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Artikel „Moth, Franz“ von Moritz Cantor in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 406–407, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Moth,_Franz&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 14:11 Uhr UTC)
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Moth: Franz M., Mathematiker, geb. am 3. December 1802 in dem Städtchen Luditz in Böhmen, † am 7. Mai 1879 zu Wien. Sohn eines Gemeinderechners zeigte M. von frühester Kindheit an große Begabung zur Rechenkunst. Immer ein Stück Kreide bei sich tragend, benutzte er Thüren und Tische, wo sich ein Plätzchen fand, irgend ein Exempel auszuführen, häufiger Strafe als [407] Lob sich zuziehend. Auf Zureden der Lehrer des Knaben bestimmten die Eltern ihn zum Studium und siedelten mit ihm 1814 nach Prag über, wo er in das Kleinseitner Gymnasium aufgenommen wurde. Auch hier blieb seine mathematische Neigung die gleiche, und bis 1817 hatte er ohne Anleitung sich mit Algebra bis zu den Gleichungen 4. Grades einschließlich, mit Progressionen und Logarithmen, auch mit unbestimmter Analytik bekannt gemacht, sowie die drei ersten Bücher einer deutschen Euklidübersetzung studirt. Die Aufmerksamkeit der Lehrer wurde auf den begabten Schüler gelenkt. Man verschaffte ihm Zutritt zu der öffentlichen Bibliothek, und Eulers Schriften bildeten seinen Geist weiter. Seit November 1820 gehörte M. der Prager Universität an, wußte aber durch ein Examen sich von der Verpflichtung elementarmathematische Collegien zu hören zu befreien, und folgte statt dessen den Vorlesungen des bekannten Technikers Fr. Jos. v. Gerstner (Bd. IX, S. 67). Den geistvollen Bolzano (Bd. III, S. 116) hatte er nur kurze Zeit als Lehrer, da gerade 1820 die Verfolgungen gegen den seiner Zeit vorauseilenden Forscher es dahin brachten, daß seiner Lehrthätigkeit ein Ende gemacht wurde. Die ordnungsmäßigen Prüfungen bestand M. frühzeitig und mit Auszeichnung. Ende 1822, mithin bereits im dritten Studienjahre, setzte M. es durch, an einem Concurs theilnehmen zu dürfen, welcher in Folge des Rücktrittes Gerstners von dem Lehrstuhle der höheren Mathematik ausgeschrieben wurde. Gelang es M. auch nicht, damals schon angestellt zu werden, so hatte doch sein Stegreifvortrag, bei welchem er sogar auf die übliche viertelstündige Frist, um sich einigermaßen einen Plan zu überdenken verzichtete, so viel bewirkt, daß er 1824 Supplent für die höhere Mathematik in Prag mit einem Jahresgehalt von 600 Gulden wurde und vor 60 Zuhörern seine Vorlesungen begann. Nach zwei Jahren wurde 1826 die Professur endgiltig besetzt, aber nicht durch M. sondern durch den Dienstälteren Professor Kulik (Bd. XVII, S. 361). Fest entschlossen bei dem einmal ergriffenen Lehrfache zu bleiben, trat M. in jeden neu eröffneten Concurs ein, in einen solchen für die durch Kuliks Berufung nach Prag freigewordene Professur der Physik zu Graz, in einen weiteren für die Professur der höheren Mathematik am polytechnischen Institute zu Wien, endlich in einen solchen für das Lehramt der Elementarmathematik am Salzburger Lyceum. Für letztere Stelle erhielt er 1831 das Anstellungsdecret. M. blieb in dieser Stellung bis 1849, wo er als Professor der Mathematik an die Wiener Universität berufen wurde. Seine Lehrthätigkeit an dieser dauerte bis 1876. M. war vorzugsweise Lehrer, und zwar ein Muster eines pflichteifrigen, für seinen Beruf begeisterten Lehrers, der seine Vorlesungen fast bei jedesmaliger Wiederholung derselben neu ausarbeitete. Er las algebraische Analysis, analytische Geometrie, Differential- und Integralrechnung und deren Anwendung auf Geometrie. Von seinen schriftstellerischen Leistungen schätzte er selbst am höchsten eine in den Abhandlungen der baierischen Akademie der Wissenschaften, mathematisch-physikalische Classe, Bd. III, S. 87–150 gedruckte Arbeit „Ueber die Anwendbarkeit der imaginären Zahlformen in der Geometrie“ (München 1840), welche aber keineswegs, wie man aus dem Titel vermuthen könnte, mit sogenannten imaginären Raumgebilden sich beschäftigt, sondern nur, und zwar ohne nennenswerthen Fortschritt, mit der seit Anfang des Jahrhunderts mehrfach gelehrten geometrischen Versinnlichung der complexen Zahlen mit Hilfe lateral gezogener Linien. M. gehörte seit 1849 auch der Wiener Akademie an.

Almanach der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, XXIX. Jahrgang. Wien 1879. S. 172–194.