Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Nanker, Bischof von Breslau“ von Colmar Grünhagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 243–245, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nanker&oldid=- (Version vom 8. Dezember 2024, 21:24 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Naeke (Verweisung)
Nächster>>>
Nannius, Petrus
Band 23 (1886), S. 243–245 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Nanker in der Wikipedia
Nanker in Wikidata
GND-Nummer 119308819
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|243|245|Nanker, Bischof von Breslau|Colmar Grünhagen|ADB:Nanker}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119308819}}    

Nanker: Bischof von Breslau (1326–1341), von Geburt ein Pole, Sohn des Jumiram, 1308 als Archidiakon von Sendomir erwähnt, wird 1320, wo er die Würde eines Domdechanten in Krakau bekleidete, zum Bischof von Krakau gewählt, von da jedoch, nachdem er mit König Wladyslaw Lokietek in Streit gerathen und von diesem angeblich sogar eine thätliche Beleidigung zu erdulden gehabt hatte, durch den Papst 1325 nach Breslau versetzt. Für den dortigen Bischofsstuhl hatten die päpstlichen Legaten wiederholt einen Polen begehrt, da in diesem allmählich fast ganz germanisirten Lande die Deutschen und auch die deutsche Geistlichkeit, das seiner Mehrheit nach deutsche Breslauer Domcapitel nicht ausgeschlossen, gegenüber den damals besonders gesteigerten Geldansprüchen der päpstlichen Curie, welche Eigennutz und Ueberhebung seitens der Legaten oft noch besonders unerträglich machten, sich weniger gefügig zeigten. Unter solchen Umständen mußte es der neue Bischof, von den Deutschen in Schlesien allgemein als unwillkommener Eindringling angesehen, sehr schwierig finden, zu einer gedeihlichen Wirksamkeit zu gelangen, und es kam so weit, daß N. selbst den Papst um die Erlaubniß anging, wieder nach Krakau zurückkehren [244] zu dürfen. Endlich aber gelang es ihm, durch größere Nachgiebigkeit in ein besseres Verhältniß zu seinem von dem intelligenten Domherrn Nicolaus v. Banz geleiteten Domcapitel zu kommen; er ließ es sich auch gefallen, daß dieses ihm als einem mit den Landessitten weniger Vertrauten ein uns noch erhaltenes Formelbuch (ed. Wattenbach, cod. dip. Siles. V) als Muster für seine Regierungs- und Canzleipraxis überreichte. Der gegen das Deutsche in Schlesien in hohem Maße erbitterte päpstliche Legat Galhard de Carceribus zeigte sich über des Bischofs Nachgiebigkeit sehr erzürnt und schilderte ihn dem Papst als altersschwach und energielos. Vielleicht waren es nun besonders die Vorwürfe des Legaten, die N. in einem Streite mit König Johann von Böhmen, dem Oberlehnsherrn von Schlesien und seit 1335 auch directen Landesfürst von Breslau, so besonders hartnäckig machten. König Johann verlangte 1337, als gerade seine Beziehungen zu Polen sich etwas gespannter zeigten, daß ihm die an der polnischen Grenze gelegene, durch die Sümpfe der Bartsch wohl geschützte Burg Militsch, ein alter Besitz des Breslauer Domcapitels, für Kriegszwecke offen gehalten würde. Mit dem Capitel hätte er sich bei dessen Gesinnung geeinigt, aber in Militsch gebot ein Capitular, Heinrich v. Würben[WS 1], der von seiner Widerspenstigkeit und Unbotmäßigkeit, auch dem Capitel gegenüber, bereits wiederholt Beweise gegeben hatte. Dessen Weigerung, das Schloß dem König zu öffnen, billigte auch der Bischof, beeinflußt durch den päpstlichen Legaten Galhard, der in einem Briefe an den Papst es ganz offen ausspricht, daß er im Interesse Polens einer Besetzung der schlesischen Grenzburg durch den Landesherrn widerstrebe. Aber die Breslauer rückten mit einer Abtheilung Kriegsvolk vor Militsch, 1339, und bewogen bei einer Zusammenkunft, die schließlich in einem Zechgelage endete, Heinrich v. Würben zur Oeffnung des Schlosses für den König. Hierüber erzürnt suchte nun N. mit einigen Domherrn, die sich dazu willig hatten finden lassen, König Johann zu Breslau im Minoritenkloster auf, wo derselbe eben in Berathung mit den Rathsherren sich befand, erzwang durch stürmisches Fordern eine Audienz und trat nun in feierlichem Ornat, ein Crucifix in der Rechten haltend, vor den König, von diesem zum ersten, zweiten und dritten Male die Rückgabe von Schloß Militsch verlangend. Als Johann kühl darauf bemerkte, das würde sich wohl nicht so gleich thun lassen, schleuderte der erzürnte Bischof mit erhobenem Crucifix dem König den Bannfluch ins Antlitz, worauf dieser zu den Umstehenden gewandt ruhig sprach: „O bei der Seele Gottes, was ist das für ein Priester, der würde gern ein Märtyrer werden, wenn nur Jemand Lust hätte, ihn dazu zu machen“, worauf er sich abwandte, und das Zimmer verließ. Als die Breslauer Rathsherren dann dem Bischof wegen des dem Könige angethanen Schimpfes Vorstellungen machten, erklärte Jener, auch sie seien als Mitschuldige dem Banne verfallen und schmähte den König noch, den er nicht als König, sondern nur als ein Königlein gelten lassen wollte, da er in seinem Lande nicht einmal einen Erzbischof habe, sondern zu seiner Krönung erst einen solchen sich habe borgen müssen. Während der Bischof nach diesem Auftritt vor dem Zorn des Königs nach Neiße flüchtete, legte dieser Beschlag auf alle bischöflichen Einkünfte in den Gebieten von Breslau und Neumarkt, und die in Folge dessen von N. verhängten geistlichen Strafen, Interdikt und Bann blieben wirkungslos, ja sie konnten in Breslau nicht einmal publicirt werden. Und als dann auch gegen die Breslauer Rathsherren und die Geistlichen, welche trotz des Interdictes in Breslau Gottesdienst hielten, durch den Bischof eine Anklage wegen ketzerischer Aeußerungen erhoben ward, vermochte der mit dieser Untersuchung als Inquisitor betraute Dominicaner Johann v. Schwenkenfeld wenig auszurichten, sondern mußte bald wieder unverrichteter Sache Breslau verlassen, und konnte nicht einmal die Gefangenhaltung [245] eines Waldensischer Ketzereien sehr verdächtig scheinenden Mönches Martin von Grüssau durchsetzen. Die Lösung des Confliktes erleichterte sehr der Tod Nanker’s am 10. April 1341. Markgraf Karl, der Sohn des Königs Johann, der an Stelle seines Vaters hier die Regierung führte, brachte es bald zu einem Ausgleiche, namentlich nachdem sein früherer Erzieher (1342) als Clemens VI. den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, und der nun zum Bischof gewählte Schlesier Preczlaw v. Pogarell hielt sich von allen polonisirenden Tendenzen fern.

Grünhagen, König Johann von Böhmen und Bischof Nanker von Breslau. Wien 1864. Sitzungsberichte der k. Akademie Bd. 47.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Nicht der gleichnamige Bischof, der 1319 als Vorgänger Nankers gestorben war.