesen“, und da andererseits seine Kinder, aus Furcht, es möchten ihnen die Begräbnißkosten aufgehalst werden, sich um den Vater durchaus nicht annehmen wollten. Der Kurfürst wies darauf die Regierung an, dafür Sorge zu tragen, daß Oe. ehrlich zur Erde bestattet werde. Aber erst am 27. Mai 1675 starb Oe., nach Anzeige der Curatoren, „vermitels eines ohnfürhergesehenen Schlags“. Der Nachlaß wurde sofort versiegelt und genau inventarisirt, weil die Vermuthung nicht ausgeschlossen war, daß noch amtliche Schriftstücke vorhanden sein möchten; die kurfürstlichen Beamten fanden jedoch zu ihrem Erstaunen nichts als „abgeschabene, zerrissene und ziemblich alte Möbel, abgeschmotzte Kleider und unverkaufliche Utensilien“. Der Bericht der Landshuter Regierung (31. August 1675) constatirt, daß der Verstorbene „keinen eigenen Löffel, auch sonst so wenig an Mobilien verlassen, daß sich billig zu verwundern, da er doch früher eine schöne Paarschaft, Argenterey und Malerey gehabt“; es sei zu vermuthen, er habe alles seinen Kindern hinausgeben müssen. – Die Familie Oe. wurde später in den Reichsgrafenstand erhoben und mit dem erblichen Reichspostmeisteramt in kurbairischen Landen belehnt, scheint aber zu Anfang unseres Jahrhunderts erloschen zu sein.

Personalacten und andere Archivalien im k. geh. Staatsarchiv und im k. Kreisarchiv zu München.