Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Nitschner, Joseph
Band: 20 (1869), ab Seite: 374. (Quelle)
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Nitschner, Jacob (Schriftsteller, geb. zu Wien 8. September 1819). Kaum zwei Monate alt, verlor N. seinen Vater Franz N., vormals Hauptmann, dann k. k. Hof-Rechnungsführer. Im Alter von 8 Jahren kam der Knabe in das Stift Seitenstetten und aus dem Gymnasium, das er dort beendete, in ein k. k. Militär-Erziehungshaus, aus welchem er im Alter von 18 Jahren als Cadet zum 5. Feldjäger-Bataillon assentirt wurde. Nach einigen Jahren zum Lieutenant bei dem Infanterie-Regimente Hoch- und Deutschmeister befördert, kam er in Garnison nach Wien, wo er sich mit dem Lieutenant Messenhauser [Bd. XVII, S. 433), durch gleichartige geistige Strebungen und literarische Interessen zu ihm hingezogen, befreundete. Im Jahre 1846 marschirte N. mit dem Regimente nach Galizien, wohin zur Dämpfung der daselbst in den westlichen Kreisen ausgebrochenen Unruhen mehrere Regimenter aus den deutschen Kronländern abgeordnet wurden. Während seines Aufenthaltes in Galizien, wo N. als Brigade-, dann als Divisionscommando- und zuletzt als Regiments-Inhabers-Adjutant fungirte, lernte er die polnischen Verhältnisse genauer kennen, und eine Frucht seiner an Ort und Stelle gemachten Beobachtungen war das Werk: „Das Polen-Attentat im Jahre 1846. Aus dem Tagebuche eines Officiers der westgalizischen Armee“ (Grimma 1846, Verlags-Comptoir, 16°.). Ein unter dem Regime der Censur von einem Oesterreicher im Auslande erschienenes Werk konnte, wenn sein Inhalt noch so loyal war, als uncensurirt und somit strafbar, für keinen Autor, am wenigsten für einen k. k. Officier, in den maßgebenden Kreisen eine Empfehlung sein. Auch N. fühlte dieß bald und eine wiederholte Preßüberschreitung machte seine Sache noch schlimmer und verwickelte ihn in neue Unannehmlichkeiten. Unter solchen Verhältnissen befand er sich im März 1848 auf Urlaub in Wien, wo er sich bei dem Ausbruche der Bewegung mit aller Leidenschaft sofort in dieselbe stürzte. Zu gleicher Zeit erbat er seine Entlassung aus der Armee. Auch begann er die Herausgabe des für die unteren Volksclassen berechneten Blattes „Opposition“, das aber schon nach der 8. Nummer zu erscheinen aufhörte, da N. indessen im Auftrage des Platzcommando’s verhaftet und nach Olmütz abgeführt wurde. Während der Haft und kriegsgerichtlichen Untersuchung half er das noch heute in Olmütz bestehende liberale Journal „Neue Zeit“ begründen und arbeitete an einer die militärischen Verhältnisse [375] bloßlegenden Flugschrift: „Soldatenfragen“, die ihm eben auch keine Gönner gewann. Einige Tage nach Messenhauser’s Erschießung wurde N. abgeurtheilt und kam zur Verbüßung des ihm zuerkannten dreimonatlichen Arrestes auf die Festung Königgrätz. Nach überstandener Haft besorgte er einige Zeit die Redaction der „Neuen Zeit“, bis er aus Olmütz ausgewiesen wurde. Er begab sich nun zur Insurgentenarmee nach Ungarn und wurde als Hauptmann im Generalstabe bei dem Armeecorps des Generals Ritter von Pöltenberg zugetheilt. Der Beschluß des Debrecziner Convents vom 14. April 1849 bestimmte ihn zum Austritte. Nun als entlassener Honvéd-Hauptmann mußte er sich bei den damaligen Verhältnissen versteckt halten, und endlich durch Freunde und Verwandte gelang es ihm, mit einem fremden Passe in’s Ausland zu fliehen. Er begab sich nun unverweilt zu der damals im Felde stehenden schleswig-holstein’schen Armee und befehligte bis zum Friedensschlusse im Jahre 1861 eine Compagnie. Nach Auflösung der Armee erwarb er sich durch Schriftstellerei sein Brot, heirathete in Hamburg, kehrte, nachdem die Verhältnisse sich zum Besseren gestaltet, nach Oesterreich zurück, wurde Bibliothekar, später Secretär bei Hugo Grafen Henckel von Donnersmarck, verließ aber schon nach einiger Zeit diese Stelle und arbeitete in der Redaction der „Gratzer Zeitung“, bis ihn Familienangelegenheiten, der Tod seiner Schwiegermutter, nach Hamburg riefen, wohin er sich mit seiner ganzen Familie begab. In Hamburg übernahm er über Vermittlung und Einfluß des österreichischen Generalconsuls Freiherrn von Merck und des k. k. österreichischen Gesandten Gustav Grafen Blome die Redaction der „Hamburger Presse“, die er aber nach Merck’s Tode sofort niederlegte, worauf er mit seinen Kindern – die Frau war in Hamburg gestorben – nach Wien zurückkehrte. Daselbst lebt N., mit schriftstellerischen Arbeiten beschäftigt, d. h. er führt einen steten Kampf um die Krume Brot, die seinen und seiner Kinder Hunger stillen soll. Außer den schon obenerwähnten schriftstellerischen Arbeiten sind von N. erschienen: „Soldatenfragen, beantwortet in den Casematten von Olmütz“, 2 Hefte (Olmütz 1848, gr. 8°.); – „Wenzel Messenhauser. Sein Leben, Wirken und sein Ende. Ein biographisches Denkmal“ (Wien 1849, Jasper, Hügel und Manz, mit M.’s Bildniß und Facsimile, 8°.); – „Skjalfa, Trauerspiel in vier Aufzügen. Den Bühnen gegenüber als Manuscript gedruckt“ (Olmütz 1849, Holzel, 8°.), das Stück wurde in Olmütz, Gratz und auch anderwärts mit Erfolg gegeben; Holbein hatte es auch für das Burgtheater zur Aufführung angenommen, aber widrige Verhältnisse vereitelten dessen Ausführung; – „Kaiser Joseph im Volke“ (1849, 8°.); – „Aus der Soldatenwelt“, 2 Bände (Stuttgart 1852, Mezler, 8°.). Ein Drama: „Charlotte Corday“, mehrere größere Erzählungen: „Miß Robinson“, „Operationen mit dem Schwefeläther“, letztere zwei vor Jahren durch die Censur zurückgehalten, sind ungedruckt. In neuester Zeit gibt er „Tornister-Geschichten“ bei Waldheim in Wien in zwanglosen Heften heraus. Ein großer Theil seiner schriftstellerischen Thätigkeit steckt in Feuilletons der Journale, die N. herausgegeben oder an denen er mitgearbeitet.

Gratzer Zeitung 1860, Nr. 35. –