ADB:Messenhauser, Wenzel Cäsar

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Artikel „Messenhauser, Caesar Wenzel“ von Franz Philipp von Sommaruga in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 491–494, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Messenhauser,_Wenzel_C%C3%A4sar&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 00:44 Uhr UTC)
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Messenhauser: Caesar Wenzel M., geb. zu Proßnitz in Mähren am 4. Januar 1813 als Sohn eines Regimentsmusikers aus dessen Ehe mit einer Taglöhnerin, kam als Soldatenkind mit 6 Jahren in ein Regiments-Knabenerziehungshaus, wo er Unterricht in den Elementargegenständen, im Exerciren und im Felddienst erhielt. 1829 als Gemeiner zum Infanterieregiment Kaiser abgestellt, ward er im J. 1830 zum Unteroffizier befördert. Schon in dieser [492] subalternen Stellung bethätigte M. bei einem außerordentlichen Gedächtniß und einer eisernen Willenskraft einen unstillbaren Wissensdurst, der ihn immer zu neuen Studien und Arbeiten drängte, und erwarb sich, ein Autodidact im strengsten Sinne, eine Fülle von Kenntnissen, mit denen er ohne zu wollen, allenthalben Staunen erregte. Durch ein Gesuch, um Versetzung als Inspectionsfeldwebel in die Wiener-Militärakademie, das er an den Hofkriegsrath einsendete und mit einer Abhandlung „Ueber die schiefe Schlachtordnung“ begleitete, ward der damalige Personalreferent, Oberst Zanini auf den ungewöhnlich befähigten Unteroffizier aufmerksam und beförderte ihn im J. 1833 zum Offizier. Hierdurch wurde Messenhauser’s Ehrgeiz und Wissensdrang noch mehr gesteigert. Alle seine Zeit verwendete er zu wissenschaftlicher Ausbildung, als deren Frucht er zunächst eine „Geschichte des Alterthums“ in zehn Bänden schrieb, für die er allerdings keinen Verleger fand. Neben dieser wissenschaftlichen Thätigkeit, bei der er sich ganz mit der Bewunderung für die großen Charaktere des Alterthums erfüllte, trieb er auch poetische und novellistische Arbeiten, von welchen auch ein Drama „Demosthenes, Trauerspiel in vier Acten“, im J. 1841 in Druck erschien. Im J. 1839 als Lieutenant zum Regiment Deutschmeister nach Wien versetzt, trat er mit Saphir in Verbindung, schrieb für dessen „Humorist“ zahlreiche Novellen und Gedichte, daneben auch eine Geschichte seines Regimentes, die ihm die Beförderung zum Oberlieutenant verschaffte. In Galizien, wohin sein Regiment im J. 1846 verlegt wurde, fand M. noch im höheren Maße Gelegenheit zu schriftstellerischer Thätigkeit. Als Frucht derselben erschien von ihm eine Novellensammlung in drei Bänden unter dem Titel „Wildniß und Parquet“, 1847, ferner zwei größere Arbeiten „Die Polengräber“, Leipzig 1848 und „Ernste Geschichten“, Ebenda 1848. Letztere beiden unter dem Pseudonym Wenzeslaus March. In dieser Thätigkeit wurde er in Lemberg, wo er zuletzt in Garnison lag, durch die Bewegung des Jahres 1848 unterbrochen, die nach den Wiener Märztagen einen sehr ernsten Charakter annahm. Von der Bürgerschaft in Lemberg in das Comité zur Organisation der Nationalgarde gewählt, ließ er sich bei seinem Auftreten im Rathhause zu einigen Aeußerungen verleiten, die als mit der Stellung eines k. k. Offiziers nicht verträglich erkannt wurden und ihm eine dreitägige Arreststrafe zuzogen. Dies bestärkte ihn in seinem Entschluß, seine Quittirung einzureichen, welchen er Ende März 1848 in Wien ausführte, und wobei er den üblichen Revers unterzeichnete, weder gegen das kaiserliche Erzhaus noch gegen dessen Alliirte zu kämpfen. Nach seinem Ausstritte hielt sich M. in Wien auf, gab zuerst eine Zeitschrift „Die Volkstribüne“ heraus, welche aber ob ihrer gemäßigten Haltung keine Theilnahme fand, betheiligte sich übrigens durchaus nicht an dem tollen Treiben der verführten, aufgehetzten Menge. Den Sommer 1848 über beschäftigte er sich mit litterarischen Arbeiten, neben welchen er nur an der Abrichtung der Nationalgarde und der akademischen Legion auf Ersuchen einiger Freunde Antheil nahm. Nach dem Attentat am 6. October, dem er erwiesenermaßen ganz fremd blieb, wurde M. plötzlich aus seiner Zurückgezogenheit herausgerissen und auf Antrag Becher’s und einiger polnischer Abgeordneter vom Wiener Gemeinderath und vom Reichstage zum provisorischen Commandanten der Wiener Nationalgarde berufen. M. nahm ohne Zögern diesen schwierigen und gefährlichen Posten an, indem er sich die Kraft zutraute, die Sache der constitutionellen Freiheit ungeachtet der zahlreichen Gefahren, welche sie von Innen und Außen bedrohten, mit Erfolg durchführen zu können. Er umgab sich während der darauf folgenden Belagerung Wiens mit Männern von allen Farben, zog sich aber dadurch gar bald den Haß der dominirenden radicalen Partei zu. Er traf mit einem rastlosen Eifer alle zur Vertheidigung nothwendigen Vorkehrungen, theilte Wien in Districte unter besonderen [493] Commandanten, setzte ein Kriegsgericht ein zur Ahndung aller Verbrechen gegen die öffentliche Ordnung, normirte die Errichtung von Mobilgarden, den Wehrlohn, die Platzpolizei, das Paßwesen, setzte die Artillerie in gehörigen Stand und stellte jeden Unfug in entschiedener Weise ab. Unter den im Belvedere campirenden 15 000 Mobilgarden hielt er musterhafte Mannszucht, Gefangene behandelte er mit Schonung, rettete zwei gefangenen Croatenoffizieren das Leben, während sein eigenes nicht nur durch diese aufreibende Thätigkeit sondern auch durch mehrfache meuchlerische Attentate bedroht war. Nebenbei wurde er nicht müde, durch zahlreiche Proclamationen und Befehle, meist sehr phrasenreich und doctrinär gehalten, auf den Geist der Wiener Bevölkerung und auf das Pflichtgefühl der bewaffneten Macht zu wirken. So kam der 28. Octbr. heran, an welchem Tage die Vorstädte Wiens bereits in der Gewalt der Truppen sich befanden, und an weiteren Widerstand nicht zu denken war. In einer Versammlung aller Commandanten legte M. ganz offen die Lage der Stadt und die Unmöglichkeit, sie noch länger zu halten, dar und beantragte die Absendung einer Deputation an den Fürsten Windischgrätz zum Abschlusse der Uebergabe der Stadt, was auch sofort angenommen und ausgeführt wurde. Noch am 29. October rettete er durch sein muthvolles Auftreten die Hofburg und die daran stoßenden Paläste des Adels und der Reichen vor den Versuchen des fanatischen Pöbels, welcher dieselben anzünden wollte. Der Gemeinderath votirte ihm dafür den Dank der Stadt. Am Morgen des 30. October verkündete M. die Capitulation und forderte die Bevölkerung zur Niederlegung der Waffen auf. Eben als letztere ausgeführt werden sollte, verbreitete sich die Nachricht von dem schon lange erwarteten Anmarsche der Ungarn. Nun aber wollte Niemand mehr etwas von Capitulation wissen. Die Basteien füllten sich mit bewaffneten Haufen, die Kampflust der Menge war vom Neuen erwacht und äußerte sich durch vereinzeltes Feuern auf die Belagerungstruppen. Da legte M. sein Obercommando nieder. Nun erklärten aber sämmtliche Offiziere der Nationalgarde, nur unter seinem Commando fortdienen zu wollen, ferner vereinigten Gemeinderath und Reichstag ihre Bitten und Vorstellungen bei ihm um Beibehaltung des Obercommandos. Andererseits ward er in seinem Observatorium auf der Höhe des Stephansthurmes, von wo aus er die Bewegungen des ungarischen Heeres verfolgte, von den radicalen Elementen in seiner Umgebung mit dem Herabstürzen vom Thurm bedroht, falls er nicht das Wiederergreifen der Waffen anbefehlen wolle. In dieser verzweifelten Lage übernahm er das Commando von Neuem und ließ vom Stephansthurm aus um 11/2 Uhr jenen ominösen Befehl hinunterwerfen, welcher anordnete: „Wenn sich zwei Heere unter den Mauern der Residenz schlagen, so ist es Pflicht eines jeden Wehrmannes, unter die Waffen zu treten“, – ein Befehl, welcher sohin vom Kriegsgerichte als von M. anbefohlener Bruch der Capitulation gedeutet wurde. Nach dem Falle der Stadt, den Fürst Windischgrätz am darauf folgenden 31. October durch ein mehrstündiges Bombardement und durch den Sturm auf die einzelnen noch im Widerstande verharrenden Insurgentenhaufen erzwang, blieb M. in Wien, obwohl ihn Freunde auf das Dringlichste baten, sich durch die Flucht zu retten und ihn zu diesem Ende mit Kleidern, Paß und Geld versahen. Da wurde in der Wiener Zeitung vom 5. November seine Proscription kundgemacht, und Jedem, der ihn verheimliche, mit dem Tode gedroht. Als M. diese Kundmachung gelesen, stellte er sich aus freien Stücken dem Stadtcommandanten[WS 1], der ihn sofort in Eisen geschlossen dem Stabstockhause übergab. Ebenso würdevoll war sein Verhalten vor dem sofort zusammengetretenen Kriegsgerichte, das aber ohne Rücksicht auf die Fürbitten von Seite des Gemeinderaths und Reichstags sowie zahlreicher hervorragender Personen sofort das Todesurtheil fällte. M., [494] im Leben bemüht, die Römer in ihren Tugenden, so lange sie deren besaßen, nachzuahmen, starb wie ein Römer mit der classischen Ruhe eines Helden, die ihn auch nach der Verkündigung des Todesurtheils keinen Augenblick verließ. Am 16. November früh auf dem Richtplatze im Stadtgraben angekommen, bat er um die Erlaubniß, als alter Soldat sein Ende selbst commandiren zu dürfen. Es wurde ihm gewährt, und, ohne verbundene Augen sprach er mit fester vernehmlicher Stimme die verhängnißvollen Commandoworte: „Fertig! An! Feuer!“ und sank von drei Kugeln durchbohrt, lautlos zu Boden.

Vgl. Wurzbach, Biographisches Lexikon, Bd. 17, S. 433 ff. Nitschner, Messenhauser, sein Leben etc., Wien 1849. Dunder, Denkschrift über die Wiener Revolution, Wien 1849. Reschauer, Geschichte der Wiener Revolution, Wien 1872. Friedemann, Messenhauser. Biographisches Denkmal, Leipzig 1849. Die Octobertage Wiens, Leipzig 1848.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Stadcommandanten