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Artikel „Nerol, Tobias Kohen“ von Adolf Brüll in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 436–437, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nerol,_Tobias_Kohen&oldid=- (Version vom 12. Oktober 2024, 09:45 Uhr UTC)
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Nerol: Tobias Kohen N., Arzt und medicinischer Schriftsteller, geb. 1652 in Metz, † 1729 in Jerusalem. N., dessen Vorfahren dem angesehenen Geschlechte der Manuscrivi in Italien angehörten, war ein Sohn des auch auf dem Gebiete der Astronomie und der Medicin bewanderten jüdischen Theologen Moses N. (geb. 1598), der von 1649 an die Rabbinerstelle in Metz bekleidet hat und am 10. Mai 1659 daselbst verstorben ist. Der früh verwaiste Knabe kam 1663 mit seiner Mutter, die in diesem Jahre sich in zweiter Ehe mit dem gelehrten Wormser Rabbiner Samson Bacharach vermählte, nach Worms, zog jedoch bald von dort fort, um in Polen, wo seine väterliche Familie ansässig war, seine talmudischen Kenntnisse zu vermehren. Seine Absicht, sich gleich seinen beiden Brüdern daselbst heimisch zu machen, mußte er indeß nach mehreren Jahren wieder aufgeben, da die dortige jüdische Bevölkerung von den Leiden des polnisch-türkischen Krieges (1672–1676) hart mitgenommen wurde, und so entschloß er sich endlich, nach Padua zu gehen und daselbst Medicin zu studiren. Zur weiteren Fortbildung begab er sich mit einem ihm befreundeten Studiengenossen nach Deutschland (1685) und hatte das Glück, von dem großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. protegirt zu werden. Dieser bewirkte nämlich seine Zulassung zu den Vorlesungen an der Universität zu Frankfurt a. O., welche bis dahin den Juden verschlossen geblieben war, und setzte ihm während seiner Studienzeit ein namhaftes Stipendium aus. In Padua erhielt N. den Doctorgrad und ließ sich dann als Arzt in Constantinopel nieder, wo er bald eine ansehnliche Praxis und einen bedeutenden Ruf erlangte. Er war eine Zeit hindurch Leibarzt des krim’schen Tartarenfürsten Selim Girig Chan, stand mit hohen Persönlichkeiten in Verbindung und wurde auch am türkischen Hofe bei Erkrankungsfällen zu Rathe gezogen. Sein Leben blieb indeß nicht frei von Mißgeschick und Ungemach, der Tod raubte ihm seine Kinder und so sollten „seine Werke seine Nachkommen werden“. Im J. 1705 ging er an die Abfassung seines Werkes „Maasze Tobia“, das er zwei Jahre später in Venedig veröffentlichte. Dasselbe, aus drei Theilen bestehend, bildet ein nach eigenem Plane ausgearbeitetes, encyclopädisches Lehrbuch der Kosmologie. Die Metaphysik, die zuerst dargestellt wird, erweitert sich unter der Hand des Verfassers zur jüdischen Dogmenlehre. In der darauf folgenden Astronomie sucht derselbe das Kopernikanische System zu widerlegen. Die physikalische Geographie giebt auch kurze Nachrichten über Amerika und China und über seltene Culturpflanzen. Auch die Anthropologie und die Lehre von den Elementen und deren Eigenschaften und Wirkungen gehören noch der ersten Abtheilung an. Der zweite Theil umfaßt die eigentlich medicinischen Disciplinen (Diagnostik und Therapeutik u. s. w.,), worauf im dritten Theile zumeist die Behandlung der Frauen- und Kinderkrankheiten dargestellt und Medicinalpflanzen beschrieben und verzeichnet werden. Der Verfasser bezeichnet sein Buch selbst als eine systematisch [437] angelegte Compilation aus verschiedenen Werken, doch theilt er auch eigene Erfahrungen und Beobachtungen mit und zeigt sich in seinen Urtheilen auch da, wo er den Talmud gegen sich hat, ziemlich selbständig.

Carmoly, Revue orientale II p. 483–487. – Zunz, gesammelte Schriften I, S. 193. – Steinschneider, Catal. bibl. Bodleianae s. v. Tobias Kohn. – M. Bersohn, Tobiaß Kohn, Lekarz Polski v XVII wieku (poln.), Krakau 1872. – N. Brüll, Jahrbücher für jüdische Gesch. u. Litteratur V/VI, S. 105. – Revue des études juives 7, p. 223.