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Artikel „Moravus“ von Karl Steiff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 214–215, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Moravus&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 05:07 Uhr UTC)
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Moravus, beziehungsweise de Moravia[1], so nannten sich nach ihrem Heimathlande Mähren zwei Buchdrucker des 15. Jahrhunderts, welche zur Verbreitung der neuen Kunst in fremden Ländern beigetragen haben. Von dem einen derselben, Valentin M., weiß man freilich nur das eine, daß er bis nach Lissabon gekommen ist und dort im J. 1495 gemeinsam mit Nicolaus de Saxonia das große Leben Jesu des Ludolphus de Saxonia in portugiesischer Uebersetzung gedruckt hat (4 Bände in Folio, s. Hain 10 301). – Soweit es sich um seine persönlichen Verhältnisse handelt, ist auch Matthias M., der andere der genannten Drucker, für uns in Dunkel gehüllt. In seinem ersten uns bekannten Druckwerke nennt er sich „de olomuntz“ (Olmütz); dies ist die einzige sichere Angabe, welche man über ihn hat. Wenn auch das „magister“, das er sich beilegte, die academische Würde bezeichnen sollte, was allerdings wahrscheinlich ist, so ist die Aussicht doch gering, ihn in den Matrikeln der Universitäten sicher aufzufinden und etwa auch seinen Familiennamen festzustellen. Matthias de Olmütz oder M. Moravus konnte ja so Mancher sich nennen. Je weniger man von der Person des Mannes weiß, desto zahlreicher sind – im Vergleich mit vielen andern jener Drucker – die Zeugnisse seiner Thätigkeit. Zum ersten Mal kommt sein Name im Verein mit demjenigen des sonst nirgends mehr genannten Michael de Monaco auf einem Drucke von des Nicolaus de Ausmo Supplementum Summae Pisanellae vor, welcher „Janue … (anno) millesimo quadringentesimo lii° quarto“ erschienen ist. Diese räthselhafte Jahreszahl wird sicher mit Recht = lxx° genommen, so daß der Druck also in das Jahr 1474 fällt. Unter Janua wird allgemein Genua verstanden; so viel wir sehen, stände aber auch nichts im Wege, dabei an Genf zu denken. Ist Genua gemeint, so könnte immerhin gegen ihn jene famose Eingabe der dortigen Schreiberzunft gerichtet gewesen sein, welche von der Regierung ein Verbot des Drucks von Donaten, Breviarien, Psaltern u. s. w. verlangte. Wahrscheinlich ist es übrigens nicht, da genannte Eingabe schon in das Jahr 1472 fallen soll. Denn M. müßte darnach wenigstens zwei Jahre früher, als man nach obigem annehmen sollte, seine Thätigkeit in Genua begonnen haben, während man doch angesichts der genauen Datirung des obenerwähnten Drucks von 1474 diesen für den ersten halten möchte. Von „Janua“ wanderte M. nach Neapel und hier war es, wo er – als der vierte in der Reihe der dortigen Buchdrucker – von 1475 an seine wichtigste Thätigkeit entfaltete. Man kennt heute mehr als 30 neapolitanische Drucke, welche den Namen dieses Meisters tragen oder deren Typen mit aller Sicherheit auf seine Presse hinweisen. Der Mehrzahl nach sind es theils Werke theologischer Natur – Breviere, Missale, Psalterien, aber auch eine lateinische Bibel (von 1476) – theils philologische Werke, unter welch [215] letzteren wir einzelne Classikerausgaben, wie die von Cicero’s Officien, ausgewählten Reden u. s. w., von Plinius Episteln und namentlich die Editio princeps von Seneca’s Werken (von 1475) hervorheben möchten. Die meisten dieser Moravischen Drucke sind heute sehr gesucht und werden mit hohen Preisen bezahlt, weil sie nicht blos sehr selten sind, sondern auch durch ihre Ausstattung hervorragen. Holzschnitte, Zierinitialen, prachtvolle Miniaturen zeichnen sie vor vielen andern aus; zudem hat der Drucker von einem großen Theil derselben, z. B. auch von der lateinischen Bibel, Ausgaben auf Pergament veranstaltet. In manchen der Drucke erscheint als Corrector der Mönch Blasius Romerus „philosophus ac theologus celeber“, der mit der Presse des M. enger verbunden gewesen zu sein scheint. Nach Panzer a. u. a. O. II. 157 wäre er auch in „Janua“ der Begleiter desselben gewesen. Der letzte Druck unseres Meisters ist vom 31. Januar 1491 datirt. Von da an verschwindet sein Name. Es ist keine Spur vorhanden, daß er etwa an anderem Ort und unter anderem Namen gedruckt hätte, doch auch nicht davon, daß seine Presse in eines Andern Hände übergegangen und er somit in jenem Jahre gestorben wäre.

Des Matth. Moravus Drucke findet man bei Panzer, Annal. typogr. I, 441 (Hain 2152). II. 156–163, 166. IV. 369–378, 384. Eine Ergänzung dazu gibt Hain, Repert. bibliogr. 6586, 11 367, 11 986, 11 987 und zu diesen beiden Bibliographien Brunet, Manuel du libraire 5. éd. II. col. 21. IV. col. 167 u. 806.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 214. Z. 16 v. o.: Am Anfang des 16. Jahrhunderts erscheint in Lissabon ein Buchdrucker Valentin Fernandez (Fernandes). Bei diesem fremdländischen Namen denkt man sicher nicht leicht an einen Deutschen und dennoch handelt es sich um einen solchen und zwar um keinen andern, als um Valentin de Moravia (Moravus). An Orten nämlich, an welchen man es nicht leicht sucht, in des Fr. Mendez Tipografia española, 2. ed., 1861, S. 144 und im „Neuen Lausitzischen Magazin“ Bd. XLIX, 1, 1872, S. 103 in Ernst Volger’s Aufsatz: „Die ältesten Drucker und Druckorte der Pyrenäischen Halbinsel“ wird darauf aufmerksam gemacht, daß es einen Lissaboner Druck vom Jahre 1501 gibt (Glosa famosissima sobra las coplas de don Jorge Manrique), dessen Drucker sich Valentin Fernandes de la provincia de Moravia nennt; und außerdem existirt ein anderer Druck vom Jahre 1502, in welchem derselbe Meister zu seinem Namen Fernandez die Bezeichnung Alemão setzt. Es ist nun klar, daß es nicht zwei aus Mähren stammende Buchdrucker des Namens Valentin zu gleicher Zeit in Lissabon gegeben haben wird und so dürfen wir mit aller Bestimmtheit den Valentin Fernandez mit dem Drucker des großen Lebens Jesu von 1495 identificiren. Dann aber rückt der Letztere aus dem Dunkel, in dem er sich sonst für uns befindet, in hellere Beleuchtung. Nicht nur, daß wir nun wissen, daß er eigentlich Valentinus Ferdinandi hieß – ob er sich so nur nach dem Vater nannte oder ob es der Name seiner Familie überhaupt war, muß freilich noch dahingestellt bleiben –, wir kennen nun auch seine Druckerthätigkeit etwas genauer. Denn die Drucke, welche er unter dem Namen Valentin Fernandez veröffentlichte, gehen – soweit sie bis jetzt bekannt sind – bis 1513 herab und belaufen sich auf zehn, wozu dann außer der Vita de Jhesu noch ein weiterer Druck aus dem 15. Jahrhundert, nämlich vom Jahre 1496 kommt. Man findet diese Drucke in dem Werke: A imprensa portugueza no seculo XVI. Ordenações do reíno por T. de Noronha, Porto 1873, S. 26 (vgl. auch S. 10 fg.) aufgezählt. Sein Druckerzeichen – dessen wesentlichster Bestandtheil ein aufrechtstehender Löwe ist, der einen Schild mit dem Buchstaben V und einem Kreuz nebst Schlange (?) hält, darunter ein Spruchband mit den Buchstaben J S V W H – ist abgebildet bei Mendez a. a. O. S. 145. Aber nicht bloß als Drucker, sondern auch als Gelehrter erscheint nunmehr dieser Moravus. Des Marco Polo Reisewerk hat er aus dem Lateinischen ins Portugiesische übersetzt und noch heute besitzt die k. Hof- und Staatsbibliothek in München eine portugiesische Handschrift (Cod. hisp. 27), die seinen Namen d. h. den Namen Valentin Fernandez Aleman trägt; es sind Berichte über die Entdeckungen der Portugiesen, bis zum Jahre 1508 reichend, die von ihm theils nur gesammelt, doch mit Citaten aus Plinius, Strabo u. s. w. versehen, theils aber auch verfaßt worden sind; vgl. über diese Handschrift Schmeller in den Abhandlungen der k. bayer. Akademie, philos.-philol. Classe IV, 1847, Abth. III. Darnach findet sich in derselben eine Stelle, nach welcher M. sogar selbst an einer Expedition nach Afrika theilgenommen zu haben scheint (s. a. a. O. S. 7). Nach einer andern Stelle hat er schon im J. 1495, als Hieronymus Monetarius aus Nürnberg vom König Johann empfangen wurde, als Dolmetscher gedient (s. ebend. S. 9 fg.), ein Umstand, der beiläufig bemerkt darauf schließen läßt, daß er schon geraume Zeit vor 1495, dem Jahre seines ersten bekannten Drucks, nach Portugal gekommen ist. Nehmen wir zu dem bisher Gesagten, daß M. auch „Escudeiro“ (wohl = Kammerherr) der Königin Eleonore war, so erhellt auch hieraus, welch exceptionelle Stellung dieser deutsche Buchdrucker im fremden Lande eingenommen hat. Wann der bedeutende Mann gestorben ist, ist nicht bekannt. [Bd. 26, S. 830 f.]